Zeturf-Urteil: EuGH bestätigt erneut die Zulässigkeit von Glücksspielmonopolen

Rechtsanwalt Dr. Manfred Hecker
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
CBH - Rechtsanwälte
Bismarckstr. 11-13
D - 50672 Köln
In der Entscheidung Zeturf vom 30.06.2011 (Rs. C-212/08) hat der EuGH erneut die Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols bestätigt und damit seine bisherige Rechtsprechung konsequent fortgesetzt.

Sachverhalt

Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchen hatte sich der EuGH mit der Frage nach der Vereinbarkeit eines Monopols für die Veranstaltung von Pferdewetten zu befassen.

Hintergrund des Verfahrens bilden Regelungen in Frankreich. Dort besteht hinsichtlich der Veranstaltung von Pferdewetten ein Monopol zugunsten von Pari mutuel urban („PMU“), einem wirtschaftlichen Interessenverband französischer Rennvereine. Seit dem Jahr 1985 ist es dem PMU ferner erlaubt, Pferdewetten über das Internet abzuschließen.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die Fa. Zeturf. Zeturf ist eine Gesellschaft, die Pferdewetten im Internet anbietet. Sie verfügt über eine Zulassung der maltesischen Regulierungsbehörde für Glücksspiele und bietet auf ihrer Website u. a. Wetten auf französische Pferderennen an.

Am 18. Juli 2005 beantragte Zeturf beim Landwirtschaftsminister die Aufhebung des Art. 27 des Dekrets von 1997, insbesondere seines Abs. 1, mit welchem dem PMU ein Monopol für die Verwaltung von Pferdewetten außerhalb von Rennplätzen übertragen wird. Die stillschweigende Ablehnung dieses Antrags durch Nichtbeantwortung durch den Landwirtschaftsminister wurde von Zeturf vor dem vorlegenden Gericht angefochten.

Vorlagefragen

Das vorlegende Gericht möchte sinngemäß vom EuGH wissen, ob dem in Frankreich zugunsten des PMU bestehende Monopols die Dienstleistungsfreiheit entgegensteht, wenn zwar das mit dem Monopol verfolgte Ziel der Bekämpfung von Straftaten hierdurch wirksam erreicht wird, gleichzeitig aber das ebenfalls verfolgte Ziel der Spielsuchtbekämpfung und Kanalisierung einer dynamischen Geschäftspolitik gegenübersteht, wodurch dieses Ziel nicht vollständig erreicht werden kann.

Ferner möchte das Gericht wissen, inwieweit die Frage, ob das Monopol gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt, nur unter dem Blickwinkel der online angebotenen Pferdewetten zu beurteilen ist oder ob der gesamte Sektor der Pferdewetten in die Betrachtung einbezogen werden muß.

Entscheidung des EuGH

  • Grundsätzliche Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols

Zunächst bestätigt der EuGH erneut, dass es einem Mitgliedstaat grundsätzlich freisteht, die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Hierzu ist die Begründung eines Monopols zulässig (Rn. 41):

„Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, kann, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil Stoß u. a., Rdn. 81 und 83).“

Zur Begründung führt der EuGH aus, nationale Behörden könnten den Standpunkt vertreten, sie als Kontrollinstanz der mit dem Monopol betrauten Einrichtung über zusätzliche Mittel verfügen, mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen können und sie hierdurch eine bessere Beherrschung des Glücksspielangebots und bessere Effizienzgarantien bei der Durchführung ihrer Politik zu gewährleisten in der Lage seien, als es bei der Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten durch private Veranstalter in einer Wettbewerbssituation der Fall wäre, selbst wenn diese eine Erlaubnis benötigten und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen (Rdn. 42 mit Hinw. auf Urteil Stoß u. a., Randnr. 82).

  • Grundsätzliche Rechtfertigungsanforderungen

Da mit einem solchen Monopol eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit potentieller privater Anbieter einhergeht, muss das Monopol allerdings den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen.

