Spielerklagen – Kommt jetzt der Gamechanger?

Rechtsanwalt Dr. Nik Sarafi

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Drei wichtige Entscheidungen für Glücksspiel-Anbieter und deren Bevollmächtigte

Bei den Spielerklagen geht es darum, dass ein Spieler aus Deutschland einen Glücksspiel-Anbieter (Online-Casino) auf Rückzahlung seiner in der Vergangenheit getätigten Einsätze verklagt.

In den meisten Fällen haben deutsche Spieler an Online-Glücksspielen teilgenommen, die von ausländischen Anbietern, meist mit Sitz in Malta, angeboten wurden und nach dem Recht des Herkunftslandes zwar erlaubt, mangels Erlaubnis für die Veranstaltung in Deutschland allerdings nach deutschem Recht verboten waren oder sind.

Dies führt dazu, dass der Vertrag zwischen dem Spieler und dem Glücksspielanbieter nach den Grundsätzen des deutschen Zivilrechts als von Anfang an nichtig angesehen wird (gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 GlüStV in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV a.F.). Das bedeutet, dass es faktisch keinen Vertrag gibt, der als Grundlage für die Einzahlung von Spielgeld durch den Spieler und die Auszahlung von Gewinnen dient.

Die vom Spieler geleisteten Zahlungen für die Spieleinsätze können als ungerechtfertigte Bereicherung des Glücksspielanbieters betrachtet werden. Die Nichtigkeit des Vertrags würde bedeuten, dass der Glücksspielanbieter die Zahlungen ohne rechtlichen Grund erhalten hat. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts gemäß §§ 812ff. BGB.

Das Bereicherungsrecht gewährt demjenigen, der eine Leistung erbracht hat, für die objektiv-rechtlich keine Verpflichtung bestand, einen Anspruch auf Rückforderung dieser Leistung vom Empfänger. Gemäß § 817 Satz 2 BGB gilt dies jedoch nicht, wenn der Leistende wusste oder hätte wissen müssen, dass er nicht zur Leistung verpflichtet war.

Wenn der Leistende wusste oder sich dieser Kenntnis leichtfertig verschlossen hat, dass die Zahlung rechtlich unbegründet war, kann er die Rückgabe der Zahlung als unbegründete Leistung nicht verlangen. Darüber hinaus könnte auch die Tatsache, dass der Spieler möglicherweise gegen § 285 StGB verstoßen hat, indem er an unerlaubtem Glücksspiel teilnahm, dazu führen, dass er gemäß § 817 Satz 2 BGB keinen Anspruch auf Rückforderung gegen den Glücksspielanbieter hätte.

Das Landgericht Gießen hat mit seinem Urteil vom 21. Januar 2021 eine Welle von Klagen ausgelöst. Das Gericht entschied, dass § 817 Satz 2 BGB nicht anwendbar sei, da dies dem Zweck des Verbots von unerlaubtem Glücksspiel widerspräche und letztendlich den Spieler bestrafen würde, der geschützt werden sollte. Daher käme es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen von § 817 Satz 2 BGB erfüllt seien. Die Anwendung von § 817 Satz 2 BGB würde dem Zweck des Verbots von unerlaubtem Glücksspiel zuwiderlaufen.

In dem Artikel „Die Spielerklagen“, der im selben Jahr veröffentlicht wurde, wies der Autor darauf hin, dass die Rechtsauffassung des Landgerichts Gießen und anderer Gerichte, die sich dem anschlossen, fehlerhaft sei.

Der Autor verwies auf eine vergleichbare Rechtslage in Bezug auf Schwarzarbeiter-Fälle und argumentierte für die Anwendung der entwickelten rechtlichen Grundsätze auf die Spielerklagen. Insbesondere bezog er sich auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in diesen Fällen. In Schwarzarbeiter-Fällen wurde häufig darüber gestritten, ob der Auftraggeber Gewährleistungsrechte geltend machen kann, wenn die Leistung mangelhaft war, oder ob der Auftragnehmer (Handwerker) Anspruch auf Vergütung hat, wenn die Zusammenarbeit ohne Rechnung und damit ohne Abführung von 19% Umsatzsteuer erfolgte. Auch hier galt, dass der Werkvertrag als nichtig gemäß § 134 BGB sei, da gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG verstoßen wurde. Diese Situation eröffnete den Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts und somit das „rechtliche Duell“ zwischen § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 817 Satz 2 BGB. Der BGH hatte bis zum Jahr 2014 die Auffassung vertreten, dass § 817 Satz 2 BGB nicht anzuwenden sei, um ungerechte Ergebnisse zu vermeiden. Dies wurde von der juristischen Literatur stark kritisiert und wurde auch irgendwann vom BGH berücksichtigt.

Infolgedessen änderte der BGH ab dem Jahr 2014 seine Ansicht und kam zu dem Ergebnis, dass der Zweck des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) nur dann erreicht werden könne, wenn beide Vertragspartner - der Auftraggeber und der Auftragnehmer - ihre Ansprüche gegeneinander verlieren, indem sie sich auf eine "Ohne-Rechnungs-Abrede" einlassen. Der BGH beendete damit seine Vorgehensweise, § 817 Satz 2 BGB nicht anzuwenden.

