C530-24 – EuGH Verhandlung vom 24.09.2025 in Sachen TIPICO: Ein Live-Protokoll von Rechtsanwalt István Cocron

Rechtsanwalt István Cocron, B.A.
Cocron Rechtsanwalt
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verhandelt über die Rechtmäßigkeit von Online-Sportwetten ohne deutsche Lizenz zwischen 2013 und 2021. Im Kern steht die Frage, ob solche Wetten illegal waren und damit die Verträge nichtig sind. Die Entscheidung könnte erhebliche finanzielle Rückforderungen von Spielern sowie fundamentale Auswirkungen auf Anbieter wie Tipico, bwin oder Betano haben. Das Verfahren beleuchtet die Spannung zwischen Verbraucherschutz und europäischer Dienstleistungsfreiheit. Ein zentraler Diskussionspunkt ist das deutsche Glücksspielrecht und dessen Vereinbarkeit mit EU-Recht. Verschiedene Parteien argumentieren, dass die Handhabung des Lizenzverfahrens in Deutschland europarechtliche Mängel aufweist. Während Anbieter wie TIPICO ohne deutsche Lizenz agierten, gab es keinen umfassenden Spielerschutz, und das staatliche Monopol auf Sportwetten wurde kritisiert. TIPICO, welches eine Lizenz in Malta besitzt, argumentiert, die Teilnahme am deutschen Lizenzierungsverfahren habe ausgereicht, um rechtlich abgesichert zu sein. Dies wird jedoch von verschiedenen Seiten bestritten, und die europäische Kommission hält die deutschen Regelungen für europarechtskonform. Die Diskussion umfasst auch die Frage, ob das Fehlen einer deutschen Lizenz automatisch Schadenersatzansprüche begründet und ob Verstöße gegen das Lizenzierungsverfahren zivilrechtliche Folgen für die Spieler haben sollten. Der EuGH betrachtet zudem, inwieweit die Entscheidungen und Rechtsauffassungen in Deutschland mit dem EU-Recht in Einklang stehen oder diesem widersprechen. Das Verfahren beleuchtet somit grundlegende Fragen des europäischen und deutschen Glücksspielrechts, die Rechte der Anbieter und Spieler, sowie das Verhältnis nationaler Regelungen zum europäischen Recht. Der Ausgang des Verfahrens könnte weitreichende Folgen für den Glücksspielmarkt in Deutschland und darüber hinaus haben.

BREAKING NEWS aus Luxemburg! LIVE PROTOKOLL der Verhandlung

Heute verhandelt der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Verfahren C-530/24 – ein Prozess, der die Sportwetten-Branche in Deutschland ins Wanken bringen könnte. ⚖️

Kernfrage: Waren Online-Sportwetten zwischen 2013 und 2021 ohne deutsche Lizenz illegal – und sind die Verträge damit nichtig?

Für Spieler geht es um Rückforderungen in Milliardenhöhe.
Für Anbieter wie Tipico, bwin oder Betano um ihre Geschäftsgrundlage.

Das Verfahren gilt als Musterprozess für unzählige Klagen in Deutschland. Die heutige Verhandlung hat gezeigt, wie groß die Spannungen zwischen Verbraucherschutz und europäischer Dienstleistungsfreiheit sind.

Zunächst spricht Prof. Ruttig.

