Verwaltungsgericht Minden: Sportwettrechtliche Untersagungsverfügungen, die vor dem 28.03.2006 erlassen wurden, sind rechtswidrig (Beschluss vom 07.02.2008 – 3 K 2433/02)

Rechtsanwalt Guido Bongers

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
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Das Verwaltungsgericht Minden hat mit einem weiteren Beschluss vom 07.02.2008 eine Kostenentscheidung in einem von beiden Seiten für erledigt erklärten Verfahren erlassen.

In diesem Verfahren war die Tätigkeit seitens des Vermittlers von Sportwetten vor dem 28.03.2006 bereits eingestellt worden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kostenentscheidung sei der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, also der Betriebsschließung, die hier unstreitig vor März 2006 erfolgt war. Unter ausdrücklichem Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.11.2007 – 1 BvR 2218/06 – macht das Verwaltungsgericht deutlich, dass alle sportwettrechtlichen Untersagungsverfügungen, die vor dem 28.03.2006 erlassen worden sind, wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG rechtswidrig sind. Da der Betrieb des Klägers im vorliegenden Fall auch vor dem 28.03.2006 geschlossen wurde, stelle sich die Frage nicht, ob ein solcher Verwaltungsakt später rechtmäßig geworden sein könnte.

Mit dieser Entscheidung macht das Verwaltungsgericht Minden nochmals deutlich, was das Bundesverfassungsgericht bereits mit seinem Beschluss vom 22.11.2007 zum Ausdruck gebracht hat. Hiernach hatte das Bundesverfassungsgericht nämlich klar und unmissverständlich festgestellt, dass vor dem 28.03.2006 die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts im dortigen Urteil vom 28.03.2006 noch gar nicht umgesetzt sein konnten und folgerichtig alle ordnungsbehördlichen Maßnahmen, die zuvor erlassen wurden, rechtswidrig waren.

Das Bundesverfassungsgericht hat damit insbesondere klargestellt, dass sich aus dem Urteil vom 28.03.2006 und der dort dargestellten Übergangsregelung gerade nicht ergäbe, dass auch schon vor diesem Zeitpunkt ein Eingreifen in die Rechte der betroffenen Sportwettvermittlungsagenturen möglich war.

Mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die in öffentlichen Presseerklärungen teilweise fehlerhaft ausgelegt worden war, ist endgültig festgestellt, dass in hunderten von Untersagungsverfahren, die in den Jahren 2001 – März 2006 geführt wurden, ordnungsbehördliche und strafrechtliche Sanktionen in rechtswidriger Form erfolgt waren und Sportwettveranstalter aus dem europäischen Ausland, sowie Sportwettvermittlungsagenturen in Deutschland ihre Tätigkeit – unbestreitbar – jedenfalls bis zum 28.03.2006 ausüben durften.

In gleicher Weise hat dies nunmehr auch der Wettbewerbssenat des Bundesgerichtshofes mit seiner aktuellen Entscheidung vom 14.02.2008 bestätigt.

Dies wird im Übrigen nach Einschätzung des Unterzeichners auch dazu führen, dass alle Schließungen von Betriebsstätten oder Werbeverbote, die zum damaligen Zeitpunkt vollstreckt wurden, rechtswidrig waren, sodass den Betroffenen auch Schadenersatzansprüche – jedenfalls für diesen Zeitraum – zustehen könnten. Gerade für das Land NRW, in dem ein verschuldensunabhängige Haftung (vgl. § 39 OBG) besteht, dürfte dies noch zur Folge haben, dass hier weitere Schadenersatzansprüche für damalig zu Unrecht erfolgte Eingriffe in die Rechte der Anbieter und ihrer Vertragspartner geltend gemacht werden.

Als weitere, persönliche Anmerkung des Unterzeichners sei der Hinweis erlaubt, dass sich nichts anderes für den Übergangszeitraum oder auch für den Zeitraum ab dem 01.01.2008 ergeben wird, da weder in der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Übergangszeit ein europarechtskonformer Rechts- und Gesetzeszustand bestanden hat, noch ein solcher mit Schaffung des neuen Glücksspielstaatsvertrages erfolgt ist. Die Öffentlichkeit, aber auch die verantwortliche Behördenmitarbeiter sollten sich insgesamt einmal verdeutlichen, dass in den Jahren 2001 bis März 2006 (vorsichtig geschätzt) mehr als 1000 Untersagungsverfahren und ähnlich viele Strafverfahren gegen Sportwettvermittler und Sportwettveranstalter eingeleitet wurden, die sich nach der nunmehr bestätigten, höchst richterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und einem bereits zuvor ergangenen Urteil des BGH in Strafsachen sowie der jetzt ergangenen Entscheidung des Wettbewerbssenats des BGH sämtlichst als unzulässig erwiesen haben.

Betrachtet man die unnötigerweise aufgewandten Verwaltungskosten für die Bearbeitung dieser Verfahren durch hunderte von Ordnungsbehörden und Staatsanwaltschaften bundesweit, so hätte dieses Geld besser gleich wohltätigen Organisationen oder der Sportförderung zufließen können.