Der Autor hatte mehrmals ermahnt, dass die Landgerichte denselben Fehler begingen, wie der BGH schon bis zum Jahr 2014. In einem juristischen Fachaufsatz „Spielerklagen im Kontext der Schwarzarbeit-Rechtsprechung des BGH“ (Sarafi, ZfWG 2022, 149-153) führte der Autor aus:

„Was dabei auffällt, ist, dass die Gerichte die Dogmatik des § 817 S. 2 BGB allenfalls oberflächlich in die Prüfung mit einbeziehen. Dass das Prinzip des § 817 S. 2 BGB, dass jemand, der sich bewusst über die Rechtsordnung hinwegsetzt, sich später nicht auf die Rechtsordnung berufen darf, um die für ihn nachteiligen Folgen des Rechtsverstoßes zu korrigieren, nur in Ausnahmefällen nicht angewendet werden darf – nämlich dann, wenn die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion gegeben sind – wird zumeist nicht erörtert. Auch dadurch wird die Vergleichbarkeit der durch den BGH in der Schwarzarbeiter-Rechtsprechung beurteilten Fälle mit den Spielerklagen übersehen. Zwar sind die Entscheidungen des BGH über die Nichtanwendung des § 817 S. 2 BGB nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar, weil sie auf den Einzelfall abstellen. Die Rechtsprechung des BGH zu den Schwarzarbeiter-Fällen liefert jedoch wichtige Maßstäbe zur Beurteilung der Erforderlichkeit einer teleologischen Reduktion des § 817 S. 2 BGB, welche aufgrund der Parallelität der Fallgruppen auch bei der Beurteilung von Spielerklagen beachtet werden müssen. […]

Die generalpräventive Wirkung des § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GlüStV 2012 muss bei der teleologischen Reduktion des § 817 S. 2 BGB allerdings nach den durch den BGH bei der Schwarzarbeiter-Rechtsprechung deutlich gemachten Grundsätzen berücksichtigt werden: Die generalpräventiven Wirkungen müssen Vorrang vor allgemeinen Billigkeitserwägungen haben. Die generalpräventive Wirkung des § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GlüStV 2012 zielt darauf ab, – wie das Schwarzarbeitergesetz – öffentliche Belange zu schützen, nämlich den Schutz gesetzestreuer Anbieter und Spieler zu erreichen.“ (Hervorhebung d. d. Autor)

Auch nach und trotz dieser Artikel sind diverse weitere Urteile verschiedener Landgerichte ergangen, die sich ebenfalls dem Urteil Landgericht Gießen vom 21. Januar 2021 angeschlossen hatten und § 817 Satz 2 BGB für nicht anwendbar erklärten.

Nach dem kontrovers diskutierten „Skandal-Urteil" des Landgerichts Gießen vom 21. Januar 2021 vergingen knapp zwei Jahre, bis sich Anfang dieses Jahres zwei Oberlandesgerichte der Rechtsauffassung des Autors in ihren Urteilen anschlossen und ebenfalls eine Analogie zu den rechtlichen Überlegungen aus der Rechtsprechungsgenese des BGH in den Schwarzarbeiter-Fällen herstellten.

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 21. März 2023 sogar auf die Urheberschaft dieses Gedankens hingewiesen:

“In diesem Zusammenhang sind Parallelen zwischen Systematik und Ratio von § 4 IV GlüStV einerseits und § 1 II Nr. 2 SchwArbG andererseits zu beachten, denn auch das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz statuierte Verbot richtet sich vorrangig an den Unternehmer. […] Diese Überlegungen sind nach Auffassung des Senats auf die Fallkonstellation der Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel zu übertragen, denn auch insofern kann die Verwirklichung des Gesetzeszwecks, welcher auch dem Straftatbestand des § 285 StGB zugrunde liegt, am wirksamsten erreicht werden, wenn auf beiden Seiten Rückforderungen wirksam ausgeschlossen sein können (Sarafi, ZfWG 2022, 149, 152).”

Durch diese Entwicklung wurde der deutschlandweiten Rechtsprechung der Landgerichte, die eine Anwendung von § 817 Satz 2 BGB ablehnt, eine deutliche Absage erteilt.

Kurz darauf hat das Landgericht Gießen seine eigene Rechtsauffassung revidiert, was die Frage der Nichtigkeit des Spielevertrages angeht.

In einem Urteil vom 4. April 2023 entschied das Landgericht Gießen, dass trotz eines Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht keine Nichtigkeit des Spielevertrages angenommen werden könne. In einem solchen Fall wäre die Frage der Anwendung von § 817 Satz 2 BGB irrelevant. Wenn keine Nichtigkeit vorliegt, wäre der Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts nicht eröffnet und weder § 812 BGB noch § 817 BGB wären anwendbar. Eine Frage zur Anwendung von § 817 Satz 2 BGB würde dann nicht mehr relevant sein.

Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung erscheint eine aktualisierte rechtliche Analyse der Spielerklagen angebracht.

1. Nichtigkeit des Spielevertrages?

Alle Rechtsanwälte der klagenden Spieler argumentieren ausnahmslos damit, dass ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. zur Nichtigkeit des Spielevertrags gemäß § 134 BGB führe1.