Bezug auf Verfahren vor dem VG Hessen. Entscheidung des VG Wiesbaden ist nie rechtskräftig geworden und konnte daher keinen Anspruch für TIPICO auf Erteilung einer Lizenz entfalten. Fraglich, welche Vorschriften des GllüStV2012 mit höherrangigen Recht nicht vereinbar sein soll. Keine Diskriminierung, sondern Gleichbehandlung aller Online- Sportwettenanbieter. TIPICO hat sich dazu entschlossen, sich nicht an das Glücksspielrecht zu halten. Angebot ohne Lizenz bot keinerlei Spielerschutz. 2012 bis 2020 war TIPICO Marktführer in Deutschland. Trotz fehlender Lizenz. Staat konnte seiner Pflicht zum Schutz der Spieler nicht nachkommen. Rechtfreier Raum ohne jedweden Spielerschutz? „Ince-Entscheidung“ von terrestrischen Anbietern auf Online-Anbieter übertragbar. 16.10.2017 BVerwG hat bereits die europarechtliche Konformität des deutschen Konzessionsverfahrens festgestellt. Hessischer Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass TIPICO rechtmäßig die Erteilung der Erlaubnis versagt wurde. Kein Monopol des Staates. Bis 2021 gab es kein staatliches Online-Sportwetten Angebot. 29.06.2017 BVerwG stellt lediglich fest, dass das Konzessionsverfahren „gescheitert“ ist. Es wurde jedoch nicht festgestellt, dass das Verfahren europarechtswidrig gewesen sei. In der OASIS-Spielersperrdatenbank sind mehr als 300.000 Spieler gesperrt. Auf Malta gibt es kein vergleichbares Spielerschutzsystem. TIPICO profitiert doppelt. Trotz fehlender Lizenz meint sie, die Verluste behalten zu dürfen und zudem konnte sie eine Markführerschaft zu Lasten derjenigen Anbieter aufbauen, die sich entschieden haben, ohne Lizenz auf dem deutschen Markt tätig zu sein.

Fazit:

Etwaige europarechtliche Mängel bei der Verfahrensdurchführung sind von dem grundsätzlichen Erlaubnisvorbehalt zu unterscheiden.

Sanktionsverbot aus der „Ince-Entscheidung“ passt nicht auf das Verhältnis zwischen Spieler und Anbieter, da nur der Staat „Sanktionen“ verhängen kann, nicht aber die Zivilgerichte, die nur Schadenersatz zu sprechen, jedoch keine Sanktionen verhängen.

Rechtsanwalt Reichelt / Redeker:

Er meint, die Vorlagefragefrage muss im Hinblick auf die INCE-Entscheidung ausgelegt werden. Der Schadenersatzanspruch ist für den Anbieter deutlich schlimmer als eine strafrechtliche Sanktion. Daher ist es praktisch eine „Sanktion“.

Hessischer Verwaltungsgerichtshof ist wie folgt auszulegen: TIPICO benötigt keine Konzession, da ihr bereits von zwei Verwaltungsgerichten attestiert wurde, dass ihr Angebot nicht illegal sei.

Frage, ob die formal fehlende Konzession allein zu Schadenersatzanspruch führen kann. Wegen der „INCE-Entscheidung“ durfte TIPICO auch ohne Konzession Sportwetten anbieten. TIPICO hat daher nie formell illegal Sportwetten angeboten. Was ist der Grund für die fehlende Konzession für TIPICO? Nach Ansicht von TIPICO ist der einzige Grund für die fehlende Lizenz der Verfahrensmangel des Konzessionsverfahrens. TIPICO hätte auch alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession erfolgt. Da es keinen Rechtsgrund für die Limitierung auf 20 Konzession gab, war diese Limitierung europarechtswidrig, da willkürlich.

TIPICO durfte daher ohne Lizenz tätig sein und hatte auch Anspruch auf Lizenzerteilung,

Zudem hätten mehrere Verwaltungsgerichte bestätigt, dass das Angebot von TIPICO nicht illegal war.

Vorlagefragen sind durch „INCE“ bereits entschieden. Monopol lag auch für Internetbereich vor. Deutschland hat sich über das Unionsrecht hinweggesetzt, in dem es ein staatliches Monopol für Sportwetten etabliert und aufrechterhalten hat. Das sei allerdings europarechtswidrig. Unionsrecht fordert Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Es muss klar sein, was verboten ist. Einsatzlimit in Höhe von € 1.000,00 ist kein Verbot, vielmehr könne dieses auch immer wieder erhöht werden. Die Regelung richtet sich zudem nur an Behörden, nicht aber an die Veranstalter. Gemeinwohlbelange sind bereits ausreichend geschützt. In Deutschland gäbe es zudem bereits „Gesetze“, die Minderjährige und auch „Spieler“ schützen würden. Es bedarf daher keines weiteren Schutzes durch Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten:

FAZIT von Dr. Reichelt / Reder / TIPICO

Vorlagefragen ist bereits durch INCE entschieden

Strafen sind mit zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen gleichzusetzen

Verstoß gegen das Koheränzgebot

TIPICO hat alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession erfüllt

Verbraucher ist nicht schutzlos, vielmehr gibt es auch außerhalb des GlüStV ausreichend Schutzvorschriften der Spieler.

