Digitale Spiele gehören längst zum Alltag der jungen Generation: Laut JIM-Studie 2024 spielen 73 Prozent der 12- bis 19-Jährigen täglich oder mehrmals pro Woche. Im Schnitt verbringen Jugendliche werktags rund 91 Minuten mit Gaming. Vor diesem Hintergrund warnt ein Gutachten der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) bereits seit 2023 vor dem wachsenden Einfluss glücksspielähnlicher Elemente in digitalen Spielen – insbesondere kostenpflichtige Lootboxen gelten als besonders riskant.
Kritik an Lootboxen: Suchtpotenzial im Fokus
Lootboxen basieren auf zufallsbasierten Kaufmechanismen, deren Inhalte vor dem Erwerb nicht bekannt sind. Häufig wird dafür eine virtuelle In-Game-Währung genutzt, die zuvor mit echtem Geld gekauft werden muss. Die Mechanik fördert aus psychologischer Sicht belohnungsorientierte Verhaltensmuster, die laut Experten Suchtrisiken verstärken können.
Der Bundesrat sieht im aktuellen Rechtsrahmen deutliche Lücken. Zwar ist Glücksspiel in Deutschland erst ab 18 Jahren erlaubt, doch viele videogamebasierte Mechanismen fallen nicht eindeutig unter die Glücksspieldefinition des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV 2021). Insbesondere der Wert virtueller Gegenstände ist juristisch umstritten. Daher fordert das Gremium eine klare rechtliche Definition für jugendschutzrelevante Risiken solcher Mechanismen.
Bundesrat fordert neue Regeln – Bundesregierung soll handeln
In seiner Entschließung bittet der Bundesrat die Bundesregierung, umfangreiche regulatorische Maßnahmen zu prüfen:
1. Reglementierung nicht-klassischer Glücksspielmechanismen
Auch wenn Lootboxen nicht zwingend als Glücksspiel eingestuft werden, sollen sie im Jugend- und Gesundheitsschutz strenger reguliert werden.
2. Altersverifikation ab 18 Jahren für Spiele mit Lootboxen
Die Empfehlung der EU-Kommission vom 14. Juli 2025 sieht einen besonderen Schutz Minderjähriger vor. Der Bundesrat fordert die Prüfung der Umsetzbarkeit einer verpflichtenden Altersverifikation ab 18 Jahren.
3. Transparenzpflichten für Anbieter
- Spielentwickler sollen künftig verpflichtet werden,
- Inhalte und Gewinnwahrscheinlichkeiten offenzulegen,
- Ausgabenbegrenzungen (z. B. Pay-to-Win-Kontrollen) zu integrieren,
- Warnhinweise zu implementieren – vergleichbar mit Glücksspielwerbung.
4. Erweiterung der nationalen Gesundheitsziele
Der digitale Raum soll als eigener Bereich im Gesundheitsschutz verankert werden.
5. Ausbau der Aufklärungsangebote des BIÖG
Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit soll zielgruppengerechte Materialien für Jugendliche entwickeln – idealerweise unter Beteiligung der Betroffenen.
6. Initiative auf EU-Ebene für den Digital Fairness Act
Deutschland soll sich für eine europaweite Regulierung glücksspielähnlicher und anderer unfairer Spielemechaniken einsetzen, einschließlich
- Pay-to-Win Modelle,
- Pay-to-Progress Modelle,
- es soll eine verpflichtende Kostentransparenz geben,
- sowie eine Angabe von Gewinnwahrscheinlichkeiten.
Bereits mit der Novellierung des Jugendschutzgesetzes 2021 wurden Mikrotransaktionen und In-Game-Risiken in Altersbewertungen berücksichtigt. Doch Kennzeichnungspflichten, technische Schutzmechanismen und der Rechtsrahmen für virtuelle Währungen gelten weiterhin als unzureichend.
Der Bundesrat betont, dass Kinder und Jugendliche besonders anfällig für manipulative Designs („Dark Patterns“) sind und digitale Spiele in belastenden Lebensphasen als dysfunktionaler Bewältigungsmechanismus genutzt werden können – ein Risikofaktor für die Entwicklung von Glücksspielproblemen.
Ausblick
Die Bundesregierung muss nun prüfen, ob und wie die geforderten Maßnahmen gesetzlich umgesetzt werden können. Entsprechende Änderungen im Jugendschutz- und Glücksspielrecht könnten weitreichende Folgen für die Gaming-Industrie haben – insbesondere im Bereich Monetarisierung und Game-Design.
Mit der Entschließung setzt der Bundesrat ein deutliches Signal: Jugendschutz im digitalen Raum soll konsequenter und rechtlich klarer ausgestaltet werden.