Das riskante Spiel um höhere Einsatzlimits des GlüStV 2021 im Lichte der Kohärenzrechtsprechung des EuGH

Rechtsanwalt Dr. Nik Sarafi

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I. Problemaufriss

Mit dem am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (GlüStV 2021) begann eine Abkehr vom zuvor bestehenden Totalverbot von Online-Glücksspiel, das seither durch ein einheitliches Regelungsregime aufgeweicht wird.1 Seitdem sollten erstmals auch virtuelle Automatenspiele (Slots) – wenn auch mit diversen Auflagen verbunden – unter die Erlaubnisfähigkeit gestellt werden, mit dem Ziel, die erheblichen Spieleinsätze in den legalen Markt zu kanalisieren.2 Dieser Auftrag, nämlich den natürlichen Spieltrieb3 der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu leiten, ergibt sich aus § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021 (Ziele des Staatsvertrages).

Aus § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 hingegen geht hervor, dass eines der – gleichrangigen – Hauptziele des Glücksspielstaatsvertrages darin liegt, Spielsucht zu bekämpfen und ihr vorzubeugen4, was zu einer scheinbar widersprüchlichen Zielsetzung führt: Denn einerseits soll durch die Bereitstellung eines legalen Angebots die Spielerschaft in einen regulierten Glücksspielmarkt gelenkt werden (Kanalisierung), andererseits aber zielt der Staatsvertrag wiederum darauf ab, Glücksspiel zu reduzieren, um damit die Risiken einer möglichen Spielsucht zu mindern. Dieses Tauziehen zwischen eigentlicher Eindämmung und Bereitstellung von (wenngleich reguliertem) Glücksspiel findet seinen Höhepunkt in einer gegenwärtig kontrovers diskutieren Thematik, nämlich den gesetzlichen Einzahlungslimits: Den gesetzgeberischen Erläuterungen zufolge soll ein solches Limit bewusstes Spielen fördern und finanzielle Folgen einer möglicherweise unerkannt gebliebenen Spielsuchterkrankung für Spieler und ihre Angehörigen reduzieren.5 Das Limit sei dringend notwendig, um „suchtpräventiven Nachteilen der Spielteilnahme über das Internet“6 zu begegnen.

Es lässt sich mithin festhalten: Der Gesetzgeber hat mit Verabschiedung des Staatsvertrages Einzahlungslimits konstituiert, um Spielsucht zu bekämpfen und Glücksspiel einzudämmen. Für Verwunderung in der Industrie hat insoweit gesorgt, dass die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) ebendiese Einzahlungslimits – ohne große Ankündigung, wie es heißt7 – erhöht hat. Das hat bei vielen den Eindruck entstehen lassen, die GGL würde unter dem Druck der Industrie – möglicherweise am Glücksspielstaatsvertrag vorbei – höhere Einsatzlimits zulassen.

Inwieweit dieser Eindruck nun berechtigt ist, oder nicht und unter welchen Voraussetzungen ein von § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 abweichendes bzw. erhöhtes Einzahlungslimit möglich ist, soll nachfolgend eruiert werden.

II. Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage (de lege lata) zu Einzahlungslimits

Mit dem GlüStV 2021 wurden verschiedene Beschränkungen eingeführt, um Glücksspiel zu regulieren: Darunter fällt das anbieterübergreifende, monatliche und grundsätzliche Einzahlungslimit in Höhe von 1.000 Euro (§ 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021), das Einsatzlimit von einem Euro pro Spielrunde (§ 22a Abs. 7 GlüStV 2021), die Maßgabe, dass ein Spiel durchschnittlich mindestens fünf Sekunden lang dauern muss (§ 22a Abs. 6 GlüStV 2021) und die verpflichtende Spielpause von fünf Minuten nach 60 Minuten Spielzeit (§§ 22a Abs. 9, 6h Abs. 7 Satz 2, 3 GlüStV 2021).

Dieser Artikel soll sich nur mit dem eingangs erwähnten monatlichen Einzahlungslimit in Höhe von 1.000 Euro beschäftigen.

1. Anbieterübergreifendes Einzahlungslimit (§ 6c GlüStV 2021)

Das mit § 6c GlüStV 2021 neu eingeführte und anbieterübergreifende Einzahlungslimit, das auf einer zentral geführten Datei – der sogenannten Limitdatei – basiert (§ 6c Abs. 4 GlüStV 2021), soll laut Gesetzgeber eine der wesentlichen spielerschützenden Neuerungen des GlüStV 2021 darstellen.8 Der Anschluss an diese Datei und die Einhaltung der Vorgaben dieses Limitierungssystems sind seither unabdingbare Voraussetzungen für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Anbietererlaubnis.9

Die gesetzgeberische Intention dahinter ist es, bewusstes Spielen zu fördern und die finanziellen Risiken einer etwaig unerkannt gebliebenen Spielsuchterkrankung für Spieler zu reduzieren.10 Nach Erschöpfung des von den Spielern selbst festzulegenden monatlichen Einzahlungslimits, das einen Betrag in Höhe von 1.000 Euro nach § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 grundsätzlich nicht übersteigen darf, sind darüberhinausgehende Einzahlungen vom Anbieter nach Maßgabe von § 6c Abs. 1 Satz 8 GlüStV 2021 auf technischem Wege zu unterbinden.