Bei genauerer Betrachtung scheint es mehr angebracht zu sein, darüber zu diskutieren, ob ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 GlüStV (a.F.) zur Nichtigkeit des Spielevertrages gemäß § 134 BGB führen würde. Denn unabhängig von einem möglichen Internet-Totalverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. würde ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 GlüStV vorliegen, wenn keine entsprechende Erlaubnis für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen erteilt wurde.

Der allgemeine Erlaubnisvorbehalt, der eine Erlaubnis grundsätzlich erforderlich macht, ist in § 4 Abs. 1 GlüStV a.F. sowie in § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 festgelegt. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. hat lediglich klargestellt, dass eine Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV a.F. nicht für Glücksspiele im Internet erteilt werden kann. Obwohl dies möglicherweise keine Auswirkungen auf das Ergebnis hat, deutet es doch auf eine rechtsdogmatisch unsaubere Begründung von Ansprüchen und den gerichtlichen Urteilen hin.

Die zentrale Frage, die sich bei den Spielerklagen stellt, ist, ob ein Verstoß gegen den Erlaubnisvorbehalt automatisch zur Nichtigkeit des Spielevertrages führt. Bisher hat sich kein Landgericht ausführlich mit den allgemeinen Voraussetzungen des § 134 BGB auseinandergesetzt, außer das angesprochene Landgericht Gießen mit seinem neuesten Urteil vom 4. April 2023. Von anderen Landgerichten wurde allenfalls oberflächlich und feststellend bejaht, dass die Voraussetzungen vorliegen würden.

Es ist wichtig zu betonen, dass ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz nicht automatisch zur Nichtigkeit des zugrundeliegenden Vertrags führt. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Verbotsgesetz ein beidseitiges Verbot vorsieht oder wenn das Verbotsgesetz ausdrücklich auf die Rechtsfolge der Nichtigkeit verweist.

In Bezug auf § 4 Abs. 1 GlüStV besteht ein einseitiges Verbot von Glücksspielveranstaltungen oder -vermittlungen für den Veranstalter oder Vermittler, ohne dass das Gesetz ausdrücklich die Nichtigkeit anordnet. Die Frage der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ist daher anhand des Zwecks des Verbotsgesetzes zu beantworten.

Es ist daher von großer Bedeutung, dass diese fraglichen Gesetze gemäß den Regeln der juristischen Methodik ausgelegt werden. Die Auslegung von Gesetzen erfolgt in der Regel unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs, der historischen Auslegung sowie des Zwecks und der Zielsetzung des Gesetzes. Durch eine sorgfältige und umfassende Auslegung können die rechtlichen Konsequenzen eines Verstoßes gegen die genannten Gesetze besser verstanden und bewertet werden. Dies ermöglicht eine fundierte juristische Analyse und Beurteilung der Rechtslage im Hinblick auf die Spielerklagen – eine solche Vorgehenswese wird aber in allen (!) Urteilen vernachlässigt.

Es scheint tatsächlich der Fall zu sein, dass bisher kein einziges Landgericht diese spezifische Auslegung vorgenommen hat, soweit dem Autor bekannt ist.

Neue Entscheidung des Landgericht Gießen vom 4. April 2023 (Az.: 5 O 189/21)

Das Urteil des Landgerichts Gießen vom 4. April 2023 (Aktenzeichen 5 O 189/21) scheint das erste zu sein, das sich intensiv mit der Frage der Nichtigkeit auseinandersetzt. Dabei kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. und gegen § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative GlüStV a.F. nicht zur Nichtigkeit des zugrundeliegenden Spielevertrags führen würde. Obwohl § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative GlüStV a.F. die Zahlungsanbieter betrifft, die nicht an einer Zahlung für unerlaubtes Glücksspiel mitwirken dürfen, ist die Rechtsfolge für § 4 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative GlüStV a.F. dieselbe wie für § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative GlüStV - sowohl nach dem alten als auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag.

Das Landgericht Gießen bezieht sich in seinem Urteil zunächst auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. September 2022, um die allgemeinen Voraussetzungen für die Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB darzulegen:

„Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz führt in der Regel nur dann zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, wenn sich das Verbot gegen beide Vertragsteile richtet (BGH, Urt. v. 13.09.2022, Az. XI ZR 515/21, Rn. 11). Nur in besonderen Fällen kann sich die Nichtigkeit auch aus einem einseitigen Verstoß ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf. Eine solch besonderer Ausnahmefall liegt etwa vor, wenn der angestrebte Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert (BGH, aaO, Rn. 11 mwN). Reicht es dagegen aus, dem gesetzlichen Verbot durch Verwaltung-oder strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, so hat die zivilrechtliche Sanktion der Nichtigkeit daneben keinen Platz.“

Diese Voraussetzungen liegen nach Ansicht des Landgericht Gießen nicht vor, so dass keine Nichtigkeit nach § 134 BGB angenommen werden könne:

„Für das Gericht ist nicht ersichtlich, warum der Zweck von § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 nicht anders zu erreichen ist und die Nichtigkeit des Spielvertrages zum Schutz des Vertragspartners (Spielers) erforderlich sein sollte.