Vertreter Belgiens:

Glücksspiel darf aus Gründen des Verbraucherschutzes in den Mitgliedsländern eingeschränkt werden. Das hat der EuGH bereits bestätigt, insbesondere auch dass Lizenzen aus anderen Mitgliedsstaaten nicht automatisch anzuerkennen sind. Schutz der sozialen Ordnung steht über dem Recht der Anbieter auf Erteilung von Glücksspiel-Konzessionen. Es ist unstreitig, dass TIPICO keine Lizenz hatte und kein Urteil erstritten, dass TIPICO eine Lizenz erteilt hat. Daher hätte TIPICO kein Glücksspiel anbieten dürfen. TIPICO hätte zudem wohl auch keine Lizenz erhalten, da die Einzahlungslimits in Höhe von € 1.000,00 eingehalten wurden. Verbraucherschutz ist keine Strafe im rechtlichen Sinne. Die Konzession für TIPICO wurde nicht nur aus administrativen Mängeln versagt, vielmehr lagen auch materielle Versagungsgründe vor (Limitverletzungen, etc.). Es gab keinen Grund, nur aufgrund von Verfahrensmängeln bei der Lizenzerteilung ein Angebot ohne Lizenz zu tolerieren.

Hellenische Republik:

Lizenzverfahren darf nicht diskriminierend sein. Keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Lizenzen aus anderen Mitgliedsstaaten. Verstöße gegen das Konzessionsverfahren kann nicht dazu führen, dass auch ohne Lizenz Glücksspiel angeboten werden darf. Dienstleistungsfreiheit ist nicht einschlägig, da die Gemeinwohlinteressen des jeweiligen Mitgliedsstaates überwiegen. Zudem sei Online-Glücksspiel deutlich gefährlicher für den Verbraucher als terrestrische Angebote. Bloße Möglichkeit der Beantragung einer Konzession kann nicht ausreichen, da ansonsten kein Anbieter eine Konzession beantragen müsste und sich immer darauf stützen könnte, dass ihm die Konzession ohnehin zu erteilen gewesen wäre.

Fazit: Bei bestehendem Lizenzsystem eines Mitgliedsstaates, darf der Anbieter von Online-Glücksspiel sein Angebot nicht unterbreiten, solange ihm keine formale Lizenz erteilt wurde. Dies selbst dann, wenn das Lizenzierungssystem gegen europäisches Recht verstößt.

Malta:

TIPICO ist ein maltesischer Anbieter mit Lizenz aus Malta. TIPICO hat am Lizenzierungsverfahren im Rahmen der Experimentierklausel teilgenommen. TIPICO hat sich 2012 vergleichbar mit dem INCE-Verfahren am Konzessionserteilungsverfahren beteiligt. 2020 hat TIPICO dann auch in Deutschland eine Lizenz erhalten. Deutsche Behörden hätte TIPICO mehrfach signalisiert, dass das Angebot auch ohne formale Lizenz nicht rechtswidrig sei. Auch zivilrechtliche Schadenersatzansprüche fallen unter dem „Strafverbot“ aus der INCE-Entscheidung.

Maltesischer Spielerschutz sei weitergehend, als von der EU gefordert, daher genügt eine Lizenz aus Malta auch für die Einhaltung des Spielerschutzes. Eine maltesische Lizenz muss daher ausreichen, Glücksspiel in anderen EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere auch in Deutschland anzubieten. Die in Malta erteilte Lizenz würde schließlich auch dem Lizenzinhaber Rechte gewähren, die von den Mitgliedsstaaten zu respektieren sind.

Portugal:

Deutsches System der Lizenz dient dem Spieler- und Verbraucherschutz. TIPICO hat sich zwar am Lizenzerteilungsverfahren/Konzessionsverfahren beteiligt, hierüber aber keine Lizenz/Konzession erhalten. Die Dienstleistungsfreiheit in der EU ist nicht unbeschränkt, sondern kann durch entsprechende Genehmigungsverfahren in den Mitgliedsstaaten eingeschränkt werden. Hierbei darf nach der Rechtsprechung des EU der Mitgliedsstaat auch auf die jeweiligen staatlichen Besonderheiten Bezug nehmen (Verbraucherschutz, Spielerschutz, Schutz öffentlicher Interessen, Schutz der Gesundheit der Bevölkerung) Marktteilnehmer ohne Lizenz dürfen nicht zu Lasten der Verbraucher und Marktteilnehmer, die sich an die Regeln halten, keine wirtschaftlichen Vorteile erhalten.

