Keine Mehrwertsteuer bei Spielbanken (und deshalb keine Mehrwertsteuer bei Spielhallen)

Zum Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14.07.2016, V B 17/16

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein

Mit Beschluss vom 14.07.2016 hat der fünfte Senat beim Bundesfinanzhof die Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein unrichtiges Urteil des Finanzgerichts Hamburg zur Mehrwertsteuer für Spielhallen zurückgewiesen. Der BFH meint, der Spielhallenbetreiber könne sich nicht mit dem Argument, dass die staatlich konzessionierten Spielbanken gesetzlich von der Mehrwertsteuer befreit sind, auf die in Artikel 135 Abs. 1 Buchstabe i der MWSt-Richtlinie geregelte Befreiung des Glücksspiels von der Mehrwertsteuer berufen.

Das ist nicht vertretbar. Bis heute besteht dieselbe Situation, die Gegenstand der EuGH-Entscheidung Linneweber (C-453/02) aus 2005 gewesen ist, in deren Folge der fünfte Senat beim BFH durch Urteil vom 12.05.2005 (V R 7/02) klargestellt hat, dass sich ein Automatenaufsteller auf Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der MWSt-Richtlinie berufen kann.

Die staatlich konzessionierten Spielbanken sind nämlich auch heute gesetzlich von der Mehrwertsteuerpflicht befreit. Deshalb können sich ihre Wettbewerber, namentlich die Automatenaufsteller und die Online-Casinos, mit Blick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer nach Artikel 135 Buchst. i der MWSt-Richtlinie berufen.

Staatlich konzessionierte Spielbanken sind durch § 6 Abs. 1 der (Reichs-)Verordnung über öffentliche Spielbanken 1938 von der Mehrwertsteuer befreit. Die Norm hat – gutachterlich bestätigt durch den BFH und das Bundesverfassungsgericht – die Qualität von Bundesrecht. Deshalb hat noch nie eine staatlich konzessionierte Spielbank Mehrwertsteuer abgeführt. Als Konsequenz daraus können sich auch Spielhallenbetreiber und Anbieter von online-Casino in Deutschland auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer nach der EU-Richtlinie berufen.

Der fünfte Senat beim BFH (in seiner gegenüber 2005 geänderten Besetzung) vermeidet diese Konsequenz, indem er die Revision nicht zulässt. Seine Begründung indes bleibt unvertretbar. Der BFH behauptet, die 1967 in das Umsatzsteuergesetz aufgenommene Befreiung der Spielbanken von der Mehrwertsteuer habe die in § 6 Abs. 1 der – als Bundesrecht fortgeltenden – (Reichs-)Verordnung über Spielbanken „als junges und spezielles Gesetz verdrängt“.

Dabei missachtet der BFH, dass eine „Verdrängung“ eine Kollision voraussetzt. Keine Kollision, keine Verdrängung. So ist es bei der Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Spielbanken.

Von 1967 bis 2006 befreiten sowohl das allgemeine Umsatzsteuergesetz als auch das spezielle Recht der Spielbanken in der (Reichs-)Verordnung die staatlich konzessionierten Spielbanken von der Mehrwertsteuer. Beide Normen mit der Qualität von Bundesrecht waren inhaltlich identisch. Daher konnte es denknotwendig nicht zu einer Verdrängung kommen.

Die im Jahre 2006 erfolgte Rücknahme der Befreiung der Spielbanken von der Mehrwertsteuer im Umsatzsteuergesetz führte ebenfalls zu keiner Verdrängung des § 6 Abs. 1 der (Reichs-)Verordnung. Vielmehr verdrängt seitdem die Befreiung von der Mehrwertsteuer als spezielles Recht der Besteuerung der Spielbanken in der (Reichs-)Verordnung die allgemeine Regelung der Mehrwertsteuer in § 1 UStG (“lex specialis derogat legi generali“).

Folglich sind staatlich konzessionierte Spielbanken durch Bundesrecht, welches seinen Ursprung in einer Reichsverordnung von 1938 hat, bis heute von der Mehrwertsteuer befreit. Die Befreiung der Spielbanken von der Mehrwertsteuer wiederum führt i.V.m. dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zu der Option, dass sich Spielhallenbetreiber und Anbieter von online-Casino auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer für Glücksspiele entsprechend der Grundsätze der EuGH-Entscheidung Linneweber und der BFH-Entscheidung vom 12.05.2005 berufen können. Wenn sie die Befreiung von der Mehrwertsteuer gegenüber der Vorsteuerabzugsfähigkeit bevorzugen, sollten Sie diese Option wahrnehmen.

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