Das Urteil Liga Portuguesa: 
Roma locuta? Deutschland wartet weiter

Rechtsanwalt Dr. Ronald Reichert
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sozietät Redeker Sellner Dahs
Willy-Brandt-Allee 11
D - 53113 Bonn
Der Europäische Gerichtshof hat heute das mit Spannung erwartete Urteil in Sachen Liga Portuguesa (C-42/07) gefasst. Die von manchen erhoffte Klärung der deutschen Rechtslage ist leider ausgeblieben. Deutschland wartet weiter.

Der Europäische Gerichtshof hat seine Entscheidung internet- und portugalspezifisch abgefasst. Abgestellt wird auf die in Portugal anders als in Deutschland in den Vordergrund gestellte Zielsetzung der Bekämpfung von Betrugsgefahren. Mit dieser war dort das Internetverbot für andere Anbieter begründet worden. Der EuGH sieht dies als gerechtfertigt an, weil die Behörden in Portugal die Qualitäten und Redlichkeit der Anbieter aus dem EU-Ausland zum Schutz ihrer Verbraucher vor Betragsgefahren ohne inländische Überprüfung nicht kontrollieren können. Außerdem sollen Glücksspiele über das Internet verglichen mit herkömmlichen Glücksspielmärkten wegen des fehlenden unmittelbaren Kontaktes zwischen Verbraucher und Anbieter erhöhte Betrugsgefahren bergen (Rn. 70). Zudem könne die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass es zur Manipulation des Ausgangs von Sportereignissen komme, wenn ein Anbieter zugleich den Sportsponsoren.

Die enorme Reserve, mit der ausgerechnet der Europäische Gerichtshof insoweit dem Internet begegnet, ist nach dem DocMorris-Urteil nicht mehr so überraschend, europapolitisch und gemeinschaftsrechtlich im Hinblick auf den unzweifelhaft einheitlichen Markt des Internets gleichwohl bedauerlich und auch inhaltlich nicht nachvollziehbar. Der Wirklichkeit des Internetangebotes gerade von bwin wird die Entscheidung schlechterdings nicht gerecht, dass nicht nur nicht anonym mit seinen Kunden arbeitet, sondern geradezu vorbildlich sich um Suchtprävention und Verbraucherschutz verdient macht.

Unabhängig davon führt jedenfalls für die deutsche Rechtslage das Urteil leider überhaupt nicht weiter:

1. Dem Versuch des Generalanwalts Yves Bot, private Glücksspielangebote schlechthin zu diskreditieren und die Kohärenzrechtsprechung zu relativieren, erteilt der EuGH eine deutliche Absage. Der EuGH hebt im Gegenteil unter Rn. 61 ausdrücklich hervor, dass die Beschränkungen gemessen an dem geltend gemachten Ziel kohärent und systematisch sein müssen. Interessanterweise beruft er sich dabei sogar auf das Hartlauer-Urteil vom 10. März diesen Jahres (C-169/07), das – anders als DocMorris – durch eine besonders hohe Prüfungsdichte gekennzeichnet ist.

2. Dass die Kohärenzfrage im Urteil dann nicht vertieft wird, liegt daran, dass in Portugal der Gesetzgeber sich auf die Beschränkungen der Kriminalitätsbekämpfung und Manipulationsgefahren berufen hat, und nicht, wie in Deutschland, auf die Suchtbekämpfung und ein Kohärenzproblem insoweit offenbar nicht aufgeworfen war.

3. Selbst für das deutsche Internetverbot bedeutet das Urteil keine Klärung. Das EuGH-Urteil setzt zwar die Bedenken fort, die auch schon im Bundesverfassungsgerichtsurteil gegen das Internetangebot vorgebracht werden. Anders als in Portugal ist in Deutschland aber das Internetverbot inkohärent geregelt. Private Anbieter sind hier im Pferdewettbereich und auch für die Online-Angebote der DDR-Anbieter weiterhin zugelassen. Die Ministerpräsidenten haben bei der Verabschiedung des Glücksspielstaatsvertrages im Hinblick auf mögliche Schadenersatzansprüche bewusst davon abgesehen, die DDR-Anbieter insoweit einem nachträglichen gesetzlichen Verbot zu unterwerfen.