Europäische Kommission

Bundesgerichtshof hat bereits zu erkennen gegeben, dass Sportwettenverträge nichtig sind, wenn keine Lizenz/Konzession vorliegt. Es kommt daher auch nicht auf das Urteil des VG Wiesbaden an, wonach TIPICO eine Lizenz zu erteilen gewesen wäre. Das Urteil des VG Wiesbaden wurde nie rechtskräftig, so dass die TIPICO darauf nicht berufen kann. Zudem stehe nach der Auffassung des BGH das Lizenzerfordernis im Einklang mit den europarechtlichen Regelungen.

De Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist aus Gründen des Schutzes des Gemeinwohls, der Sozialordnung und des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Europäische Kommission ist ebenfalls der Auffassung, dass die deutschen Regelungen zum GlüStV 2012 hinsichtlich des Angebots von Online-Sportwetten europarechtskonform sind, da sich das Verbot von Online-Sportwetten sowohl an private, als auch staatliche Anbieter richtete. Online-Sportwetten waren daher insgesamt verboten. Es fand keine Bevorzugung der staatlichen Anbieter statt. Das Urteil des VG Wiesbaden kann daher von Seiten TIPICO nicht dafür benutzt werden, ohne Lizenz Online-Sportwetten anzubieten. Aus dem Grundsatz der „loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten“ ergibt sich, dass die Mitgliedsstaaten verpflichten, Verstöße gegen das Unionsrecht zu beheben. Wenn einzelne Bestimmungen zur Erlaubniserteilung gegen Unionsrecht verstoßen, kann das nicht dazu führen, dass einzelne Verstöße dazu führen, dass die Pflicht zu Lizenzierung insgesamt nicht anzuwenden ist. Ggf. wäre das Genehmigungsverfahren bei Verstößen gegen Unionsrecht zu wiederholen, wie es der EuGH auch bereits in anderen Verfahren zu Fragen der Lizenzerteilung entschieden hat. Es gibt jedoch keinen Grund, den nicht lizenzierten Anbieter zivilrechtlich gegenüber dem Spieler so zu stellen, als hätte der Antragsteller (TIPICO) eine Lizenz. Es müssten zudem auf Seiten von TIPICO alle materiellen Voraussetzungen für eine Lizenzerteilung erfüllt gewesen sein. Die rein formale Durchführung eines Konzessionsverfahrens kann die Lizenz nicht ersetzen. (EuGH Entscheidungen in Sachen Legal Portugesa / Carmen Media). Bei TIPICO sei schon aufgrund möglicher Verstöße gegen Limitbestimmungen, Ausschluss von schnellen Wiederholungen, etc., fraglich, ob TIPICO eine Lizenz hätte erteilt werden müssen.

Berichterstatter am EugH:

Fragen zu INCE-Entscheidung und inwieweit diese Entscheidung für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist. INCE hat entschieden, dass ein Sanktionsverbot gegen unionsrechtliche Lizenzinhaber besteht, oder auch gegen Lizenzbewerber, die an einem Konzessionsverfahren teilgenommen haben, dass gegen Unionsrecht verstößt. (Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz)

EuGH hat beim BGH bereits zur Entscheidung des VG Wiesbaden nachgefragt. Fragen an die Parteien.

Wie weit reicht das Urteil des VG Wiesbaden? Hat das VG Wiesbaden entschieden, dass das Konzessionsverfahren in Deutschland gegen EU-Recht verstößt? Wurden Schutzvorschriften (Minderjährigenschutz, Einzahlungslimit) thematisiert? Was wurde von VG Wiesbaden als nicht unionsrechtskonform festgestellt:

Prof. Ruttig (Klägervertreter): Das VG Wiesbaden hat die Ausschreibungsmodalitäten durch die Konzessionsvergabestellen als nicht europarechtskonform moniert. Das Urteil des VG Wiesbaden ist nie rechtskräftig geworden. Es handelt sich zudem um eine Einzelrichterentscheidung.

