OLG Bamberg hält Sportwettenvermittlung innerhalb der Übergangszeit für straffrei

Auch das OLG Bamberg hat sich der nunmehr ganz ständigen Rechtsprechung der Strafgerichte angeschlossen und entschieden, dass die grenzüberschreitende Sportwettenvermittung an einen in der EU staatlich konzessionierten Buchmacher während der Überganszeit nicht nach § 284 StGB strafbar war. Der Senat sieht bereits den objektiven Tatbestand des § 284 StGB als nicht erfüllt an.

Er führt dazu wörtlich aus:

„Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts erfüllt das dem Angeklagten vorgeworfene Verhalten – im hier maßgeblichen Tatzeitraum vom 11.05. bis 14.06.2006 – nach Auffassung des Senats aber bereits nicht die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 284 StGB.

Rechtsanwalt Dieter Pawlik
Rechtsanwalt Dieter Pawlik

…Der Straftatbestand des unerlaubten Glücksspiels gem. § 284 Abs. 1 StGB ist zwar selbst nicht verfassungswidrig, seiner Anwendbarkeit als Grundlage für die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen gegen den Angeklagten wegen des hier verfahrensgegenständlichen Verhaltens stehen aber sowohl verfassungsrechtliche als auch gemeinschaftsrechtliche Gründe entgegen, solange es an einer den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 28.03.2006 (NJW 2006, 1261/1267 Rn. 149/154) entsprechenden Rechtsgrundlage für das staatliche Wettmonopol fehlt.

…Eine Bestrafung des Angeklagten während der Übergangszeit bis zum 31.12.2007 ist aber gleichwohl rechtsstaatswidrig, weil die verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine strafrechtliche Sanktion gem. § 284 StGB nach der Entscheidung des BVerfG vom 28.03.2006 entfallen sind und folglich ein strafbewehrter Ausschluss gewerblicher Wettangebote einen unverhältnismäßigen und unzumutbaren Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt, solange das bestehende Wettmonopol in seiner konkreten rechtlichen sowie in der Praxis realisierten Ausgestaltung nicht primär der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient (so im Ergebnis auch: OLG Hamburg Beschluss vom 09.03.2007 – 1 Ws 61/07, ZfWG 2008, 295 Rn. 27; OLG München, Urteil vom 17.06.2008 – 5 St RR 28/08; LG München I, Beschluss vom 29.10.2007 – 5 KLs 307 Js 31714/05).

…Bereits aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB – Art, Umfang und Wirksamkeit einer Erlaubnis bestimmen sich nach Maßgabe des Verwaltungsrechts (Schönke/Schröder-Eser/Heine StGB 27. Aufl. § 284 Rn. 22a und Fischer StGB 55. Aufl. § 284 Rn. 14 jeweils m.w.N.) – wird deutlich, dass eine Strafbarkeit der Veranstaltung von Sportwetten nicht losgelöst von der verfassungsrechtlichen Beurteilung der landesrechtlichen Gesamtregelung des Sportwettenrechts zu beantworten ist (BGH NJW 2007, 3078/3081). ….bb) An einer solchen verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage für einen Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 GG, der für den Fall seiner Missachtung durch § 284 StGB strafrechtlich bewehrt werden kann, fehlte es aber zum maßgeblichen Tatzeitraum.

…In strafrechtlicher Hinsicht ist es daher unerheblich, ob die Bayerische Staatslotterieverwaltung mit der Umsetzung der vom BVerfG vorgegebenen Maßnahmen bereits begonnen und welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt dazu tatsächlich ergriffen wurden (OLG München, Urteil vom 17.06.2008 – 5 St RR 28/08; OLG Hamburg, Beschluss vom 05.07.2007 – 1 Ws 61/07, ZfWG 2008, 295 Rn. 30). Eine Bestrafung nach § 284 StGB ist erst dann möglich, wenn der Gesetzgeber – wie vom BVerfG gefordert – seinen Auftrag erfüllt und das staatliche Sportwettenmonopol auf eine verfassungsgemäße materiell-rechtliche und organisatorische Grundlage gestellt hat (BVerfG NJW 2006, 1261/1267 Rn. 149). Davon kann jedenfalls für den hier maßgeblichen Tatzeitraum vor dem Inkrafttreten des neuen Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland zum 01.01.2008, nicht ausgegangen werden.

…Auch das Gemeinschaftsrecht verbietet es, die dem Angeklagten vorgeworfene Tat im Zeitraum vom 11.05. bis 14.06.2006 nach § 284 StGB strafrechtlich zu ahnden. Einer Verurteilung stehen auf Grund der im verfahrensgegenständlichen Tatzeitraum maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen für die Veranstaltung von Sportwetten die Bestimmungen zur Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und zum freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 EGV) und der damit verbundene Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts entgegen, weil damit die Vermittlung von Sportwetten „ohne behördliche Erlaubnis“ strafrechtlich sanktioniert würde, obwohl sich der Angeklagte eine solche Erlaubnis wegen entgegenstehender gemeinschaftsrechtswidriger innerstaatlicher Regelungen nicht beschaffen konnte und eine solche Beschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit zum Tatzeitraum weder aus zwingenden Gründen der Allgemeinheit gerechtfertigt noch geeignet war, die Verwirklichung damit verfolgter und sie allenfalls rechtfertigender Gemeinwohlziele zu gewährleisten (so im Ergebnis auch: OLG Hamburg Beschluss vom 05.07.2007 – 1 Ws 61/07, ZfWG 2008, 295 Rn. 41; OLG München, Urteil vom 17.06.2008 – 5 St RR 28/08 und OLG München, NJW 2006, 3588/3591; LG München I, Beschluss vom 29.10.2007 – 5 KLs 307 Js 31714/05).

…Auf Grund des für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2007 weiter geltenden Staatslotteriegesetz können Sportwetten in Deutschland nicht von privaten Anbietern veranstaltet werden, sondern sind ausschließlich dem Staat vorbehalten. Damit wird in Deutschland auch die Bereitstellung von Glücksspieldiensten durch in anderen Mitgliedsstaaten – wie hier in Großbritannien – zugelassene private Wettanbieter untersagt. Soweit § 284 StGB strafrechtliche Sanktionen gegen Anbieter vorsieht, die diese Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit im Zusammenhang mit Sportwetten missachten, werden deshalb sowohl die durch Art. 43 EGV garantierte Niederlassungsfreiheit als auch der durch Art. 49 EGV garantierte freie Dienstleistungsverkehr beschränkt (so auch: OLG München, Urteil vom 17.06.2008 – 5 St RR 28/08; OLG Hamburg, Beschluss vom 05.07.2007 – 1 Ws 61/07, ZfWG 2008, 295 Rn. 37 sowie OLG München NJW 2006, 3588/3591).

…Nach der Rechtsprechung des EuGH (NJW 2004, 139/140 „Gambelli„ Rn. 69 und NJW 2007, 1515/1517 „Placanica, Palazzese und Sorricchio“ Rn. 46) sind nur solche nationale Maßnahmen als diskriminierungsfrei und damit als zulässige Beschränkungen des Art. 49 EGV anzusehen, die der Beschränkung der Spieltätigkeiten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie dem Verbraucherschutz, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen dienen. Jedoch müssen Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Insoweit steht es den Mitgliedsstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels festzulegen und das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, sofern die Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen (EuGH, NJW 2007, 1515/1517 Rn. 48).

Das Urteil ist auf der Homepage www.vewu.de im Volltext veröffentlicht.

Dieter Pawlik
Rechtsanwalt
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