Das Marktverhalten indes offenbart abermals zahlreiche Unzulänglichkeiten des gegenwärtigen Regelungsregimes, insbesondere bezogen auf die vom Gesetzgeber zur Verwirklichung der Ziele des § 1 GlüStV 2021 auserkorenen Umsetzungsinstrumente.

Besonders einzahlungsfähige und -willige Spieler weichen angesichts des deutschen Regulierungsinstrumentariums schlichtweg mittels Nutzung von VPN-Diensten auf ausländische (damit nicht nach deutschem Recht regulierte) Anbieter aus, die keiner zwingenden monatlichen Einzahlungslimitierung unterliegen. Dass ein offenkundiges Interesse von Spielern daran besteht, auch Einzahlungen zu tätigen, die den monatlichen Betrag von 1.000 Euro übersteigen, muss nicht verwundern.

Das vom Gesetzgeber beabsichtigte Ziel, einen Kanalisierungseffekt zu erzeugen, also Spieler an den legalen inländischen Glücksspielmarkt zu binden und den Schwarzmarkt effektiv zu bekämpfen, vermag insoweit nicht den erhofften Erfolg zu erzielen. Vielmehr führt das anbieterübergreifende Einzahlungslimitierungssystem zu einem Gegeneffekt, der mit einem wesentlichen Regelungsziel – nämlich der Bekämpfung eines florierenden11 Schwarzmarktes (§ 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021) – nicht zu vereinbaren ist. Die Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten wird nicht bekämpft, sondern eher gesichert.
Dieses Phänomen einer regulationsbedingten Flucht von Spielern in den Schwarzmarkt hat einen Namen: Fehlkanalisierung. Denn für spielaffine, einsatzfähige und -willige Spieler ist der Wert der Selbstlimitierungsgrenze von 1.000 Euro nach § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 offensichtlich zu gering. Viele Spieler haben ein Interesse daran, Einzahlungen zu tätigen, die dieses Limit überschreiten, woraus sich eine weiterhin und weithin blühende Beteiligung an ausländischen Glücksspielangeboten ergibt.

Auf der anderen Seite haben natürlich auch Glücksspielanbieter ein wirtschaftliches Interesse daran, dass Limits – auch die, die Spieler selbst festlegen können –, erhöht werden. Dieses Interesse fußt primär auf dem Prinzip der Gewinnmaximierung, das für kommerzielle Unternehmen naturgemäß von zentraler Bedeutung ist. Sie können aber, anders als andere Unternehmen, nicht ihre Preise erhöhen, sodass die Höhe von Einzahlungslimits einen unmittelbaren Einfluss auf den Gewinn hat, der aus Umsatz erzeugt wird. Die Aussicht auf höhere Spielbeiträge motiviert sie – kaum verwunderlich – dazu, für eine Anhebung der Limits einzutreten.

Dieses Interesse der Anbieter steht jedoch denklogisch in Konflikt mit den gesetzlich verankerten Zielen des Spielerschutzes und der Suchtprävention. Zwar sollen durch die Limitierung und die damit verbundene Kontrolle des Spielverhaltens Exzesse und die Gefahr einer Spielsucht vermieden werden, doch wenn Anbieter die Möglichkeit haben, diese Limits unter bestimmten Voraussetzungen zu erhöhen, könnte dies die Effektivität des Schutzkonzeptes maßgeblich untergraben.

Die Flucht von Spielern in den Schwarzmarkt scheint auch der GGL kaum entgangen zu sein. Wohl deshalb hat sie im September 202312 – gestützt auf § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 – Erlaubnisinhabern zunehmend gestattet, ein vom Grundsatz des § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV abweichendes, höheres Einzahlungslimit zu ermöglichen. Statt nur 1.000 sollen künftig 10.000 Euro13 (und unter gewissen Voraussetzungen sogar bis zu 30.000 Euro) möglich sein, wenn die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“14 des Spielers erlaubt. Dieser Umstand ist eigentlich der Nachweis dafür, dass Limits nicht geeignet sind, um die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages zu erreichen, was streng genommen zu der Annahme führen müsste, dass der GlüStV 2021 inkohärent und somit unionsrechtswidrig ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH reicht es nicht aus, bloß zu behaupten – oder zu hoffen – eine Maßnahme sei geeignet, das Ziel zu erreichen, dessentwegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) beschränkt wurde. Das Kohärenzgebot erlaubt Beschränkungen nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, sodass letztlich erforderlich ist, dass die Geeignetheit der Maßnahme auch tatsächlich nachgewiesen wird.15

Wenn das erklärte Regelungsziel in § 1 GlüStV 2021 nun darin liegen soll, die Entstehung einer Spielsucht zu verhindern, den Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete Bahnen zu lenken und der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubtem Glücksspiel in Schwarzmärkten entgegenzuwirken, dann steht man vor einem unlösbaren Problem. Denn einerseits ergibt sich daraus die zwingende Notwendigkeit, dass eine Erhöhung von Einzahlungslimits restriktiv und unter strenger Aufsicht erfolgen muss. Wäre es anders, wäre das grundsätzliche Limit von 1.000 Euro pro Monat (§ 6c GlüStV 2021) nicht mehr als eine nur sehr ungefähre Richtungsabgabe, die ohnehin bereits jetzt deutlich überschritten ist. Andererseits führte eine restriktive Handhabung wiederum unweigerlich zu einer Flucht aus der Regulierung in den Schwarzmarkt. Das Glücksspiel nur ein wenig in regulierte Bahnen zu lenken, kann allerdings nicht das Ziel sein – jedenfalls fehlte es dann an Effektivität.

