Der Bankrott deutscher Glücksspielpolitik

Ein Kommentar von Boris Hoeller

Welch‘ eine Ohrfeige für Deutschland und die Drahtzieher seiner Glücksspielpolitik. Am Tag nach dem EuGH-Urteil sollte es eigentlich richtig losgehen. Man erwartete sehnlichst den Segen aus Luxemburg für die eigene Monopolpolitik. Deutschland sollte gesäubert werden, wenn der letzte Zweifel dann beseitigt ist. Die Waffen waren schon poliert und geschmiert, Auftakt zur entscheidenden Schlacht, mit der den „Illegalen“ der Lebensnerv genommen werden soll. Und dann das. Die letzten politischen Samurai und Verteidiger deutscher Lotto-Fürstentümer schauen jetzt mit einem anderem Blick auf ihre Schwerter. Der 8. September 2010, Luxemburg, Europäischer Gerichtshof, der Scherbenhaufen.

Der Weg zum 8. September 2010 ist gepflastert mit vielen Gedenksteinen. Der Paladin deutscher Glücksspielmonopolpolitik, der Präsident der Staatlichen Verwaltung Erwin Horak hat daran seinen Anteil. Der Kampf gegen die „Illegalen“ war seine Sache und sein Wirken. Doch der Stern leuchtet nicht mehr, am Tag des Urteils der Offenbarungseid: „Wir vertrauen auf die Politik in Bund und Ländern, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, damit das in Deutschland bewährte Staatsvertragsmodell Bestand haben wird“ heißt es in einer Pressemitteilung des Deutschen Lotto und Totoblocks als Reaktion auf das Urteil. Die Politik in Bund und Ländern müsse „nun Maßnahmen gegen suchtgefährdendes Automatenspiel ergreifen“.

Jetzt? Jetzt erst? Horak, dessen staatliche Lotterieverwaltung, unlängst zu einem massiven Ordnungsgeld wegen zahlreicher Verstöße gegen eine gerichtliche Untersagung herangezogen wurde und vielfach wegen Werbeverstößen verurteilt ist, als Ratgeber für künftige Glücksspielpolitik? Wie belastbar diese „Mir san mir“ Benimmart noch aufgefasst wird, muss sich zeigen.

Doch Horak irrt, wenn er glaubt, die nun ersehnte Allianz reiche aus, um sein Monopol zu halten. Dann müsste Werbung für öffentliches Glücksspiel auch tatsächlich nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher zu fördern, etwa dadurch, dass sie zu einer aktiven Teilnahme am Spiel angeregt werden, durch dessen Verharmlosung oder Verleihung eines positiven Images. Eine solche Gestaltung der Werbung, wie sie eigentlich nach dem Gesetz auch gefordert ist, ist bislang nicht gelungen, wie zahlreiche Gerichtsentscheidungen belegen. So bezeichnet der Europäische Gerichtshof ausdrücklich Werbung für öffentliches Glücksspiel eindeutig für unzulässig, bei der darauf verwiesen wird, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden. Die deutschen Glücksspielaufsichten haben die Lottogesellschaften durch ihre Werberichtlinien zu so einem rechtswidrigen Verhalten jahrelang ermuntert, indem sie diese Werbung als zulässig dargestellt haben. Auch viele Gerichte werden ihr verständnisvolle Haltung für das staatliche Werbeverhalten zu überdenken haben.

Es ist an der Zeit für eine Entschuldigung. Nicht nur von Horak, sondern auch von einer Vielzahl von Beamten und Richtern in Deutschland, die einer blinden Staatsräson uneinsichtig folgend einen Flurschaden angerichtet haben, der viele Existenzen beschädigt und vernichtet, Staat und Gesellschaft Milliarden gekostet hat und auch noch kosten wird.

Für die politische Führung war Lotto immer eine Brieftasche, mit der man am Staatshaushalt vorbei das Tagesgeschehen gestalten konnte. Wenn das Staatssäckl‘ nicht reicht, wird’s aus Lottomitteln gerichtet. Aber dazu bedarf es eines Monopols. Also machen wir ein Monopol, war die Devise. Doch diese „Macher“ sind jetzt gescheitert. Die Sucht des Staats nach den Einnahmen aus dem Glücksspiel ist nicht mehr zu kaschieren hinter vermeintlichen „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“. Der Staat darf nicht selbst den anreizenden „Dealer“ spielen. Der Europäische Gerichtshof hat dies in noch diplomatischer Art und Weise, aber letztlich unmissverständlich zum Ausdruck gebracht und politischer Scheinheiligkeit und Heuchelei Grenzen gesetzt.

Vor dem Spiel ist nach dem Spiel, wird man sich sagen. Auf wir sind „too big to fail“ wird man hoffen und die Windmühlen werden sich noch drehen – irgendwie. Doch der 8. September 2010 wird immer in Erinnerung bleiben, zu stark war der Schlag.

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