Die Stadt Köln hatte einem Wettvermittler, der über einen Wettterminal Sportwetten an ein ausländisches Unternehmen vermittelte, die sogenannte Nullstands- bzw. Restzeitwette untersagt und argumentiert, dass es sich nach dortiger Auffassung um eine angeblich unzulässige Ereigniswette handele.
Der Antragsteller hatte gegen diese Verfügung Klage erhoben und einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht Köln gestellt. Das Verwaltungsgericht Köln hatte diesen Eilantrag zunächst abgewiesen. Auf die für den Mandanten erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht Münster nunmehr den Beschluss abgeändert und dem Eilantrag in vollem Umfange stattgegeben. Der Mandant kann also diese Wettarten auch weiterhin anbieten.
Das Gericht vertritt die Auffassung, dass sich die Untersagungsverfügung der Stadt Köln bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweise und im Übrigen auch kein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses bestehe.
Dabei stellt es zunächst zutreffend darauf ab, dass die Stadt Köln ihre Entscheidung nicht ermessensfehlerfrei getroffen habe. Sie habe die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten. So hatte die Stadt Köln argumentiert, dass die vom Antragsteller angebotenen sogenannten Nullstandswetten als Live-Wetten schon nicht erlaubnisfähig seien. Die fehlende Erlaubnisfähigkeit des Wettangebotes allein könne die zuständige staatliche Stelle dem Antragsteller ohne Verstoß gegen Art. 56 AEUV aber nicht entgegen halten, solange der Wettanbieter die erforderliche Erlaubnis nur theoretisch erhalten könne, weil das europarechtswidrige Sportwettenmonopol in tatsächlicher Hinsicht unverändert fortbestehe.
Insofern stellt das Oberverwaltungsgericht nicht nur die derzeitige Gemeinschaftswidrigkeit des nach wie vor bestehenden Sportwettenmonopols trotz des laufenden und bis heute nicht abgeschlossenen Sportwettkonzessionsverfahrens fest, sondern es macht auch deutlich, dass eine Behörde nicht allein auf die fehlende Erlaubnisfähigkeit eines Wettangebotes abstellen kann ohne zu berücksichtigen, dass derzeit ein europarechtswidriges Sportwettenmonopol besteht und die Vergabe der Sportwettkonzession bis heute zu Gunsten der Wettveranstalter noch immer nicht abgeschlossen ist.
Das Gericht weist weiter darauf hin, dass eine Wettvermittlungstätigkeit allenfalls noch aus monopolunabhängigen Gründen materiell rechtlich nicht zulässig sein könnte. Auch in diesem Zusammenhang kommt das Gericht aber zu dem Ergebnis, dass derzeit eine kohärente Verwaltungspraxis nicht im Ansatz erkennbar sei, so dass die entsprechenden Ausführungen der Behörde ermessensfehlerhaft seien. So hebt das Gericht hervor, dass auch eine vermeintlich monopolunabhängige Regelung mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sein müsse. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn sie mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar sei, wenn sie desweiteren aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sei und schließlich die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels auch gewährleistet werde, wobei die Regelung schließlich auch verhältnismäßig und erforderlich sein müsse.
Dabei stellt das Oberverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erneut auf den Gesichtspunkt der „Kohärenz“ ab. So fordert der EuGH nach zutreffender Auffassung des Senats, dass verschiedene zuständige Behörden bei der Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten sich untereinander koordinieren müssen. Es führe hierbei aber zu einer sog. Inkohärenz – und zwar unabhängig von unterschiedlichen innerstaatlichen Zuständigkeiten – wenn bestimmte Tätigkeiten strukturell geduldet würden, was wiederum zur Folge habe, dass die in Rede stehende Regel zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen könne und damit die Eignung zur Zielerreichung schlichtweg aufgehoben werden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn ein Umsetzungsdefizit bereits in der Norm angelegt sei oder jedenfalls einen Verstoß gegen Vorschriften zuständigkeitsübergreifend nicht konsequent geahndet und unterbunden werde, was zu einem strukturellen Vollzugsdefizit führe.
Die Ermessensausübungen der Stadt Köln ließen nicht erkennen, so das Gericht zutreffender Weise, dass die angefochtene Entscheidung Teil einer den Kohärenzanforderungen genügenden Vollzugspraxis zur Durchsetzung des Verbots von Ereigniswetten darstelle, soweit torbezogene Wetten betroffen seien.