Es ist schlicht unlogisch, einerseits die hohen Risiken des Online-Glücksspiels zu betonen, die zwangsläufig strikte Beschränkungen erforderlich machen, diese Beschränkungen andererseits aber praktisch aufzuheben, wenn sie als störend empfunden werden. Diese allgemeine und flächendeckende Erhöhung von Einzahlungslimits durch die Hintertür hat mit einer widerspruchsfreien Beschränkung der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit wenig zu tun, zumal die Entscheidung über die Erhöhung dem freien Ermessen der Anbieter überlassen ist. Das steht im offenen Widerspruch zur gesetzgeberischen Intention und müsste insoweit als klarer Verstoß gegen das Gebot der Kohärenz gewertet werden.

2. Regelungsgegenstand des § 6c GlüStV 2021

1.000 € als grundsätzliche Einzahlungshöchstgrenze, § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021

Der § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 limitiert das vom Spieler festsetzbare Einzahlungslimit auf grundsätzlich 1.000 Euro im Monat. Einer solchen gesetzlich festgelegten Höchstgrenze bedurfte es nach Auffassung des Gesetzgebers zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2021. Online-Glücksspiel sollte begrenzt und übermäßige Ausgaben nebst damit potenziell einhergehender negativer Folgen für die Spieler vermieden werden.16

Dieses grundsätzliche, aber eben nicht generelle Einzahlungslimit von 1.000 Euro sollte – den gesetzgeberischen Erwägungen zufolge – zumindest extreme Verluste für einzelne Spieler verhindern und die entsprechenden Folgen etwa für Angehörige und auch die Sozialsysteme verringern.17 Auf die Einhaltung dieser Grenze wurde so großen Wert gelegt, dass die weitverbreitete Annahme entstand, der Betrag in Höhe von 1.000 Euro sei eine unüberschreitbare, absolute Obergrenze für Einzahlungen; eine Auffassung, die auch durch Medienberichterstattung gestärkt wurde18, in der – zumindest nach dem Kenntnisstand des Verfassers – das Wort „grundsätzlich“ nicht verwendet und Satz 3 aus § 6c Abs. 1 GlüStV 2021 nicht berücksichtigt wurde, wonach „der Erlaubnisinhaber im Einzelfall mit anbieterübergreifender Wirkung einen abweichenden Betrag festsetzen kann“.

Beispielsweise kritisierte der Verein Glücksspielfrei e. V. - Bundesverband Selbsthilfe Glücksspielsucht, dass Glücksspielanbieter ein höheres Einzahlungslimit anstrebten, „obwohl sie das Einzahlungslimit von 1.000 € im unterschriebenen Lizenzvertrag akzeptiert haben“ und führte aus, die „Glücksspielanbieter tanz[t]en der Politik weiter auf der Nase herum und bestimm[t]en den Kurs in Sachen Glücksspiel“.19

Doch der Glücksspielstaatsvertrag verhält sich in dieser Hinsicht nicht so absolut, wie fälschlicherweise angenommen wird. Der Gesetzgeber war sich darüber im Klaren, dass der Höchstbetrag individuell variieren kann, da der tatsächlich für Online-Glücksspiel zur Verfügung stehende Betrag von Spielern naturgemäß von den persönlich-individuellen Umständen des Einzelfalls abhängt.20 Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass Anbieter in solchen Einzelfällen von diesem Betrag abweichen können:

„Jeder festgesetzte Höchstbetrag kann daher für den Einzelnen schon übermäßig sein, während derselbe Betrag für andere Spieler wirtschaftlich unbedeutend wäre. Ein niedrigerer Höchstbetrag könnte zwar einen individuell besseren Spielerschutz verwirklichen, da für viele Haushalte in Deutschland ein Betrag von 1.000 Euro im Monat für Glücksspiele definitiv nicht zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite darf der Höchstbetrag aber nicht dem Kanalisierungseffekt entgegenstehen. Ein gesetzlich vorgegebener zu niedriger Höchstbetrag, welcher von einer relevanten Anzahl an Spielern schon beim Setzen des Limits nicht akzeptiert wird, dürfte – ebenso wie ein staatlich vorgegebenes Limit – zu Ausweichbewegungen in den Schwarzmarkt führen.“21

Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit „geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Auf jeden Fall müssen sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden“.22

Bei der Frage der Geeignetheit einer beschränkenden Maßnahme ist neben der abstrakten Frage, ob die Maßnahme geeignet ist, das gewünschte Ziel herbeizuführen, auch das Kohärenzgebot zu beachten.23 Dieses ist verletzt, wenn „in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben oder dulden, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren.“24