4. Bemerkenswert sind die Aussagen des EuGH zu möglichen Gefahren, die daraus erwachsen, dass der Sportwettanbieter gleichzeitig für Sportveranstalter und Mannschaften als Sponsor auftritt. Zumindest für Fußballmannschaften der Ersten Liga dürften diese Annahmen der wirtschaftlichen Realität kaum gerecht werden. Das gilt um so mehr, als gerade die privaten Wettanbieter hochkomplexe internetgestützte Systeme zur Frühwarnung vor Wettmanipulationen verwenden, die Manipulationsversuche eines Anbieters leicht identifizierbar machen. Ein börsennotierter Anbieter wie bwin kann sich auch das kleinste Risiko dessen nicht leisten.
Für Deutschland viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass hier gerade Lotto bundesweit als Sportsponsor auftritt und gleichzeitig weiterhin Sportwettanbieter ist, so dass die Bedenken sich hier gleichermaßen stellen.

5. Der EuGH hält ausdrücklich an einer sorgfältigen Eignungs- und Erforderlichkeitsprüfung fest und beruft sich insoweit auf das Placanica- und Hartlauer-Urteil.

6. Ohne dass der EuGH dies offen ausspricht, könnte das Urteil als Relativierung der Nachweiserfordernisse des Mitgliedsstaates, wie sie aus dem Lidman-Urteil hervorgehen, verstanden werden.
Ob das Urteil damit überinterpretiert wird, muss leider offen bleiben. Gegen eine solche Absicht spricht immerhin, dass der EuGH es spricht nicht ausspricht und im Gegenteil ausdrücklich auf das Placanica-Urteil beruft, mit dem die Nachweiserfordernisse der Sache nach bestätigt wurden. Vor allem aber könnte der Grund dafür, dass der EuGH die Gefahrenprognose des Mitgliedsstaates im Falle Liga Portuguesa hat genügen lassen, eher darin liegen, dass Betrugs- und Manipulationsgefahren im Sportwett- und Lotteriebetrieb seit jeher gesehen wurden. Im Lotteriebetrieb geht dies sogar auf Jahrhunderte zurückliegende praktische Negativerfahrungen zurück. Leider wird die Frage, inwieweit tatsächlich der Monopolbetrieb diesen Gefahren besser begegnet, nicht aufgeworfen. Das mag damit zusammenhängen, dass es einen Hoyzer-Skandal in Portugal nicht gegeben hat, der gerade das Monopolangebot und nicht private Angebote betraf.

7. Schwer zu deuten sind die Aussagen zum Erlaubnisvorbehalt. Der EuGH hat von jeher die Zulässigkeit eines nationalen Erlaubnisvorbehaltes bekräftigt. Einer automatischen Anerkennung der EU-ausländischen Erlaubnis wird in Rn. 69 eine ausdrückliche Absage erteilt. Im Gambelli- und Placanica-Urteil war die Frage der Wirksamkeit des Erlaubnisvorbehaltes zumindest in ihren strafrechtlichen Auswirkungen jedoch an die Zulässigkeit des Monopols geknüpft worden. Von daher hätte der EuGH folgerichtig nach bisheriger Rechtsprechung eigentlich der Vereinbarkeit des portugiesischen Monopols mit dem Gemeinschaftsrecht weiter nachgehen müssen, weil das Vorlagegericht die Frage der Vereinbarkeit des Monopols mit zur Vorlagefrage gemacht hat. Eine Klärung der Frage werden insoweit die deutschen Vorlagefragen bringen, die u. a. auch die Frage der Reichweite der Anerkennung EU-ausländischer Erlaubnisse aufgeworfen haben.