Urteil aus Österreich zu Lootboxen als Glücksspiel: Game Over für FIFA Packs auch in Deutschland?

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach und Rechtsanwalt Dr. Stefan Bolay

Unlängst hat das Bezirksgericht Hermagor im österreichischen Kärnten sog. „Lootboxen“ in Form von „FIFA-Packs“ aus den FIFA-Video-Spielen als Glücksspiele eingeordnet. Die Folge: Sony wird damit ein Verstoß gegen das österreichische Glücksspielmonopol vorgeworfen (Urteil vom 26. Februar 2023) und wurde damit zur Rückzahlung der Kaufpreise verurteilt, die ein Kunde für solche Pakete bezahlt hatte.

Das Gericht begründete dies wie folgt: Der konkrete Inhalt des erworbenen FIFA-Packs sei vom Zufall abhängig und könne ein Gewinn im Sinne einer „vermögenswerten Leistung“ im Sinne des österreichischen Glücksspielgesetzes darstellen.

Auswirkungen auf Deutschland aus der Sicht der Klägerseite:

Die österreichische Padronus Prozessfinanzallianz GmbH hat nicht nur zahlreiche Klagen aus dem Bereich der Online-Casinos finanziert, sondern widmet sich nun auch Spielerklagen im Bereich der Lootboxen und war auch an besagtem Fall beteiligt. Padronus-Geschäftsführer Eibl äußerte sich kürzlich auch gegenüber dem "Behörden Spiegel" zur rechtlichen Situation in Deutschland:

„In der Frage zur Legalität von Lootboxen ist die Rechtslage in Deutschland sehr ähnlich, wenn nicht sogar identisch zur Rechtslage in Österreich. (…) In Deutschland existieren (…) die gleichen Subsumtionsregeln, nämlich die Zufallsabhängigkeit des Ergebnisses und der "Erwerb einer Gewinnchance", wobei ein „Gewinn“ nur möglich ist, wenn die erhaltene Gegenleistung einen wirtschaftlichen Wert hat, der entweder als Gewinn oder Verlust gewertet werden kann. Daher kann das österreichische Gerichtsurteil auch als Meilenstein und Präzedenzfall für die deutsche Rechtsprechung gewertet werden.“

Aber ist die deutsche Rechtslage wirklich so eindeutig und die Situation derart vergleichbar?

Auch aus deutscher Sicht ist die Zufallseigenschaft hinsichtlich des Inhalts von Lootboxen unstreitig; spannend ist jedoch die Frage, ob wirklich „ein Spiel“ vorliegt, bei dem „ein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance“ verlangt wird, wie es der deutsche Glücksspielstaatsvertrag vorgibt.

Die FIFA-Packs sind „virtuelle Gegenstände“, die grundsätzlich dazu bestimmt sind, für das Spiel verwendet zu werden. Auch können sie die Gewinnchancen „im Spiel“ erhöhen, allerdings werden für die „Gewinner“ der FIFA-Video-Spiele keine Gewinne wie etwa Preisgelder ausgelobt. Insofern kann allenfalls das „Kaufen der Lootboxen“ als solches ein Glücksspiel (gewissermaßen innerhalb des FIFA-Spiels) sein.

Dann jedoch müsste der Inhalt der FIFA-Packs einen Vermögenswert „außerhalb“ des FIFA-Spiels darstellen. Hier argumentierte das Kärntner Gericht wie folgt: Da die digitalen Fußballstars aus den FIFA-Packs auf einem Zweitmarkt im Internet gehandelt würden, wäre eine Gewinnerzielung außerhalb des Spiels möglich, denn für einzelne Packs könnten deutlich höhere „Gewinne“ erzielt werden, als der ursprüngliche Kaufpreis.

Allerdings müsste dieser Handel Sony dann auch zurechenbar sein, Sony müsste mitverantwortlich für diesen Handel sein. Hiergegen kann man einwenden, dass die Spieleanbieter diesen Handel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbieten. Allerdings „profitieren“ die Spieleanbieter auf der anderen Seite auch von diesem Handel, da er den ökonomischen Wert der Lootboxen verstärken kann und damit auch den Verkauf von Lootboxen durch die Spieleanbieter fördert.