Auf das Glücksspielrecht übertragen bedeutet dies, dass die die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) einschränkenden Vorschriften des GlüStV 2021 dazu geeignet sein müssen, die Realisierung legitimer Ziele zu gewährleisten, indem sie die Gelegenheiten zum Spiel verringern und die Tätigkeiten im Glücksspiel in einer kohärenten und systematischen Weise begrenzen.25

III. Entwicklung der jüngeren Erlaubnispraxis der GGL

Die jüngere Erlaubnispraxis der GGL belegt, dass in zunehmender Häufigkeit die Veranstaltererlaubnisse nach § 22a GlüStV 2021 von Anbietern, vor allem die sogenannter virtueller Automatenspiele, dahingehend modifiziert werden, dass diese entgegen dem grundsätzlichen Höchstbetrag des § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 abweichende Einzahlungslimits gewähren dürfen.

Diese Entwicklung der jüngeren Erlaubnispraxis ist vom Markt mit Interesse zur Kenntnis genommen worden. So wurde jüngst öffentlich darüber berichtet, dass die GGL „heimlich“ die Einsatzlimits ihrer Spieler erhöhen würde.26 Auf einschlägigen Spielerportalen wurden sogar regelrechte Anleitungen formuliert, die es den Spielern vereinfachen sollten, ihre Einsatzlimits entsprechend zu erhöhen.27

1. Ausnahmen von der Höchstgrenze

§ 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 bestimmt, dass in der glücksspielrechtlichen Veranstaltererlaubnis zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2021 festgelegt werden kann, dass und unter welchen Voraussetzungen der Erlaubnisinhaber im Einzelfall mit anbieterübergreifender Wirkung einen abweichenden Betrag festsetzen kann. Die GGL als Erlaubnisbehörde wird somit gesetzlich dazu ermächtigt, einzelnen Erlaubnisinhabern gegenüber zu erlauben, ein von § 6c Abs. 1 S. 2 GlüStV 2021 abweichendes anbieterübergreifende Einzahlungslimit festzulegen. Unter dem Aspekt des Spielerschutzes sind geringere, im Hinblick auf das Ziel einer Kanalisierung (siehe weiter oben) jedoch auch höhere Beträge denkbar.28

Die Festlegung höherer Limits soll von vornherein jedoch nur solchen Erlaubnisinhabern gestattet werden, die besonders zuverlässig sind und über entsprechende Kapazitäten verfügen, um die Voraussetzungen einzuhalten, die im Rahmen der Erlaubnis zur Abweichungsmöglichkeit festgelegt werden.29

Völlig unklar indes ist, was unter einer „besonderen“ Zuverlässigkeit zu verstehen sein soll. Schon zum Begriff der Zuverlässigkeit verhält sich der Staatsvertrag nicht näher – er setzt sie voraus, beschreibt aber nicht, was als (nicht) zuverlässig gilt. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der zumindest so ausgelegt werden kann, wonach ein Anbieter, der gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt, jedenfalls als nicht zuverlässig gilt. Ob auch anderes nicht als zuverlässig erscheinendes Verhalten reicht, um die Annahme einer Zuverlässigkeit abzulehnen, ist unklar.

Um eine Erlaubnis zu erhalten, muss ein Anbieter das Kriterium der Zuverlässigkeit erfüllen. Wenn es bei der Auslegung des Begriffs im Kern um rechtstreues und nicht rechtstreues Verhalten geht, ist jedoch völlig unklar, was besondere Zuverlässigkeit sein soll, denn entweder hält ein Anbieter die gesetzlichen Bestimmungen ein, oder eben nicht. Die Differenzierung, unter welchen Umständen ein Anbieter zuverlässig und der andere besonders zuverlässig sein soll, ist anhand des Gesetzes nicht möglich.

In der Erlaubnis der Behörde sind ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien spezifische Kriterien und Voraussetzungen aufzustellen, an die die Festlegung des abweichenden Limits geknüpft ist. Insbesondere ist regelbeispielhaft genannt, dass vor Gestattung einer etwaigen Abweichung von § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 stets durch geeignete Maßnahmen zu prüfen ist, dass der Spieler kein auffälliges Spielverhalten gezeigt hat, sich dies auch durch die Erhöhung des Limits nicht ändern wird und der Spieler über eine hinreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt.30

Gerade die letzte Voraussetzung wird – das sei jetzt schon verraten – mit erheblichen Problemen tatsächlicher und rechtlicher Natur verbunden sein und wird kaum auszuräumende Bedenken hinsichtlich der erforderlichen Kohärenz des GlüStV 2021 aufzeigen.