Das Ziel der Bekämpfung von Betrug und Geldwäsche im Pferdewettensektor sowie der Schutz der Sozialordnung im Hinblick auf die Folgen des Glücksspiels für den Einzelnen und die Gesellschaft gehören nach der Auffassung des EuGH zu den anerkannten Rechtfertigungsgründen eines Glücksspielmonopols. (Rdn. 38, 46) Ein hoher Grad staatlicher Kontrolle indiziert die Eignung des Monopols, kriminelle und betrügerische Aktivitäten zu bekämpfen und den Schutz der Sozialordnung im Hinblick auf die Folgen des Glücksspiels für die Einzelnen und die Gesellschaft zu gewährleisten. (Rdn. 56)

Die durch das Monopol des PMU gleichzeitig bezweckte Finanzierung der Pferdebranche hingegen stellt keinen Rechtfertigungsgrund dar, sondern darf nur erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der restriktiven Monopolpolitik sein. (Rdn. 52 f)

  • Kohärenz und Systematik

Ferner betont der EuGH seine bisherige Rechtsprechung zu Kohärenz und Systematik. Ausdrücklich weist er darauf hin, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.

  • Breite Produktpalette, gewisser Werbeumfang und innovative Vertriebstechniken auch im Monopol zulässig

Der EuGH betont im Zusammenhang mit der Frage nach Kohärenz und Systematik, dass die Behörden eines Mitgliedstaats sich dann nicht auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und damit auf die öffentliche Sozialordnung berufen können, soweit sie gleichzeitig die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Glücksspielen teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen. (Rdn. 66)

Allerdings bedeutet dies nicht, dass in einem Monopol nicht ein attraktives Produktportfolio und eine ansprechende Werbung vorgehalten werden dürfen. Im Gegenteil: Zur Erreichung der Kanalisierung des Glücksspiels in kontrollierbare Bahnen sei es sogar erforderlich, dass die zugelassenen Veranstalter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu nicht geregelten Tätigkeit bereitstellen, was als solches das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann. (Rdn. 67, 68)

Die nationalen Gerichte haben zu prüfen, ob die Gefahr krimineller und betrügerischer Aktivitäten und die Spielsuchtgefahren ein Problem darstellen, und ob die Glücksspielpolitik des Mitgliedstaates geeignet ist, diesem Problem abzuhelfen. (Rdn. 70)

  • Keine isolierte Betrachtung des Internetvertriebs bei Pferdewetten

Zu der zweiten Vorlagerage, ob bei der Rechtfertigungsprüfung nur auf den Internetvertrieb abzustellen ist, tendiert der EuGH dazu, dass der gesamte Sektor der Pferdewetten in die Betrachtung mit einzufließen hat, wenn der Verbraucher die Vertriebswege über Internet und den traditionellen Vertriebsweg als austauschbar ansieht. (Rdn. 76 f).

Etwas anderes könne aber dann gelten, wenn die Nutzung des Internets dazu führe, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt würden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen. (Rdn. 78 ff, 81)

In diesem Zusammenhang betont der EuGH wiederholt die spezifischen Gefahren des Internetglücksspiels. Über das Internet angebotene Glücksspiele bergen wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten anders geartete und größere Gefahren des Betrugs der Verbraucher insbesondere von Jugendlichen und Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder eine solche Neigung entwickeln könnten. (Rdn. 79 f)

Neben dem bereits erwähnten fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter stellten auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und aufgrund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können. Dies gilt insbesondere in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist. (Rdn. 80)

Insgesamt wiederholt und konkretisiert der EuGH mit dieser Entscheidung seine bereits aus den vorangegangenen Urteilen bekannte Rechtsprechung. Hinsichtlich der konkreten Rechtfertigung der die Dienstleistungsfreiheit einschränkenden Normen weist er die Prüfungskompetenz den nationalen Gerichten zu. In diesen Verfahren sind die Mitgliedsstaaten aufgerufen, den nationalen Gerichten hinreichende Belege für die Rechtfertigung der beschränkenden Normen vorzulegen.