Die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des novellierten Hamburgischen Spielbankengesetzes vom 01.01.2024

Ein Artikel von Rechtsanwalt und Steuerberater Prof. Dr. Richard Schmidt

Reformbedürftigkeit der Besteuerung und Konzessionsvergaben für Spielbanken

Die Hansestadt Hamburg hat kürzlich ihr Spielbankengesetz im Hinblick auf die bei der Europäischen Kommission anhängigen Beihilfebeschwerden SA.44944 und SA.53552 novelliert, um eine mögliche steuerliche Besserstellung der Spielbank gegenüber „anderen Marktteilnehmern“ angeblich auszuschließen. Die hier in Bezug genommenen „anderen Marktteilnehmer“ sind die privaten gewerblichen Spielhallenbetreiber.

Bekanntermaßen werden die Spielhallenbetreiber durch den weiter verschärften GlüStV 2021 bereits deutlich höheren regulatorischen Anforderungen ausgesetzt, die diese im Vergleich zu Spielbanken und Online-Anbietern auch finanziell deutlich unverhältnismäßig mehrbelastet. Zudem werden sie durch einen auswuchernden Scope Creep der steuerrechtlichen Ausgestaltung zugunsten der Spielbanken unangemessen benachteiligt und letztendlich verdrängt. Das novellierte Hamburgische Spielbankengesetz ist ein Paradebespiel einer solchen fortgesetzten verfassungs- und europarechtlich unvertretbaren Ungleichbehandlung zulasten der Spielhallenbetreiber, die dringend einen gesetzgeberischen Eingriff des Bundes notwendig macht, um die folgenden unhaltbaren Zustände zu beheben:

  1. Der in dem neuen Landesspielbankgesetz der Hansestadt Hamburg gesetzgeberisch verfolgte Ansatz zur Schaffung einer sog. Ausgleichsabgabe (§ 3 Abs. 3 SpielbankG HH n.F.) ist offenkundig zunächst einmal schon formell verfassungswidrig. § 3 Abs. 3 SpielbankG HH verletzt die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 und Abs. 3 GG. Der Gesetzgeber hat im Interesse einer Vereinheitlichung der ausufernden landesrechtlichen Abweichungen vom dahingehenden ursprünglichen (unveröffentlichten) Verwaltungsabkommen vom 30.11.1954 mit der im GlüStV 2021 enthaltenen Regelung hinsichtlich der Spielbanken die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zum Zwecke einer zukünftigen Vereinheitlichung gemäß der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG an sich gezogen (s. dazu Seite 6 in „Steuerkompetenzen von Bund und Ländern“, Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, Sachstand WD 4 – 3000 – 020/22 vom 23.02.2022) . Eine Intervention der Länder mit der Erfindung neuer Steuern, die diese Spielbankabgabe ergänzen und ausweiten, verletzt damit diese Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

  2. Die hier in Bezug genommene Hamburgische Regelung (wie im Übrigen die gegenwärtigen landesgesetzlichen Regelungen zur Ersatzbesteuerung von Spielbanken nach den Spielbankengesetzen insgesamt) verletzt gravierend in mehrfacher Hinsicht das Beihilfenverbot nach Art. 107 AEUV, indem es die Besteuerung so gestaltet, dass den Spielbanken sowohl ein angemessener Gewinn von 2,5 % geradezu garantiert wird, als auch damit, dass aufgrund der Inbezugnahme des § 12 Abs. 1 Satz 1 des Hamburgischen Steuervergnügungsgesetzes in § 3 Abs. 3 Satz 3 des SpielbankG HH n.F. eventuelle „Unbilligkeit bei der fiktiven Vergleichsberechnung“ zusätzlich korrigiert werden kann. Solch eine undefinierte Ausgestaltung des Ermessens mit völlig beliebiger Auswahl- und Umsetzungsfreiheit ist vor allem auch im Steuerrecht gänzlich unvertretbar.

  3. Die Spielbanken werden aufgrund dieser Beihilfenwidrigkeit voraussichtlich erheblichen Rückforderungsansprüchen mit 10-jähriger Rückwirkung ausgesetzt. Sie werden dieses überwiegend wahrscheinliche und erhebliche Risiko kaufmännisch z.B. als Rückstellungen einzupreisen haben.

  4. Die Verlängerungen von staatlichen Glücksspielkonzessionen an Spielbanken müssen nach Maßgabe des Art. 107 AEUV entgeltlich erfolgen. Die bisherige Praxis der unentgeltlichen Vergabe und Verlängerung von glücksspielrechtlichen Konzessionen in NRW, Niedersachsen und nunmehr auch Hamburg erfolgten damit europarechtswidrig und werden zu astronomisch hohen zusätzlichen beihilferechtlichen Rückforderungsansprüchen gegen die begünstigten Spielbanken führen, für die sie wiederum keine Rücklagen gebildet haben.

  5. Aufgrund einer weiteren Beihilfenbeschwerde zur europarechtswidrigen, weil beihilfewidrigen Konzessionsvergabe des Landes NRW an die Spielbank NRW (Westspiel) drohen auch den privaten Nachfolgeunternehmen von bislang staatlichen Spielbanken astronomische beihilferechtlichen Rückforderungen.

  6. Ein gesetzgeberischer Ausweg aus der gegenwärtigen beihilfe- und verfassungswidrigen Besteuerungsdiskriminierung von Spielhallenbetreibern besteht darin, ein einheitliches Besteuerungssystem für alle Glücksspielanbieter bundesgesetzlich einzuführen. Hierbei wird eine gleichheitskonforme und zugleich suchteindämmende Lenkungswirkung von Glücksspielen aller Art nur im Wege einer bundesgesetzlich einheitlichen Einsatzbesteuerung bei gleichzeitiger Abschaffung der kommunalen Vergnügungssteuern und der Umsatzbesteuerung realisierbar sein.

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