Es ist bereits offen, ob durch eine Nichtigkeit des Spielvertrages der Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV erreicht werden kann. Denn dies setzte voraus, dass die zivilrechtliche Sanktion allein oder jedenfalls besser als verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Maßnahmen dazu geeignet wäre, das Verbot in § 4 Abs. 4 GlüStV durchzusetzen. Es ist aber äußerst zweifelhaft, ob die Anbieter von unerlaubten Online-Glücksspielen deren Veranstaltung oder Vermittlung unterlassen, (nur) weil der Spieler im Ergebnis einen (gerichtlich durchzusetzenden) Anspruch auf Ersatz seiner Verluste hätte.

Darüber hinaus ist die Nichtigkeit des Spielvertrages auch nicht zum Schutz des Vertragspartners (Spielers) erforderlich. Es ist gerade nicht Zweck des GlüStV 2011 Spieler allgemein vor ihrem Verlustrisiko zu schützen. Andernfalls dürfte keine Form des Glücksspiels erlaubt sein. Wie auch in dem vom BGH entschiedenen Fall gebieten es die Interessen des Spielers gerade nicht, ihn durch die Nichtigkeit des von ihm eingegangenen Vertrages vor den wirtschaftlichen Folgen des Glücksspiels zu schützen (vgl. BGH, aaO, Rn. 16).

Der drohende Vermögensschaden für den Spieler folgt nicht aus dem Verbot des unerlaubten Glücksspiels, sondern aus dem jedem Glücksspiel immanenten Risiko, dass Gewinne oder Verluste ungewiss und rein zufällig sind (BGH, aaO, Rn. 16). Hiermit setzen sich die bisher vorliegenden oberlandesgerichtlichen Entscheidungen nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend auseinander.“

Nach der Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH erörtert das Landgericht Gießen im weiteren Verlauf des Urteils die Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte, die die Nichtigkeit des Vertrags als gegeben erachteten

„Die Entscheidungen des Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 23 U 55/21 und 19 U2 181/21) ergingen (weit) vor der Veröffentlichung der Entscheidung des BGH. Von den von dem Kläger vorgelegten Entscheidungen und den veröffentlichten Entscheidungen befassen sich drei mit der Entscheidung des BGH. Bei diesen handelt es sich um den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 23.01.2023 (Az. I-10 U 91/22, Anl. K76), den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 07.02.2023 (Az. 13 O236/22, Anl. K78) und das Urteil des OLG Braunschweig vom 23.02.2023 (Az. 9 U3/22).

Das OLG Düsseldorf (Anl. K76) geht davon aus, dass die Rechtsprechung des BGH (im Beschluss vom 13.09.2022, Az. XI ZR 515/21) nicht „zwingend“ auch auf das Verhältnis zwischen dem Spieler und dem Glücksspielanbieter zu übertragen sei. Dies ergebe sich aus der unterschiedlichen Interessenlage. Für den Zahlungsdienstleister sei bei Ausführung der Zahlung die Rechtswidrigkeit seines Handelns „nicht zwingend“ zu erkennen, für den Glücksspielanbieter hingegen schon. Hierbei handelt es sich aber nach Auffassung des Gerichts nicht um ein maßgebliches Entscheidungskriterium für die Frage, ob der Spieler durch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts vor dessen Folgen zu schützen ist oder Zweck des Schutzgesetzes nicht anders erreicht werden kann. Vielmehr stellt das OLG Düsseldorf – was insoweit für das Gericht nicht nachvollziehbar ist – bei seiner Abwägung auf die Interessen des Verbotsadressaten ab.

Das OLG Karlsruhe (Anl. K78) führt lediglich aus, dass die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung angesichts des Zwecks des Glücksspielstaatsvertrages nicht hingenommen werden dürfe. Warum und im Hinblick auf welchen Zweck dies der Fall sein soll, führt das OLG Karlsruhe nicht aus. Auch ist nach den oben wiedergegebenen und von den BGH aufgestellten Kriterien für die Nichtigkeit nicht ausschlaggebend, dass der einzige Zweck des zwischen den Parteien abgeschlossenen Spielvertrages das Ermöglichen der nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 verbotenen Handlung ist. Entscheidend ist allein, ob die Zwecke des GlüStV 2011 nicht anders erreicht werden können, als durch die Nichtigkeit des zivilrechtlichen Glücksspielvertrags.

Das Oberlandesgericht Braunschweig geht in seinem Urteil (v. 23.02.2023, Az. 9 U 3/22, Rn. 86ff) davon aus, dass es mit Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft (den zivilrechtlichen Spielvertrag) getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen. Entscheidend sei, dass sich das Verbotsgesetz nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wende, sondern darüber hinaus gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit im Ergebnis gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg (vgl. OLG Braunschweig, aaO, Rn. 87).

Bereits dies ist nach Auffassung des Gerichts nicht zutreffend. Denn den wirtschaftlichen Erfolg des Rechtsgeschäfts (Spielvertrag) erlaubt der GlüStV 2011 (etwa für Lotterien und Sportwetten) durchaus. Der Verlust des Spielers hängt zudem – wie der BGH zutreffend ausführt – nicht von dem Verbot des Glücksspielvertrags, sondern von dem Glücksspiel immanenten Risiko ab (dazu bereits soeben). Das OLG Braunschweig führt weiter aus, dass der Spieler durch § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 vor Manipulation, Folgekriminalität und Gesundheitsgefahren geschützt werden soll. Warum es aber für den Schutz des Spielers vor Manipulation, Folgekriminalität und Gesundheitsgefahren erforderlich sein soll, dass er unerlaubte Glücksspiele ohne das dem Glückspiel immanente (Verlust-)Risiko spielen kann, ist nicht ersichtlich.

Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass – wie sich auch aus § 1 S. 2 GlüStV 2011 ergibt – allein verwaltungs- und strafrechtliche Maßnahmen zur Steuerung der spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätsgefährdungspotenzialen des Glücksspiels geeignet und ausreichend sind. Insofern stellt auch der BGH in seiner Entscheidung (Urt. v. 13.09.2022, Az. XI ZR 515/21) darauf ab, dass § 4 Abs. 1 S. 2 Fall 2 GlüStV 2011 mit § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV 2011 eine entsprechende Befugnisnorm zur Seite gestellt ist, die eine Inanspruchnahme der am Zahlungsverkehr Beteiligten als verantwortliche Störer ermögliche. Wie die Beklagten zutreffend ausführen, gilt dies für § 4 Abs. 4 GlüStV mit § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV entsprechend.

Es kann zunächst eingewendet werden, dass die Annahme des OLG Düsseldorf, wonach die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 13.09.2022, Az. XI ZR 515/21) nicht „zwingend“ auf das Verhältnis zwischen dem Spieler und dem Glücksspielanbieter übertragbar sei, da die Rechtswidrigkeit des Handelns für den Zahlungsdienstleister „nicht zwingend“ erkennbar sei, für den Glücksspielanbieter jedoch schon, durchaus zutreffend ist.

Von einem Zahlungsdienstleister kann nicht erwartet werden, dass er proaktive Ermittlungen durchführt, um festzustellen, ob seine Zahlungen tatsächlich für legales oder illegales Glücksspiel verwendet werden. Eine solche Verpflichtung wäre unrealistisch und praktisch kaum umsetzbar. Es ist vernünftig anzunehmen, dass die Kenntnis oder die Möglichkeit des Zahlungsdienstleisters, die Rechtswidrigkeit der Zahlungen zu erkennen, begrenzt ist (Der Autor plant, in Kürze einen eigenen Aufsatz, wo es um das Payment-Blocking seitens der GGL geht und somit auch um die Pflichten des Zahlungsdienstleisters, zu veröffentlichen und seine Position detaillierter darzulegen).

Allerdings ist der Hauptkritikpunkt des Landgerichts Gießen, nämlich dass die Spieler oft infantilisiert werden und ihnen nur die Vorteile des Glücksspiels, wie die Chance auf einen Gewinn, zugestanden werden, durchaus berechtigt. Das Gericht äußert zudem die Kritik, dass die Gerichte häufig das Totschlagargument des Spieler- und Verbraucherschutzes verwenden, um ohne weitere Prüfung stets die für die Spieler vorteilhafteren Rechtsfolgen auszuwählen, einschließlich der Annahme der Nichtigkeit des Spielevertrags. Es ist wichtig, dass die Gerichte eine umfassende Prüfung durchführen und alle relevanten Aspekte, einschließlich der Rechte und Verpflichtungen der Spieler, berücksichtigen. Eine einseitige Betrachtung, die nur auf den Spieler- und Verbraucherschutz abzielt, kann zu einer Ungleichbehandlung und Benachteiligung anderer Parteien führen. Eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten ist entscheidend, um zu gerechten und angemessenen Urteilen zu gelangen.

In diesem Zusammenhang schließt sich der Autor dem Beitrag der Kollegin Frau Rechtsanwältin Hembury an, wonach trotz

„propagierter Vereinfachung der Materie sowohl seitens der landläufigen Presse als auch jener Klägervertreter, die hierin ein lukratives Geschäftsmodell sehen“

bereits die Frage der Nichtigkeit äußerst diskussionsbedürftig ist und

„nüchtern betrachtet - jegliches Stigma zum Thema Glücksspiel und Sportwetten ausgeklammert“,

juristische Grundsatzfragen nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden dürfen, nur weil es sich um das Thema Glücksspiel handelt. Es ist wichtig, dass bei rechtlichen Auseinandersetzungen und Entscheidungen alle relevanten Aspekte sorgfältig und fair berücksichtigt werden.

Eine sachliche und ausgewogene Betrachtung der Rechtsfragen ist entscheidend, um gerechte und angemessene Urteile zu gewährleisten. Es sollte vermieden werden, eine voreingenommene Haltung gegenüber den Glücksspielanbietern einzunehmen oder die Spieler übermäßig zu bevorteilen.

Stattdessen sollte das Ziel sein, die Rechte und Pflichten aller Beteiligten im Einklang mit den geltenden Gesetzen und rechtlichen Grundsätzen zu berücksichtigen. Nur so kann eine gerechte und ausgewogene Lösung gefunden werden.