Das Oberverwaltungsgericht führt weiter aus, dass die aktuelle, tatsächliche Situation des Sportwettenmarktes in keiner Weise der Konzeption des Glücksspielstaatsvertrages eines experimentellen, regulierten Angebots einer beschränkten Zahl privater konzessionierter Wettanbieter in erlaubten Wettannahmestellen entspreche. Der Sportwettenmarkt stelle sich als unregulierter Markt des freien Wettbewerbs dar ohne dass ein Ende dieses Zustandes auch nur im Ansatz absehbar wäre.
So war diesseits vorgetragen worden, dass sog. Nullstandswetten derzeit nicht nur bei jedem Internet-Anbieter, sondern auch in 10.000 bis 15.000 Wettvermittlungsstellen bundesweit unbeanstandet angeboten würden. Dies, so dass Oberverwaltungsgericht Münster, sei nicht wiederlegt worden, wobei selbst die Lotterie-Unternehmen und auch die Deutsche Telekom über eine von ihr betriebene Sportgesellschaft unbeanstandet verschiedene Ereigniswetten als Live-Wetten anbieten würden.
Auch gemäß den Leitlinien zum Vollzug im Bereich Sportwetten, die während des laufenden Konzessionsverfahrens von Seiten der obersten Landesbehörde an verschiedene Wettveranstalter per E-Mail übersandt worden seien, ergebe sich gerade nicht, dass solche Wettangebote unzulässig seien. Nach dem Inhalt einer email des Innenministeriums in Hessen im Auftrag der obersten Landesbehörden vom 28.01.2016 wird nämlich selbst seitens dieser obersten Landesbehörden ausgeführt, dass wesentlich für die Abgrenzung unzulässiger Ereigniswetten von zulässigen Ergebniswetten der sogenannte Ergebniszusammenhang bzw. die Ergebnisbezogenheit sei. Aus unserer Sicht ist im Hinblick auf diese sogenannte Ergebnisbezogenheit bzw. aus dem Ergebniszusammenhang anzunehmen, dass auch Wettarten wie „Über/Unter“, die Handicap-Wette oder eben auch die Nullstandswette einen Ergebniszusammenhang aufweisen und daher nicht zu beanstanden sind. Das Gericht tritt dieser Einschätzung nicht entgegen und verweist darauf, dass auch die Stadt Köln keine zutreffenden Argumente gegen diese Einschätzung vorgebracht hat. Das Gericht macht ferner deutlich, dass derzeit eine offensichtliche Unklarheit bezogen auf derartige Wettarten bestehe, der Ergebnisbezug in solchen Fällen umstritten ist und dies umso mehr deutlich mache, dass man gegen solche Wettangebote ohnehin nur einschreiten könnte, wenn ein zuständigkeitsübergreifender, konsistenter Vollzug in diesem Bereich bestehe. Dieser sei aber gerade nicht gegeben. Schließlich greift das Gericht auch die diesseits dargelegte Argumentation auf, dass erschwerend hinzukomme, dass es derzeit entgegen der Konzeption des Glücksspielstaatsvertrages noch keine Inhalts- und Nebenbestimmungen gebe, die für die Wettveranstalter und Wettvermittler die Art und den Zuschnitt der zulässigen Sportwetten im Einzelnen verbindlich regeln würden. Abschliessend verweist das Gericht auch darauf, dass diesseits dezidiert und umfassend vorgetragen worden ist, dass im Bereich der Sportwettveranstaltung und Sportwettvermittlung im Internet derzeit keine Behörde gegen derartige Wettangebote vorgeht. So führt das Gericht in diesem Zusammenhang aus:
„In Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Angaben der Prozess-bevollmächtigten des Antragstellers hatte im Übrigen ausweislich eines entsprechenden Telefonvermerks im Verwaltungsvorgang die Bezirksregierung Düsseldorf mitgeteilt, dass keine Maßnahmen gegen unzulässige Ereigniswetten ergriffen würden …….“
Insofern wurden die diesseits sehr konkreten Darstellungen auch in diesem Punkt bestätigt.
Insgesamt verweist der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster, der seit vielen Jahren für die glücksspielrechtlichen Verfahren in Nordrhein-Westfalen zuständig ist, darauf, dass auch angesichts weniger Einzelfallentscheidungen anderer Gerichte offensichtlich werde, das erheblichste Unsicherheiten bei der Einordnung bestimmter Sportwettformen bestehen und selbst einzelne Vollzugsbemühungen weniger Einzelbehörden schon quantitativ nicht die praktisch flächendeckende Verfügbarkeit der hier in Rede stehenden Wettarten ausschließe.
Nach alledem hatte der Eilantrag zu Recht Erfolg. Der Beschluss ist unanfechtbar.