Dr. Reichert (Redeker): VG Wiesbaden war eine Kammerentscheidung von fünf Richtern und keine Einzelrichterentscheidung. Konzessionsvergabeverfahren sei intransparent gewesen. Auswahlkriterien für die Anbieter seien nicht nachvollziehbar, insbesondere die Beschränkung auf nur 20 Lizenzen. Länder hätten keinen Grund angeben können, daher ist das VG Wiesbaden zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschränkung auf nur 20 Anbieter nicht mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit zu vereinbaren sei. Mehr hat das VG Wiesbaden nicht entschieden.

Berichterstatter: Welche Anforderungen waren von den Anbietern zu erfüllen? Limitbestimmungen, Spielerschutz, etc.?

Dr. Reichert: Die Anforderungen wären erst nach Erteilung der Konzession Inhalt der Konzession geworden im Rahmen der Nebenbestimmungen der Konzession

Berichterstatter: Ist TIPICO dann davon ausgegangen, dass es diese Anforderungen nicht erfüllen muss?

Dr. Reichert: Diese Anforderungen (Einzahlungslimit, etc.) wäre erst nach Erteilung der Konzession festgelegt worden, durch die Erlaubnisbehörde. Daher würden sich die Bestimmungen über das Limit nur an die Behörde richten, nicht aber an die Sportwettenanbieter

Berichterstatter: Es gab also keine Beschränkung des Höchsteinsatzes, da diese Bestimmung sich nicht an den Anbieter, sondern lediglich an die Aufsichtsbehörde richtete?

Dr. Reichert: Genau

Berichterstatter: Was ist im Berufungsverfahren passiert? Wurde das Ruhen angeordnet? Wurde in der Sache entschieden?

Dr. Reichert: Berufungsgericht hat das Verfahren liegen gelassen, bis der Konzessionszeitraum abgelaufen war. Berufungsgericht konnte wegen Zeitablauf keine Konzession mehr erteilen, daher Ruhen des Verfahrens bis der Gesetzgeber neue Regelung über das Konzessionsverfahren erlassen hat.

Berichterstatter: Wie wurde das Verfahren erledigt?

Dr. Reichert: Es wurde übereinstimmend für erledigt erklärt.

Berichterstatter: Ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden?

Dr. Reichelt: Nein. Das Urteil ist wirkungslos

Berichterstatter: Es gibt also kein rechtskräftiges Urteil, auf das sich TIPICO berufen kann?

Prof. Ruttig: VG Wiesbaden hat die Ausschreibungsmodalitäten und die Beschränkung auf 20 Bewerber kritisiert. Eine Erlaubnis ist TIPICO nie erteilt worden. VG Wiesbaden hat die Limitbestimmungen nicht außer Kraft gesetzt. Auch keine Live- und Ereigniswetten waren nicht zulässig und hätten von TIPICO nicht angeboten werden dürfen. Das Urteil des VG Wiesbaden ist damit wirkungslos.

Europäische Kommission: VG Wiesbaden hat festgestellt, dass §10a GlüStV mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Der BGH hat dies dagegen nicht bestätigt. Die Beschreibung der deutschen Rechtslage ist auch nach der Rechtsprechung des EuGH dem BGH vorbehalten und nicht den Parteivertretern.

Malta: TIPICO war im streitgegenständlichen Zeitraum in Besitz einer maltesischen Lizenz, die in Bezug auf den Spielerschutz mit den deutschen Regelungen vergleichbar ist.

Berichterstatter: Gibt es auch in Malta ein Einzahlungslimit?

Malta Gaming Authority: Ja, es gibt auch in Malta Einzahlungslimits und Beschränkungen des Einzahlungsrythmus

Berichterstatter: Frage zu INCE – Sind Sie der Ansicht, dass nach dem Urteil des VG Wiesbaden das Glücksspiel-Monopol des Staates wieder in Kraft getreten ist?