2. Die Frage nach der Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB

Sofern die Nichtigkeit des Spielevertrags bejaht wird, wäre der Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts eröffnet. Dem Spieler stünde zunächst ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Allerdings könnte § 817 Satz 2 BGB dem entgegenstehen, da der Spieler selbst durch seine Teilnahme am Glücksspiel gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat und auch wissen konnte, dass er nicht zur Leistung (Zahlung der Geldbeträge) verpflichtet ist.

Hier hat das Landgericht Gießen – und zwar nicht mit Urteil vom 4. April 2023 (Az.: 5 O 189/21), sondern mit Urteil vom 21.01.2021 (Az.: 4 O 84/20) – die Klagewelle losgetreten, in dem es mit folgender Begründung die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB abgelehnt hat:

„Ein Ausschluss der Rückforderung [nach § 817 S. 2 BGB] wäre zumindest in den Fällen nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar, wenn die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen.“

Wie oben bereits erwähnt, wurde schon früh vom Autor auf die rechtsdogmatische Unhaltbarkeit dieser Entscheidungen hingewiesen.

Kurz nach Veröffentlichung des Volltextes des Urteils des Landgerichts Gießen vom 21. Januar 2021 veröffentlichte der Autor hier auf ISA LAW einen Artikel mit dem Titel „Die Spielerklagen“ und machte auf die Problematik aufmerksam:

„Zum Beispiel: Hätte das LG Gießen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB sauber geprüft, hätte es zunächst feststellen müssen, dass dem Spieler „gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt“ – während der Glücksspielanbieter gegen § 284 Abs. 1 GlüStV verstößt, verstößt der Spieler gegen § 285 StGB. Anschließend hätte es begründen müssen, warum der Spieler, der sich ebenso fehl verhält wie der Anbieter, dennoch durch die Nichtanwendung des § 817 S. 2 BGB privilegiert werden soll. Zwar ist im Rahmen von § 817 S. 2 BGB regelmäßig nicht auf die Erfüllung von Straftatbeständen abzustellen. Allerdings stellt die Erfüllung des Tatbestandes in Frage, ob der Spieler, der sich selbst strafbar macht, zu einem derart hohen Grade schützenswert ist, dass ihm das risikolose Spiel zu gestatten wäre. Zudem setzt das LG Gießen, ohne dies näher zu begründen, voraus, dass §§ 1 S. 1, 4 Abs. 4 GlüStV dem Individualrechtsschutz dienen. Angesichts dessen, dass selbst beim Schwarzarbeitergesetz der Individualrechtsschutz verneint wird und der Schutzzweck der Wahrung öffentlicher Belange im Vordergrund steht (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13), wäre hier eine weitere Begründung erforderlich gewesen, zumal dies der neuralgische Punkt ist, der aus Sicht des Gerichts gegen die Anwendung von § 817 S. 2 BGB spricht (den Individualrechtsschutzcharakter ablehnend LG München, Urteil vom 19.08.2021 – 9 O 5322/20).“

Und weiter:

„Dass gegen Online-Glücksspielanbieter kein Rückzahlungsanspruch besteht, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit anderen Fallgruppen, beispielsweise den sog. „Schwarzarbeiter“-Fällen. Beispielsweise haben nach ständiger Rechtsprechung auch Schwarzarbeiter aufgrund des Verstoßes gegen § 817 S. 2 BGB keinen Werklohnanspruch, wobei eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB zu Recht abgelehnt wird. Einem Werklohnanspruch aus Werkvertrag, § 631 Abs. 1 BGB stehe entgegen, dass der Vertrag beiderseitig gegen § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SchwArbG verstoße und deshalb nach § 134 BGB nichtig sei. Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag bestehe nicht, weil die Aufwendungen im Hinblick auf den mit der Ausführung des Geschäfts verbundenen Verstoß gegen das Verbotsgesetz des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht für erforderlich gehalten werden können. Schließlich bestehe auch kein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Wertersatz: Zwar seien die Voraussetzungen des Anspruchs auf Wertersatz gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB (condictio indebiti) erfüllt, da die Werkleistung im Hinblick auf einen nichtigen Vertrag erbracht und damit rechtsgrundlos erfolgt seien und die Werkleistung auch nicht herausgabefähig sei. Der Bereicherungsanspruch sei aber nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Nach § 817 S. 2 BGB sei die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein Gesetzesverstoß zur Last falle. Die vereinbarungsgemäß erbrachte Werkleistung sei zwar wertneutral, sofern aber bereits bei Vertragsschluss ein bewusster Verstoß gegen § 1 Abs. 2 SchwarzArbG vereinbart wird, stelle die Leistungserbringung einen Gesetzesverstoß dar (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13).“

Nach der Auffassung des Autors machen alle Landgerichte denselben Fehler, wie der BGH bis zum Jahre 2014, bevor er eine Kehrtwende machte und § 817 Satz 2 BGB nicht mehr teleologisch reduzierte.