2. Umsetzung der Limiterhöhung durch die Glücksspiel-Aufsichtsbehörde

Wie bereits erwähnt, wird die grundsätzliche Einzahlungslimitierung von 1.000 Euro pro Spieler über alle Anbieter hinweg damit begründet, dass sie zur Spielsuchtprävention beitragen soll. Ein damit untrennbar verbundenes Problem ist jedoch, dass das jedenfalls zu einem Gefühl einer Bevormundung des Spielers führt. Auch das wirtschaftliche Interesse der Anbieter und damit einhergehender Druck auf die GGL kann dazu geführt haben, dass sie sich letztlich dazu entschloss, von dieser Grenze abzuweichen. Wie dargelegt, ist eine solche Abweichung zwar prinzipiell möglich. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass es sich dabei eher um eine selten(ere) Ausnahme als um eine allgemeine Regel handeln sollte. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, einen Blick darauf zu werfen, wie die Praxis der Limiterhöhung tatsächlich umgesetzt wird.

Die von der GGL entwickelten bindenden Rahmenregelungen bei der Festsetzung eines abweichenden Höchstbetrages für das Einzahlungslimit nach § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 lauten gemäß ihrer entsprechenden Entscheidungsrichtlinie wie folgt:

„Voraussetzung für das Setzen eines Limits von über 1.000 Euro bis 10.000 Euro ist es, dass
  • für diesen Spieler ein individuelles beziffertes anbieterübergreifendes Einzahlungslimit gesetzt wird,
  • für diesen Spieler ein zusätzliches individuelles Verlustlimit von maximal 20 % des individuell festgesetzten zusätzlichen Einsatzlimits gesetzt wird,
  • der Spieler gegenüber dem Anbieter eine diesen Limits entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in geeigneter und überprüfbarer Weise nachweist (z.B. durch Einkommenssteuerbescheide oder andere Einkommensnachweise und Bankauszüge; Selbstauskünfte von Spielern sind nicht ausreichend),
  • dieser Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens jährlich wiederholt wird,
  • der Anbieter für diesen Spieler ein spezielles Monitoring auf auffälliges Spielverhalten durchführt und die – anonymisierten – Ergebnisse des Monitorings der Aufsichtsbehörde halbjährlich übermittelt“31

Mit diesem Vorgehen zielt die GGL darauf ab, dem in § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 festgelegten Kriterium der Einzelfallentscheidung gerecht zu werden. Dieses Kriterium legt fest, dass „der Erlaubnisinhaber im Einzelfall mit anbieterübergreifender Wirkung einen abweichenden Betrag festsetzen kann“, was die Notwendigkeit impliziert, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Spielers in jedem individuellen Fall gesondert zu bewerten.

Grundsätzlich ist – mit Blick auf die Ziele des Staatsvertrages – kein Einwand zu erheben, wenn die GGL in ihrer Herangehensweise von Anbietern fordert, dass Spieler ihre „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in geeigneter und überprüfbarer Weise“ belegen müssen. Hierbei könnte auf Einkommenssteuerbescheide, andere Einkommensnachweise und Bankauszüge zurückgegriffen werden, während Selbstauskünfte der Spieler nicht akzeptiert werden sollten.

3. Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Anbieter durch Heranziehung der SCHUFA

Es bleibt offen, wie Glücksspielanbieter die geforderte Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihrer Spieler praktisch umsetzen (werden).

Eine Möglichkeit wäre, sich „Einkommenssteuerbescheide oder andere Einkommensnachweise und Bankauszüge“ vorlegen zu lassen, wie von der GGL als Beispiel aufgeführt. Allerdings ist zu erwarten, dass die allermeisten engagierten Spieler – schon aufgrund des Gefühls einer Bevormundung – versuchen werden, ihr Einzahlungslimit zu erhöhen – nicht nur dann, wenn sie dazu finanziell in der Lage sind. Dies würde für die Anbieter zunächst einen erheblichen Aufwand bedeuten, müssten sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit jeden Spieler individuell anhand von Einkommenssteuerbescheiden, anderen Einkommensnachweisen und Bankauszügen händisch überprüfen.

Die gelebte und nicht ausgesprochene Praxis ist jedoch, dass der Glücksspielanbieter lediglich eine gewöhnliche Bonitätsauskunft über den Spieler einholt, als würde dieser ein Kredit begehren. Dabei übergibt der Glücksspielanbieter der SCHUFA die Stammdaten des Spielers und erhält ein Rating von A-P zurück, wobei A der Faktor für Zahlwahrscheinlichkeit von 99,5 % darstellt. Diese Vorgehensweise in Fällen zulässig sein, in denen es darum geht, zu ermitteln, wie wahrscheinlich es sein wird, dass ein Schuldner seine Schulden begleicht, nicht jedoch, um zu ermitteln, wie es um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Spielers steht. Dies soll nachfolgend aufgezeigt werden:

IV. Rechtswidrigkeit der Limiterhöhung

Die vorgenannte Vorgehensweise erscheint aus zwei Gründen rechtswidrig:

Einerseits erscheint eine wie zuvor beschriebene Limiterhöhung angesichts der Entscheidung des EuGH vom 7. Dezember 202332 für rechtswidrig. Andererseits ist unabhängig von den Feststellungen des EuGH eine solche Vorgehensweise schon gar nicht geeignet, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Spielers zu prüfen – besser gesagt zu bestätigen.