Prof. Ruttig: Im Online-Bereich gab es kein Monopol. Bis 2023 gab es keine staatlichen Online-Sportwetten Angebote im Internet. Es gab nur terrestrische Angebote des Staates bei Sportwetten. Der Staat hatte daher kein Online-Sportwetten Monopol, da ein absolutes Online-Sportwetten Angebot bestand. Es wird zudem bestritten, dass auf Malta eine Limit Beschränkung besteht und diese von Seiten der MGA überwacht wird.

Dr. Reichelt: Monopol galt auch für den Online-Sportwetten-Bereich. Das war Prof. Ruttig diesbezüglich ausgeführt hat, sei schlichtweg falsch

EuGH-Anwalt: Warum macht der Spieler Rückforderungsansprüche geltend, wenn er zuvor jahrelang am Glücksspielangebot von TIPICO teilgenommen hat?

Prof. Ruttig: Es wurden nicht nur Online-Sportwetten, sondern auch eine Vielzahl von weiteren Online-Glücksspielen angeboten, die nicht genehmigungsfähig waren. Dennoch wurde den Spielern gegenüber der Eindruck vermittelt, dass alle Angebote legal waren?

Generalanwalt: Wurden die Spieler daher von den Anbietern hinsichtlich der bestehenden Genehmigung in die Irre geführt?

Prof. Ruttig: Ja

Generalanwalt: Gibt es Verjährungsfristen für die Ansprüche?

Prof. Ruttig: Ja – Es ist zwischen Delikts- und Bereicherungsrecht zu differenzieren. Maximale Verjährung zehn Jahr

Generalanwalt: Seit wann ist TIPICO im deutschen Markt aktiv und wann wurden die ersten Erlaubnisanträge in Deutschland gestellt?

Dr. Reichelt: Erste Erlaubnisanträge 2006 und 2021 – TIPICO war seit 1999 daran interessiert, eine Lizenz in Deutschland zu erhalten. TIPICO hat auf der Webseite immer auf die maltesische Lizenz hingewiesen. TIPICO ist mindestens seit dem Jahr 2013 in Deutschland tätig. 1999 gab es nur terrestrische Angebote. TIPICO ist wohl seit dem Jahr 2005 online in Deutschland aktiv.

EuGH-Anwalt: TIPICO hat sich offenbar entschieden, sein Angebot auch ohne Lizenz in Deutschland zu unterbreiten, da es der Auffassung war, dass die weitere Lizenzanforderung in Deutschland europarechtswidrig war. Hat TIPICO die Rechtslage in Deutschland vor Gericht angefochten?

Dr. Reichelt: Ja, Tipico hat Klagen geführt. Die gerichtlichen Verfahren sind allerdings alle in die „Erledigung“ gelaufen, da sich die Rechtslage, während der Verfahren jedes Mal geändert hat.

EuGH-Anwalt: Nach dem Vortrag von TIPICO wurde TIPICO von Seiten der deutschen Behörden im Glauben gelassen, dass das Angebot von TIPICO rechtmäßig gewesen sei. Hat TIPICO dafür Nachweise?

Dr. Reichelt: VGH hätte den Eindruck bei TIPICO hinterlassen, eine Erlaubnis sei nicht gesondert erforderlich

EuGH Anwalt: Er macht ein Beispiel: Wenn ein Mitgliedsstaat sich entscheidet, den Verkauf von Kokain zu legalisieren. Das dem Kokain-Verkauf zu Grunde liegende Konzessionsverfahren wäre unionsrechtswidrig. Was ist dann die Folge für die Interessenten am Kokainverkauf in den anderen Mitgliedsstaaten? Müssen dann alle anderen Mitgliedsstaaten den Kokainverkauf auch in ihren Ländern hinnehmen?

Malta: Das Beispiel ist nicht übertragbar. Bei Glücksspiel gibt es zivilrechtliche Schadenersatzansprüche des jeweiligen Spielers. Diese Ansprüche sind problematisch. Wir sagen nicht, dass in der EU-Recht grundsätzlich nicht durch die Mitgliedsstaaten an dem jeweiligen ordre public gemessen werden können. Es kommt auf die zivilrechtlichen Auswirkungen der Beschränkungen an.

EuGH-Anwalt: Frage an Hellenische Republik und Portugal: Ist die zivilrechtliche Folge der Nichtigkeit von Spielverträgen für den Anbieter nicht deutlich schärfer als eine strafrechtliche Sanktion?

