Spielhallen: OVG Bautzen bestätigt Anwendbarkeit des Unionsrechts und des Kohärenzgebotes

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Fabian Maschke, Wien

In einem Beschwerdeverfahren hat der Dritte Senat beim OVG Bautzen (erstmalig) anerkannt, dass sich Spielhallenbetreiber auf die unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheiten und die daraus folgenden Gebote der Systematik und der Kohärenz sowie der Publizität und der Transparenz berufen können (OVG Bautzen, Beschl. vom 13.12.2018, 3 B 128/18 u.a.).

Damit steht obergerichtlich bestätigt fest, dass alle Entscheidungen der sächsischen Landesdirektion, die zum Nachteil von Spielhallenbetreibern ergingen, ermessensfehlerhaft sind. Denn die Landesdirektion hatte sich trotz der ihr sehr regelmäßig unterbreiteten Klarstellungen der Rechtslage durch deutsche Anwaltskollegen immer gegen die Anwendbarkeit des Unionsrechts und des Kohärenzgebotes im Bereich der Spielhallenproblematik gesperrt.

Wie das OVG des Saarlandes bestätigt ist eine Ermessens-Entscheidung der Behörde, bei der wesentliche für die Entscheidung relevante Gesichtspunkte unberücksichtigt blieben, auch nach deutschem Recht rechtswidrig (§ 114 VwGO). Dass die Entscheidungen der Landesdirektion in das Ermessen der Behörde gestellt sind, folgt nicht nur daraus, dass die Landesdirektion in zahlreichen Fällen von Mindestabständen zu Schulen, zu fremden oder zu eigenen Spielhallen abgewichen ist, sondern zwingend auch daraus, dass den unionsrechtlichen Grundfreiheiten Anwendungsvorrang zukommt. Selbst eine im nationalen Recht gebundene Entscheidung wird im Anwendungsbereich des Unionsrechts zu einer Ermessensentscheidung, weil jede deutsche Behörde von sich aus die unmittelbar anwendbaren Grundfragen beachten und Beschränkungen im nationalen Recht daraufhin überprüfen muss, ob der Eingriff gerechtfertigt ist.

Das OVG des Saarlandes führt insoweit aus: „Die im Bescheid des Landesverwaltungsamtes getroffene Feststellung, die mit der Schließung verbundenen wirtschaftlichen Einbußen und sonstigen Belastungen könnten regelmäßig eine Härte nicht begründen und nicht zu einem Erfolg im Auswahlverfahren führen, belegt, dass das Landesverwaltungsamt Härtefallgesichtspunkte bei der von ihm getroffenen Auswahlentscheidung ausgeblendet hat. Damit hat der Antragsgegner ein wesentliches Entscheidungskriterium außer Acht gelassen.
Eine in das Ermessen der Behörde gestellte Verwaltungsentscheidung, bei der wesentliche nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevante Gesichtspunkte unberücksichtigt geblieben sind, ist mit § 114 S. 1 VwGO nicht vereinbar und daher (im Hauptsachenverfahren) aufzuheben. … Dies bedeutet, dass das Landesverwaltungsamt für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren vorläufig den Weiterbetrieb der Spielhalle zu dulden hat.“

Dies gilt in allen von der Landesdirektion negativ entschiedenen Spielhallenverfahren. Die Landesdirektion hat sich stets auf den Standpunkt gestellt, Unionsrecht fände keine Anwendung, das Kohärenzgebot beziehe sich ohnehin nur auf Beschränkungen durch ein staatliches Monopol. Zitat aus einem Bescheid des Glücksspielreferates der Landesdirektion:

„Da von Seiten des für die Anhörung beauftragten Rechtsanwalts K weiterhin auf entgegenstehendes Unionsrecht und eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit abgestellt wird, sei auf die Ausführungen in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (8 C 4/16 vom 16.12.2016 unter Verweis auf 8 C 6/15 vom 16.12.2016) verwiesen. Unter Berücksichtigung der dortigen Ausführungen kann von unserer Seite keine Beeinträchtigung der europäischen Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit gesehen werden. … Eine Klärung zu Fragen der unionsrechtlichen Grundfreiheiten hat erst dann zu erfolgen, wenn ein konkreter grenzüberschreitender Sachverhalt unter nationale Rechtsvorschriften fällt, die möglicherweise das Unionsrecht verletzten.“

Zwar war die Landesdirektion für ihre These, das Unionsrecht fände trotz des gesicherten grenzüberschreitenden Interesses an dem Betrieb von Spielhallen keine Anwendung und das Kohärenzgebot sei auf monopolistische Eingriffe beschränkt, von den sächsischen Verwaltungsgerichten unterstützt worden. Maßgeblich ist indessen für die Landesdirektion immer das Unionsrecht selbst, und zwar in dessen Auslegung durch den EuGH. Und die Rechtsprechung des EuGH zur Anwendbarkeit des Unionsrechts und zur Anwendbarkeit des so genannten Kohärenzgebotes auch in Fällen, die keinen monopolistischen Eingriff beschränken, war der Landesdirektion mehr als nur einmal erläutert worden.

Bei allen Entscheidungen der Landesdirektion sind also – mit den Worten des OVG des Saarlandes – „wesentliche für die Entscheidung relevante Gesichtspunkte – nämlich das unmittelbar anwendbare und höherrangige Unionsrecht und die Rechtsprechung des EuGH – unberücksichtigt geblieben“.

Sämtliche Entscheidungen der Landesdirektion werden daher in den Hauptsacheverfahren von aufrechten Gerichten schon allein wegen dieses Ermessensfehlers aufgehoben.

Ebenso sind die zahlreichen fehlerhaften Beschlüsse der sächsischen Verwaltungsgerichte gemäß § 80 Abs. 7 VwGO durch das jeweilige Gericht der Hauptsache aufzuheben, und zwar schon allein wegen ihrer Korrekturbedürftigkeit. Auf die sich praktisch täglich verändernden Umstände kommt es nicht an (OVG Bautzen, Beschluss vom 24.07.2014, A 1 B 131/14: „Das Gericht kann aber gemäß § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO von Amts wegen auch ohne Änderung der Sach- und Rechtslage Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben, wenn es zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage gekommen ist oder die frühere Interessenabwägung nachträglich als korrekturbedürftig erachtet.“).

Auf die sächsischen Verwaltungsgerichte kommen also kurz zu Weihnachten dank des dritten Senats beim OVG in Bautzen viele Korrekturarbeiten zu, auf die Landesdirektion zahlreiche unionsrechtliche Staatshaftungsklagen. Denn die Ausblendung des Unionsrechts in einem Bundesland, welches zur Europäischen Union gehört, ist zwanglos ein hinreichend qualifizierter Verstoß, der zur unionsrechtlichen Staatshaftung (dazu EuGH, C-445/06) führt.

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