1. Datenschutzwidrigkeit

Das Urteil des EuGH bezieht sich auf die Rechtsfrage, wie Art. 22 der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auszulegen ist. Die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 1 DSGVO hängt von drei kumulativen Voraussetzungen ab, nämlich davon, dass

  1. eine Entscheidung vorliegen muss,
  2. diese Entscheidung ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung –einschließlich Profiling – beruhen muss und
  3. sie gegenüber der betroffenen Person rechtliche Wirkung entfalten muss oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigen muss.

Eine Definition des Begriffs Entscheidung lässt sich Art. 22 Abs. DSGVO nicht entnehmen, jedoch ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und der Heranziehung des 71. Erwägungsgrunds der DSGVO, dass sich dieser Begriff nicht nur auf Handlungen bezieht, die rechtliche Wirkung gegenüber dem Betroffenen entfalten, sondern auch auf Handlungen, die diese Person in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigen. Damit ist der Begriff weit genug, um das Ergebnis der Berechnung der Fähigkeit einer Person zur Erfüllung künftiger Zahlungsverpflichtungen in Form eines Wahrscheinlichkeitswerts mit einzuschließen.33 Das Scoring der SCHUFA stellt eben genau ein solches Ergebnis dar. Die Tätigkeit, wie sie die SCHUFA ausübt, entspricht auch der Definition des Profilings in Art. 4 Nr. 4 DSGVO. Das Geschäft des sogenannten Scorings, das die SCHUFA betreibt, stellt einen Unterfall des Profilings dar und wird daher von Art. 22 DSVGO erfasst.34

Die Bewertung durch die SCHUFA entfaltet zudem eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des Art. 22 Abs. 1 DSGVO. Eine solche liegt nämlich immer dann vor, wenn die Entscheidung und tatsächliche Handlung, welche die Position des Einzelnen nachhaltig berühren, einer rechtlichen Wirkung gleichkommen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie seine wirtschaftliche und persönliche Entfaltungsfreiheit nur marginal berühren.35

Durch die Bewertung der SCHUFA und der damit einhergehenden Verwertung personenbezogener Daten wird der Betroffene in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und der Kommunikation aus Art. 7 Var. 2, 3 GRCh (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, kurz Grundrechtecharta) und seinem Recht auf Schutz seiner personenbezogenen Daten aus Art. 8 Abs. 1, 2 GRCh verletzt. Soweit es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, bilden diese beiden Grundrechte eine einheitliche Schutzverbürgung. Unter personenbezogenen Daten werden dabei –wie schon nach dem Verständnis des deutschen Verfassungsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) – alle Informationen verstanden, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betreffen.36

Auch greift in den Fällen, in welchen die Erlaubnisinhaber entsprechende Belege der Spieler einholen, der Ausschlusstatbestand des Art. 22 Abs. 2 DSGVO, da keine der dort genannten Voraussetzungen vorliegt. Das durch die SCHUFA übermittelte Ergebnis ist weder für den Abschluss noch für die Erfüllung eines Vertrages erforderlich, noch ist es aufgrund von Rechtsvorschriften der Union oder Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche unterliegt, zulässig. Auch eine ausdrückliche Einwilligung liegt in den oben genannten Fällen gerade nicht vor.

Art. 22 Abs. 1 DSGVO ist folglich dahingehend auszulegen, dass eine automatisierte Entscheidung im Einzelfall im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn ein auf personenbezogene Daten zu einer Person gestützter Wahrscheinlichkeitswert in Bezug auf deren Fähigkeit zur Erfüllung künftiger Zahlungsverpflichtungen durch eine Wirtschaftsauskunftei automatisiert erstellt wird, sofern von diesem Wahrscheinlichkeitswert maßgeblich abhängt, ob ein Dritter, dem dieser Wahrscheinlichkeitswert übermittelt wird, ein Vertragsverhältnis mit dieser Person begründet, durchführt oder beendet.37

Das Scoring der SCHUFA ist also dann nicht mit der DSGVO vereinbar und infolgedessen rechtswidrig, sofern der Score beim Unternehmer, also dem Erlaubnisinhaber, die alleinige Entscheidungsgrundlage darstellt. Eine Limiterhöhung durch die Erlaubnisinhaber aufgrund eines Scores der SCHUFA, ohne ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen, ist mithin unzulässig. Dies dürfte vonseiten der GGL schon deshalb nicht zu akzeptieren sein, weil sie sich andernfalls mitunter dem Vorwurf ausgesetzt sähe, sie ermutige die Anbieter zu Rechtsbrüchen.

2. Verstoß gegen § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021

Unabhängig davon, dass der SCHUFA-Score schon allein wegen der EuGH-Entscheidung vom 7. Dezember 2023 rechtswidrig ist, verstößt die Vorgehensweise der Anbieter gegen § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021. Die GGL hat § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV i. V. m. § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 – zumindest abstrakt – richtig ausgeführt, wenn sie darauf abstellt, dass der Glücksspielanbieter die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Spieler überprüfen müsse. Doch was die Glücksspielanbieter machen, ist nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu überprüfen, sondern sie holen sich eine Auskunft darüber ein, wie es um die Zahlungs(ausfalls)wahrscheinlichkeit eines Spielers steht.