Hellenische Republik: Strafrechtliche und zivilrechtliche Sanktionen dürfen nicht vermischt werden. Der wirksame Schutz des Spielers ist der zivilrechtliche Schutz. Die wirtschaftlichen Folgen sind vom Anbieter hinzunehmen.

Portugal: Nichtigkeit des Vertrags ist im GlüStV vorgesehen. Diese ergibt sich aus der fehlenden Erlaubnis. Es muss Konsequenzen haben, wenn der Anbieter von Online-Sportwetten ohne Erlaubnis tätig wird. Illegales Verhalten muss auch im Bereich von Online-Glücksspiel Konsequenzen haben.

EuGH-Anwalt an Europäische Kommission: Wenn TIPICO die Voraussetzungen für den Erhalt der Lizenz erfüllt hätte, dann müssen auch die weiteren Spielerschutzvorschriften eingehalten werden. Soll das dann für alle Anbieter gelten, oder nur für Anbieter, die sich um eine Lizenz beworben haben? Kann dann jedes Unternehmen auch ohne Lizenz Glücksspiel anbieten, wenn es die Voraussetzungen für die Lizenzerteilung erfüllt, auch wenn der Anbieter keine Lizenz hat.

Europäische Kommission: Es kann nur für Teilnehmer gelten, die am Konzessionsverfahren teilgenommen haben. Die Anbieter müssen zudem eine Kooperation mit den Aufsichtsbehörden nachweisen, damit der Spielerschutz eingehhalten wird.

EuGH-Anwalt: Was wäre die Konsequenz, wenn das Auswahlverfahren gegen EU-Recht verstößt? Ist dann jedwedes Anbieten von Online-Sportwetten zulässig, trotz gesetzlichem Verbot?

Europäische Kommission: Es können nur die 20 Anbieter Online-Sportwetten anbieten, bei denen sichergestellt ist, dass sie auch die Vorschriften des Spielerschutzes einhalten.

EuGH-Anwalt an Malta: Sollen Anbieter aus Malta aufgrund der Dienstleistungsfreiheit auch ohne Lizenzen in anderen Mitgliedsstaaten tätig sein können, ohne jede Lizenz in den jeweiligen Mitgliedsstaaten?

Malta: Ja. Maltesische Konzession sind an Anforderungen gestützt, die sich auch an EU-Recht orientiert, daher gewährt die maltesische Konzession auch das Recht, das Glücksspiel auch in anderen Mitgliedsstaaten anzubieten.

Beisitzender Richter am EuGH: Was wird mit der Klage geltend gemacht? Verluste, oder auch Gewinne? Hat sich nicht auch der Spieler unrechtmäßig bereichert?

Prof. Ruttig: Hier sind keine Gewinne entstanden, sondern der Kläger hat lediglich Verluste erlitten.

Beisitzender Richter EuGH an TIPICO: Wann ist TIPICO auf den deutschen Markt gekommen? Haben Sie kein präzises Datum? 2012 hat TIPICO einen Antrag auf Lizenzerteilung gestellt und die Lizenz nicht bekommen.

Dennoch wurde das Online-Sportwetten-Angebot unterbreitet, obwohl TIPICO wusste, dass keine Lizenz vorlag. Verlangt TIPICO vom EuGH, dass übersehen wird, dass diese ohne Lizenz Online-Sportwetten angeboten hat, obwohl TIPICOO wusste, dass in Deutschland eine Lizenz erforderlich ist? Ist das nicht einfach auch eine „Wette“ von Seiten TIPICO auf den positiven Ausgang der Klageverfahren auf Erteilung einer Lizenz?

Dr. Reichelt: Das terrestrische Angebot von TIPICO gab es seit 2004. (Zuvor hatte TIPICO von 1999 gesprochen). Wann das Online-Angebot in Deutschland gestartet ist, kann nicht beantwortet werden. TIPICO wurde im Rahmen von diversen Urteilen des EuGH bestätigt, dass die Regelungen zur Lizenzerteilung EU-rechtswidrig sind. TIPICO könne doch nicht Jahre lang auf die Erteilung einer deutschen Lizenz warten, wenn bereits festgestellt wurde, dass das Vergabeverfahren auf rechtswidrigen Grundlagen beruht. Schließlich sei die Dienstleistungsfreiheit zu beachten.