3. Kehrtwende in der Rechtsprechung: § 817 Satz 2 BGB ist anzuwenden!

Diese Rechtsauffassung des Autors wurde nun von zwei Oberlandesgerichten bestätigt, was eine Kehrtwende in den Spielerklagen bedeuten könnte. Mit diesen Urteilen wird sich nämlich gegen die Praxis gestellt, § 817 Satz 2 BGB nicht anzuwenden.

a) OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 (Az.: 9 U 3/22)

Das OLG Braunschweig hat in seinem Urteil ausgeführt:

„Dies steht auch in Übereinstimmung mit der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den "Schwarzarbeiter-Fällen" (BGH NJW 2014, 1805). Auch dort geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustands nicht den ordnungspolitischen Zielen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes zuwiderliefe (BGH NJW 2014, 1805, 1806, Rn. 22). Der Ausschluss eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs - bei Vorliegen der objektiven und subjektiven (vgl. BGH, aaO, Rn. 26: "bewusst") Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB - mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung sei vielmehr ein geeignetes Mittel, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern (BGH NJW 2014, 1805, 1807 [BGH 10.04.2014 - VII ZR 241/13], Rn. 29). Das ändert jedoch nichts daran, dass den Bereicherungsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB in der Person des Leistenden trifft (vgl. OLG Stuttgart, Urt.v. 22. Februar 2022 - 10 U 120/21 = BeckRS 2022, 7940, Rn. 32 m.w.N.; Sprau, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 817 Rn. 24).“

Zwar hat das OLG Braunschweig der Klage des Spielers stattgegeben. Dies lag aber nicht daran, dass § 817 Satz 2 BGB nicht anzuwenden sei, sondern lediglich daran, dass – nach Auffassung des Gerichts – dem Beklagten Glücksspielunternehmen nicht der Beweis gelungen ist, dass der Spieler subjektiv wusste oder sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat.

b) OLG Hamm, Urteil vom 21. März 2023 (Az.: 21 U 116/21)

Auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat die rechtlichen Ausführungen des Verfassers aufgegriffen und ein Machtwort gesprochen. Es hat betont, dass die Überlegungen zur Schwarzarbeit-Rechtsprechung auf die Fallkonstellation der Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel übertragbar sind. Das OLG Hamm hat darauf hingewiesen, dass die Verwirklichung des Gesetzeszwecks, insbesondere der Schutz der Spieler und die Bekämpfung von unerlaubtem Glücksspiel, am besten erreicht werden kann, wenn auf beiden Seiten Rückforderungen wirksam ausgeschlossen sind.

Das OLG Hamm führt mit Urteil vom 21. März 2023 aus:

“In diesem Zusammenhang sind Parallelen zwischen Systematik und Ratio von § 4 IV GlüStV einerseits und § 1 II Nr. 2 SchwArbG andererseits zu beachten, denn auch das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz statuierte Verbot richtet sich vorrangig an den Unternehmer. […] Diese Überlegungen sind nach Auffassung des Senats auf die Fallkonstellation der Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel zu übertragen, denn auch insofern kann die Verwirklichung des Gesetzeszwecks, welcher auch dem Straftatbestand des § 285 StGB zugrunde liegt, am wirksamsten erreicht werden, wenn auf beiden Seiten Rückforderungen wirksam ausgeschlossen sein können (Sarafi, ZfWG 2022, 149, 152).”

Auch hat das OLG Hamm der Klage des Spielers stattgegeben, was ebenfalls daran lag, dass – nach Auffassung des Gerichts – dem Beklagten Glücksspielunternehmen nicht der Beweis gelungen ist, dass der Spieler subjektiv wusste oder sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat.

Die Entscheidungen des OLG Braunschweig und des OLG Hamm markieren einen wichtigen Wendepunkt in der Rechtsprechung zu Spielerklagen gegen Glücksspielveranstalter. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Rechtsauffassung weiterentwickeln wird und ob sich andere Gerichte ihr anschließen werden.

Beklagte Glücksspielanbieter sollten demnach immer auf die Wirksamkeit des Vertrages beharren, auch wenn dieser Umstand von den Gerichten von Amts wegen zu prüfen ist.

Sie sollten immer sehr genau darlegen, dass der Spieler wusste oder sich der Kenntnis leichtfertig verschlossen hat, dass in Deutschland die Teilnahme an einem unerlaubten Glücksspiel verboten ist.

4. Ausblick – Schluss mit der Infantilisierung!

Sollte man die Nichtigkeit des Spielevertrags annehmen, so entscheidet einzig und allein die Frage, ob das Beklagte Glücksspiel-Unternehmen den Nachweis erbringen kann, dass der klagende Spieler zumindest billigend in Kauf genommen hat, an einem unerlaubten Glücksspiel teilzunehmen und gegen § 285 StGB verstoßen zu haben.

Hier könnte die AGB der Glücksspielanbieter behilflich sein. Zwar ist auch hier zu beobachten, dass sowohl die Rechtsanwälte der klagenden Spieler als auch die Gerichte dem Umstand keine Beachtung schenken, dass in nahezu allen AGB der Glücksspiel-Anbieter betont wird, dass Glücksspiel im Land, in dem sich der Spieler aufhält, verboten sein könnte und dass der Spieler selbst angehalten sei, sich über die Rechtslage zu informieren.

Das Problem wird allerdings sein, dass die Gerichte auch hier aktuell den Spieler in Watte verpacken und die Maßstäbe an die Darlegungs- und Beweislast der beklagten Glücksspielanbieter zu hoch ansetzen.