Interessant ist auch, dass Glücksspielanbieter nach eigenem Ermessen entscheiden dürfen, ob sie dem Antrag des Spielers auf Erhöhung des Limits auf bis zu 10.000 Euro stattgeben oder nicht und dies der GGL gegenüber auch nicht begründen müssen. Anders sähe es aus, wenn Glücksspielanbieter eine Saldierung der Ein- und Ausgänge der Spieler durchführen müssten. Doch auch dies begegnete erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken. Im Grunde entscheidet der Glücksspielanbieter – als wäre er eine darlehensgebende Bank, die anhand des SCHUFA-Ratings entscheidet, ob sie das begehrte Darlehen vergibt oder nicht –, ob sie die begehrte Limiterhöhung durchführt oder nicht. Es liegt auf der Hand, dass sie hier eigene Interessen vor denen des Spielerschutzes stellen wird. Diese Vorgehensweise hat aber nichts damit zu tun, ob ein Spieler die notwendige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt, um höhere Beträge verantwortungsvoll im Rahmen des Glücksspiels einzusetzen. Die Tatsache, dass Glücksspielanbieter nach eigenem Ermessen über die Erhöhung des Einzahlungslimits bis zu 10.000 Euro entscheiden können, ohne eine solche Entscheidung gegenüber der GGL rechtfertigen zu müssen, wirft ernsthafte Fragen auf. Während Banken ein direktes finanzielles Risiko bei der Kreditvergabe tragen, sollte die Priorität bei der Regulierung von Glücksspiel auf dem Schutz der Spieler und der Prävention von Spielsucht liegen, nicht auf der Maximierung von Gewinnen.

V. Fazit

Es wirft tiefgreifende Bedenken auf, dass die Entscheidung über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Spielers, die für eine mögliche Anhebung des Einzahlungslimits über 1.000 Euro hinaus benötigt wird, in die Hände der Anbieter gelegt wird. Dieser Umstand widerspricht dem Mandat der GGL, den gemäß § 1 des GlüStV 2021 festgelegten Schutzzielen, wonach vor allem der Spieler- und Jugendschutz gewahrt werden soll. Die Delegation dieser kritischen Verantwortung an die Anbieter, deren primäres Ziel die Maximierung des eigenen Profits ist, könnte fundamental den Schutzbestrebungen des GlüStV 2021 zuwiderlaufen.

Besonders problematisch ist dabei die gängige Praxis der Anbieter, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Spielers allein mittels SCHUFA-Scores zu beurteilen und mit der „Kreditwürdigkeit“ gleichzusetzen. Ein solcher Score spiegelt lediglich die Zahlungs(ausfalls)wahrscheinlichkeit wider und vermag es nicht, ein realistisches Bild der finanziellen Belastbarkeit („wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“) des Spielers zu zeichnen. Eine authentische Einschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfordert eine detaillierte Analyse der finanziellen Verhältnisse, die weit über eine oberflächliche Score-Bewertung hinausgeht und eine tiefgehende Prüfung der Einnahmen, Ausgaben und Verbindlichkeiten umfassen müsste.

Selbst wenn ein Anbieter dazu in der Lage wäre, sich in rechtlich zulässiger Weise belastbare Kenntnis über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Spielers zu verschaffen, würde das nicht die Frage beantworten, welcher Betrag für ebendiesen Spieler (gerade noch) angemessen wäre. Soll der Betrag mit dem – im Hinblick auf die Selbstbestimmung des Spielers (§ 6c Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021) – gesamten regelmäßig frei zur Verfügung stehenden Einkommen am Monatsende identisch sein? Oder soll der Betrag zwei Drittel, die Hälfte oder nur ein Drittel davon betragen?

Zusammengefasst lässt sich also festhalten:

  1. Anbieter, deren Interesse naturgemäß darin liegt, ihren Gewinn zu steigern, werden dazu ermächtigt, zu entscheiden, das Einzahlungslimit anbieterübergreifend zu erhöhen, ohne dabei – in der Praxis – wirklichen Restriktionen oder Begründungspflichten unterworfen zu sein. Das ist ein unauflösbarer Widerspruch und stellt einen Verstoß gegen § 1 GlüStV und die ständige Rechtsprechung des EuGH dar, sodass sich der Glücksspielstaatsvertrag schon aus diesem Grunde für unionsrechtswidrig erweist.

  2. Doch selbst, wenn ein Anbieter die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Spielers eingehender überprüfen bzw. bestätigen sollte, wäre das mit erheblichen rechtlichen Unwägbarkeiten verbunden. Der Anbieter müsste im großen Umfang personenbezogene Daten verarbeiten, um auf belastbare Ergebnisse zu kommen. Ob die Ziele des nationalen Gesetzgebers reichen, um abseits des allein schon zu rechtfertigenden Eingriffes in die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) des Anbieters derart tiefgreifend in das über die DSGVO sekundärrechtliche kodifizierte europäische Datenschutzgrundrecht (Art. 8 GRCh) des Spielers einzugreifen, ist überaus fraglich. Hierbei ist nicht nur die Qualität der Daten von Bedeutung, sondern auch die erforderliche Quantität, wenn es darum geht, dass das Ergebnis der Prüfung belastbar sein soll, was es sein müsste, um dem Spielerschutz gerecht zu werden.