Schlussworte

Prof. Ruttig

TIPICO kann nicht das Recht selbst in die Hand nehmen, nur weil Gerichte innerhalb einer bestimmten Zeit zu ihren Gunsten entschieden hat. Der BGH hat dies bereits umfassend dargestellt. Zivilrechtliche Ansprüche sind nicht mit Sanktionen (INCE-Entscheidung) vergleichbar. Wenn es keine zivilrechtlichen Folgen für das Anbieten von Online-Sportwetten ohne Lizenz gibt, würde dies auf dem wirtschaftlichen Rücken der betroffenen Spieler ausgetragen, was nicht das Ergebnis sein kann. Vor dem GlüStV 2012 gab es bereits den GlüStV 2008, der ebenfalls Online-Glücksspiel angeboten hat. TIPICO war bereits vor 2012 online auf dem deutschen Markt mit Online—Glücksspiel tätig. Der Staat hat ebenfalls kein Online-Sportwettenangebot am Markt angeboten, bevor er nicht über eine entsprechende Lizenz verfügte.

Dr. Reichel

Hessischer VGH hat bestätigt, dass TIPICO erlaubnisfrei tätig sein darf. Es gab auch ein Monopol von Seiten des Staates, da einem hessischen staatlichen Anbieter eine entsprechende Lizenz erteilt wurde. Der EugH hat bereits entschieden, dass ein Monopol europarechtswidrig ist.

RA Würtenberger:

Auch die Zivilgerichte sind an die INCE-Entscheidung gebunden. Es kann nicht zwischen strafrechtlicher- verwaltungsrechtlicher oder zivilrechtlicher "Sanktion" unterschieden werden.

Belgien

TIPICO hat sich dazu entschieden, ohne Lizenz auf dem deutschen Markt tätig zu sein. TIPICO hat daher bewusst in Kauf genommen, dass die in diesem Zeitraum geschlossenen Verträge wegen der fehlenden Lizenz für nichtig erklärt werden.

Griechenland:

Zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen sind zu trennen. Wenn TIPICO meint, durch das deutsche Lizenzsystem einen Schaden erlitten zu haben, kann TIIPICO den Schaden vor den deutschen Gerichten im Rahmen der Staatshaftung geltend machen.

Malta

TIPICO hat seit 2005 eine maltesische Lizenz, ob das Angebot seit 2005 auch in Deutschland unterbreitet wurde, kann nicht beantwortet werden. Eine Irreführung der deutschen Spieler lag nicht vor, dass auch nach dem Maltesischen Glücksspielrecht auf der Webseite anzugeben ist, wo die Lizenz erteilt worden ist. Auch sind in Malta entsprechende Spielerschutzvorschriften in Kraft.

Portugal

Es kann kein rechtliches Vakuum entstehen, wenn das Genehmigungsverfahren zur Lizenzerteilung von Online-Sportwetten teilweise gegen EU-Recht verstößt. Man muss immer auch berücksichtigen, dass es sich beim Glücksspiel um einen besonders heiklen Bereich handelt, was den Verbraucherschutz betrifft.

Europäische Kommission

Es gab in Deutschland zwar ein staatliches Monopol für den terrestischen Betrieb von Online-Sportwetten.

Es gab allerdings kein Monopol für Online-Sportwetten. Das Online-Sportwettenangebot des staatlichen Anbieters "Oddset" wurde erst nach Erteilung einer entsprechenden Lizenz erstellt.

Limitbestimmungen: Diese richten sich nicht nur an die Behörden, sondern ausdrücklich an die Anbieter. Dies hat der BGH bereits in seinem Beschluss unter Rz.: 16 festgestellt. An diese Feststellung ist der EuGH gebunden, da es sich um die Auslegung von nationalem Recht handelt.

TIPICO wurde die Lizenz nicht nur aus Gründen eines Unionsrechtsverstoßes keine Lizenz erteilt, sondern auch aus anderen Gründen.

Generalanwalt kündigt seine Schlussanträge für den 11.12.2025 an.

Schluss der mündlichen Verhandlung 12:45 Uhr