Bereits die Grundsätze zur Prüfung, ob eine Strafbarkeit wegen Verbotsirrtums (§ 17 StGB) ausgeschlossen sind, sprechen gegen die Art und Weise der gerichtlichen Handhabung.

Der auf § 17 StGB (Verbotsirrtum) basierende Spruch „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ verdeutlicht, dass ein Täter nur dann ohne Schuld handelt, wenn dieser bei Begehung einer Tat nicht wusste, Unrecht zu tun, soweit dieser Irrtum nicht vermeidbar gewesen ist. Im Umkehrschluss schützt Unwissenheit nicht vor Strafe, soweit der Irrtum vermeidbar gewesen ist.

Der Verbotsirrtum nach § 17 StGB greift, wenn eine Person aufgrund eines Irrtums über das Vorliegen eines Verbots glaubt, dass ihr Verhalten erlaubt ist.

Der Irrtum muss unvermeidbar sein, das heißt, der Spieler konnte den Irrtum nicht vermeiden, obwohl er die gebotene Sorgfalt beachtet hat.

Und hier liegt der springende Punkt: In Bezug auf Glücksspiel in Deutschland war und ist es für jeden Spieler vermeidbar gewesen zu glauben, dass die Teilnahme am Glücksspiel ohne die erforderliche Erlaubnis nach deutschem Recht erlaubt sei.

Die Spieler werden in den AGB der Glücksspielanbieter vor der Registrierung darauf hingewiesen.

Dieses Argument wird von Anwälten der Spieler und von Gerichten, die eine spielerfreundliche Auslegung bevorzugen, oft mit dem Hinweis abgetan, dass sich „niemand die Allgemeinen Geschäftsbedingungen durchlese“. Diese Argumentation ist nicht nur äußerst fragwürdig, sondern sollte strikt abgelehnt werden. Wenn man diesen Gedanken weiterführt, könnte jeder legal Straftaten begehen, weil sich „niemand die Gesetze" durchliest. Diese Argumentation vernachlässigt die grundlegende Verantwortung eines jeden Individuums, die geltenden Gesetze und Regeln zu kennen und zu respektieren. Das Lesen und Verstehen der AGB ist ein wesentlicher Bestandteil des Vertragsabschlusses und der rechtlichen Verbindlichkeit. Es ist unzureichend, sich auf Unwissenheit oder mangelnde Bereitschaft zur Lektüre von Vertragsbedingungen zu berufen, um etwaige Verpflichtungen zu umgehen oder sich von rechtlichen Konsequenzen freizusprechen. Der Vergleich mit der Missachtung von Gesetzen verdeutlicht, dass das Argument der Nicht-Lektüre der AGB als Rechtfertigung für Rechtsverstöße nicht akzeptabel ist. Ein verantwortungsbewusstes und rechtschaffenes Verhalten erfordert, dass jeder Vertragspartner seine Pflichten kennt und beachtet, einschließlich der AGB.

Es besteht nach wie vor eine Kultur, in der der Gesetzgeber und die Gerichte dazu neigen, volljährige, geschäftsfähige und mündige Bürger und Bürgerinnen zu infantilisieren und als nicht vollständig handlungsfähig anzusehen.

Dieses Phänomen zeigt sich insbesondere im Bereich des Glücksspiels, wo Spieler oft als schutzbedürftig und nicht in der Lage angesehen werden, rationale Entscheidungen zu treffen. Dies führt dazu, dass der Gesetzgeber und einige Gerichte restriktive Maßnahmen ergreifen, um Spieler zu schützen, aber gleichzeitig ihre Entscheidungsfreiheit einschränken.

Es ist nicht nur wichtig, dass der Gesetzgeber und die Gerichte die Autonomie und die Fähigkeit der Bürger und Bürgerinnen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, respektieren. Volljährige und geschäftsfähige Personen sollten als eigenverantwortliche Individuen betrachtet werden, die in der Lage sind, die Konsequenzen ihres Handelns abzuwägen und für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich zu sein.

Es ist vielmehr notwendig, einen ausgewogenen Ansatz zu verfolgen, der den Schutz der Spieler berücksichtigt, aber gleichzeitig ihre Autonomie respektiert. Eine Überbetonung des Schutzes kann dazu führen, dass individuelle Freiheiten und Rechte vernachlässigt werden. Es ist daher von Bedeutung, die Balance zwischen Schutzmaßnahmen und der Wahrung der individuellen Verantwortung zu finden.

Es bleibt daher zu hoffen, dass dies beim Gesetzgeber und bei den Gerichten endlich ankommt und so auch tragfähige Entscheidungen getroffen werden, die das Ergebnis rechtsdogmatischer Gesetzesanwendung und keine Entscheidungen aus dem Bauch heraus darstellen.

Die Prozessbevollmächtigten der Glücksspiel-Unternehmen sind gefordert, substantiiert und ausführlich vorzutragen, um darzulegen, dass der klagende Spieler sich zumindest leichtfertig der Kenntnis über die Illegalität seines eigenen Handelns verschlossen hat. Es liegt in ihrer Verantwortung, die Argumente und Beweise zu präsentieren, die darauf hindeuten, dass der Spieler die illegale Natur seines Handelns hätte erkennen können oder müssen.

1) Dem Autor liegen zahlreiche Klageschriften vor.