  3. Die Verarbeitung müsste regelmäßig wiederholt werden, um verändernde Einkommenssituationen berücksichtigen zu können. Schon die Frage, wie regelmäßig, ist offen. Besondere Schwierigkeiten ergäben sich bei Spielern mit einer häufig variierenden Einkommenssituation, wie etwa bei Freiberuflern oder Selbständigen. In diesen Fällen müsste noch umfangreicher auf personenbezogene Daten zugegriffen werden, weil eine Momentaufnahme von vornherein nicht dazu geeignet wäre, die wirtschaftlichen Verhältnisse auf nur mittelfristige Sicht festzustellen.

Diese erheblichen Unwägbarkeiten und die Abkehr der GGL von ihrer eigentlichen Schutzaufgabe lassen es für zweifelhaft erscheinen, ob eine unionsrechtskonforme Realisierung des gegenwärtigen Glücksspielstaatsvertrages 2021 überhaupt möglich ist.

Nach Auffassung des Verfassers ist das offensichtlich nicht der Fall. Es bleibt abzuwarten, wann ein deutsches Gericht sich endlich dazu durchringen wird, den GlüStV 2021 dem EuGH zur Prüfung vorzulegen.


1) Brüning/Thomsen, NVwZ 2021, 11.
2) Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 4.
3) Erläuterungen zum GlüStV 2021, S. 1.
4) Erläuterungen zum GlüStV 2021, S. 1.
5) Erläuterungen zum GlüStV 2021, S. 9.
6) Erläuterungen zum GlüStV 2021, S. 9.
7) Goldenstein Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH: Online-Glücksspiel: GGL erhöht heimlich die Einsatzlimits, URL: https://www.ra-goldenstein.de/neuigkeiten/ggl-erhoeht-einsatzlimits (abgerufen am 6. Februar 2024).
8) Vgl. etwa Erläuterungen zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 2, S. 57 ff.
9) Vgl. Becker, ZfWG 2021, 178 (180 f.).
10) Erläuterungen zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 9, S. 58.
11) Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 4.
12) GGL: Entscheidungsrichtlinie zur Festsetzung eines abweichenden Höchstbetrages gemäß § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021, in: gluecksspiel-behoerde.de, Link (abgerufen am 6. Februar 2024).
13) GGL: Entscheidungsrichtlinie zur Festsetzung eines abweichenden Höchstbetrages gemäß § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021, in: gluecksspiel-behoerde.de, a.a.O.
14) GGL: Entscheidungsrichtlinie zur Festsetzung eines abweichenden Höchstbetrages gemäß § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021, in: gluecksspiel-behoerde.de, URL: a.a.O.
15) Vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003, C-243/01, Rn. 65 – Gambelli.
16) Erläuterungen zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 59.
17) Erläuterungen zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 60.
18) Z. B. Sabine Löwenberger: Auftrag der GGL: Studie zum Spielerschutz im Internet, 19.07.2023, URL: Link (abgerufen am 5.02.2024).
19) Facebook-Beitrag Glücksspielfrei e. V. vom 28. April 2022, Link (abgerufen am 5. Februar 2024).
20) Erläuterungen zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 60.
21) Erläuterungen zum GlüStV 2021, Hessischer Landtag, LT-Drs. 20/3989, S. 60.
22) EuGH, Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Rn. 65 – Gambelli.
23) EuGH, Urteil vom 8. September 2010, C-316/07 u. a., Rn. 88, 97, 98 – Stoß = ZfWG 2010, S. 332 (337); EuGH, Urteil vom 15. September 2011, C-347/09, Rn. 56 – Dickinger und Ömer.
24) EuGH, Urteil vom 8. September 2010, C-316/07 u. a., Rn. 107 – Stoß = ZfWG 2010, S. 332 (341).
25) VGH München, Beschluss vom 2. Juni 2021 – 23 ZB 20.518.
26) Goldenstein Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH: a. a. O.
27) Wie etwa in: Benjamin Dziersk: LUGAS Limit erhöhen, in: casino-gesetze.de, 23. Oktober 2023, Link (abgerufen am 6. Februar 2024).
28) Vgl. Benesch/Röll, Glücksspielrecht in Deutschland, 1. Auflage 2023, S. 58.
29) Erläuterungen zum GlüStV 2021, Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drs. 16/9487, S. 123.
30) Erläuterungen zum GlüStV 2021, Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drs. 16/9487, S. 123.
31) GGL: Entscheidungsrichtlinie zur Festsetzung eines abweichenden Höchstbetrages gemäß § 6c Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021, in: gluecksspiel-behoerde.de, Link (abgerufen am 6. Februar 2024).
32) EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023, C-634/22.
33) EuGH, a. a. O., Rn. 43ff.
34) Paal/Pauly/Martini, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 22 Rn. 24.
35) Paal/Pauly/Martini, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 22 Rn. 27.
36) BVerfG Beschluss vom 06. November 2019 - 1 BvR 276/17, Rn. 99ff.
37) EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023, C-634/22, Rn. 73.