Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.12.2007

Rechtsanwalt Dr. Manfred Hecker
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
CBH - Rechtsanwälte
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Endgültiger Abschied von den Europarechtlichen Bedenken des BVerfG im Beschluss vom 27.05.2005; Zur europarechtlichen Unbedenklichkeit der faktischen Umsetzung ohne gesetzlich normierte Grundlage in der Übergangszeit

Mit Beschluss vom 27.12.2007 (Az.: 1 BvR 3082/06) hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der digibet wetten.de AG wegen – vermeintlicher – Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde betraf die sofortige Vollziehung einer Untersagungsverfügung in Bezug auf die Vermittlung von gewerblichen Sportwetten in der Zeit nach dem Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 an einen im EU-Ausland lizenzierten Sportwettenveranstalter. Zuvor hatten das VG Berlin und das OVG Berlin-Brandenburg den Antrag der digibet wetten.de AG nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.

Die Beschwerdeführerin hatte die gerügte Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG insbesondere auf den Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27.04.2005 (Az.: 1 BvR 223/05) gestützt. Trotz des diesen Beschluss überholenden Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (Az.: 1 BvR 1054/01, ZfWG 2006, 16 ff.) wird der Beschluss vom 27.04.2005 nach wie vor immer wieder von den Vertretern der mit Untersagungsverfügungen belegten Sportwettenanbieter ausführlich zitiert, um damit die – vermeintliche – Europarechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols der einzelnen Bundesländer und die daraus resultierende Erforderlichkeit einer Vorlage an den EuGH zu begründen.
Nach dem nunmehr ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.12.2007 haben sich die Verfassungshüter mit kaum zu überbietender Deutlichkeit von den Bedenken aus der Entscheidung vom 27.04.2005 verabschiedet.

Nunmehr bestätigt nämlich das Bundesverfassungsgericht den beiden angegriffenen Beschlüssen des VG Berlin und des OVG Berlin-Brandenburg zunächst, dass diese die Gemeinschaftsrechtskonformität des Sportwettenmonopols mit Erwägungen begründen, die in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren nicht dem EuGH nach Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt werden müssten (S. 10). Im Beschluss vom 27.04.2005 hatte das Bundesverfassungsgericht noch verlauten lassen, dass die Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht kaum ohne eine Vorlage an den EuGH festgestellt werden könne.

Im vorliegenden Beschluss heißt es nunmehr, die Vorinstanzen hätten zutreffend § 284 StGB nicht bereits am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts scheitern lassen, sondern diese Strafrechtsnorm als Teil der gemeinschaftsrechtlich zu rechtfertigenden Rechtslage angesehen (S. 10).
Ferner hätten die Vorinstanzen die Rechtslage im Land Berlin nicht auf der Grundlage der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben beurteilt, was im Hauptsacheverfahren zu einer Vorlagepflicht geführt hätte. Vielmehr basierten die Vorentscheidungen auf den „eindeutigen Aussagen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit mitgliedschaftlicher Glücksspielmonopole mit den Grundfreiheiten“ (S. 10/11). Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Annahme, „dass die Herstellung des verfassungsrechtlich geforderten Mindestmaßes an die Konsistenz des staatlichen Wettangebotes nicht nur geeignet ist, einen – jedenfalls übergangsweise – verfassungsrechtlich hinnehmbaren Zustand herbeizuführen, sondern auch einen im Wesentlichen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand.“ (S. 11).

Von besonderer Bedeutung ist es weiterhin, wenn das BVerfG in dieser Entscheidung betont, dass „das Gemeinschaftsrecht in erster Linie auf ein tatsächliches Ausgestaltungs- und Anwendungsdefizit des staatlichen Wettangebots abstellt, nicht aber auch auf ein gesetzliches Regelungsdefizit,…“.(S. 11). Damit ist klar gestellt, dass es während der Übergangsfrist in europarechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden war, dass die monopolvoraussetzenden Regelungen nicht auch in gesetzlich normierter Form vorlagen. Hier gebe es nur eine „Paralelität – nicht aber Identität – der verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung eines staatlichen Wettmonopols“ (S.11).
Nach den nunmehr getroffenen Feststellungen kann ein Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit einer Schließungsverfügung auch in europarechtlicher Hinsicht auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH entscheiden, insbesondere im Hinblick auf die für die angegriffenen Beschlüsse tragende Annahme, dass die Herstellung des verfassungsgerichtlich geforderten Mindestmaßes an Konsistenz hinsichtlich des staatlichen Wettangebots nicht nur geeignet ist, einen verfassungsrechtlich hinnehmbaren sondern auch einen im Wesentlichen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herbeizuführen.
Bemerkenswert ist ferner, dass es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu beanstanden ist, dass die angegriffenen Beschlüsse hinsichtlich der Rechtfertigungsanforderungen des Gemeinschaftsrechts an ein Sportwettenmonopol – jedenfalls übergangsweise – in erster Linie auf die tatsächliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, nicht aber darauf abheben, dass diese Ausgestaltung auch auf gesetzlichen Regelungen basiert.

Dr. Manfred Hecker
Rechtsanwalt