Letztendlich ist das Vorliegen einer vermögenswerten Gewinnchance, und damit ein Glücksspiel durch den (Ver)Kauf von Lootboxen wie FIFA-Packs, umso eher zu verneinen, je weiter die Spieleanbieter wirtschaftlich und organisatorisch von möglicherweise entstehenden Zweitmärkten entfernt sind und je mehr die Spieleanbieter Zweitmärkte zu verhindern suchen.

Denn nach der deutschen Rechtslage und Rechtsprechung (instruktiv: BVerwG 8 C 21.12 - Urteil vom 16. Oktober 2013, „Super-Manager“) ist ein „unmittelbarer Zusammenhang“ zwischen der Zahlung eines Entgelts und dem Erwerb einer vermögenswerten Gewinnchance erforderlich, um ein Glücksspiel zu bejahen. Diese Unmittelbarkeit ist zeitlich und wirtschaftlich fraglich, da sich der wirtschaftliche „Gewinn“ aus dem Lootbox-Kauf - wenn überhaupt - erst später auf dem Zweitmarkt realisieren lässt und der Gewinnanspruch auch nicht gegenüber dem Spieleanbieter geltend gemacht werden kann.

Wie geht es weiter?

Um rechtliche Auseinandersetzungen in Sachen Lootboxen in Deutschland zu verhindern und Rechtsklarheit zu finden, sollte ein neuer Co-Regulierungsrahmen für Online-Spiele und speziell für Lootboxen entwickelt werden.

Da die EU-Kommission kürzlich aufgefordert wurde, neue Regeln für Lootboxen auf EU-Ebene zu entwickeln, wird sich diese Initiative bald auch auf Deutschland auswirken, insbesondere durch Änderungen des Medien-Staatsvertrages und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Da es hier laut der Europaabgeordneten Adriana Maldonado López vor allem darum geht, Kinder und Jugendliche vor potenziell süchtig machenden Inhalten zu schützen, sollen einheitliche, überprüfbare Regeln für den (Online-)Verkauf geschaffen werden (siehe auch TLN 1/2022 article “Netherlands court sets new standards for gambling law assessment of lootboxes”).

Hier könnte ein allgemein anerkanntes Prüfsiegel, wie z.B. ein speziell zugeschnittenes TÜV-Siegel, zusätzliche Sicherheit für Endverbraucher, die Kontrollbehörden und die Anbieter leisten. Da klare Alterskennzeichnungen auch anzeigen sollen, welche Spielinhalte für welche Altersgruppe angeboten werden dürfen, wird die Freiwillige Selbstkontrolle der Unterhaltungsindustrie (USK) auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen, um ein hohes Schutzniveau für die jeweiligen Online-Spielergruppen in Deutschland zu gewährleisten.

Im Rahmen eines vom Behörden Spiegel/Glücksspielwesen organisierten Regulierungs-Webinars zum Thema Lootboxen betonte Fabian Gramling (MdB und stellvertretender Verbraucherschutzbeauftragter) am 24. April 2023 die Notwendigkeit einer gemeinsamen Regulierungslösung von USK und Online-Spieleindustrie. Er sagte, dass die junge Spielebranche nicht durch neuen Regulierungsdruck und Verbote erdrückt werden dürfe, sondern der Spieleindustrie eine klare Perspektive aufgezeigt werden müsse, wie Jugendschutz und Selbstregulierung am besten erreicht werden könnten - basierend auf Studien, an denen auch Rechtsexperten aus der Branche und der Politik beteiligt sind.

Fazit:

Die politische Diskussion über Lootboxen kommt in Deutschland jetzt erst richtig in Gang. Gerichtsurteile aus Österreich oder Belgien zu „kopieren“, um den Weg für ein Lootboxen-Verbot in Deutschland zu ebnen, wäre jedoch zu kurz gedacht und wird auch nicht von einer politischen Mehrheit gefordert. Letztendlich könnten neue, strengere Regeln in einem vertrauenswürdigen rechtlichen Rahmen den Königsweg für die zukünftige Regulierung von Online-Spielen und Lootboxen in Deutschland darstellen.