OLG Naumburg weist Hauptsacheklage des GIG als rechtsmissbräuchlich ab

Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Markus Ruttig

Das Oberlandesgericht Naumburg hat durch Urteil vom 18.06.2010 (Az. 10 U 61/09.Hs) als erstes Oberlandesgericht in einer Hauptsache entschieden, dass der GIG – Verband der Gewerbetreibenden im Glücksspielwesen e. V., seine Verbandsklagebefugnis rechtsmissbräuchlich handhabt, in dem er wettbewerbsrechtliche Verfahren ausschließlich gegen Nicht-Mitglieder betreibt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Rechtskräftig ist demgegenüber die wenige Tage später ergangene Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 23.06.2010 in einem vom GIG angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren (Az. 1 U 365/09-91). Auch das Saarländische Oberlandesgericht hält das Vorgehen des GIG für rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG.

Ausgangspunkt für die Frage, ob ein Rechtsmissbrauch im Sinne der Norm vorliegt, ist für das OLG Naumburg, ob unter „Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls“ die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche durch einen Verband missbräuchlich ist. Das OLG Naumburg sieht die an einen Missbrauch geknüpften Tatbestandsvoraussetzungen vorliegend als gegeben an und begründet dies zum einen damit, dass der Kläger „bis auf anfänglich 4 Verfahren gegen ausschließlich privatrechtlich strukturierte Wettbewerber nunmehr in über 100 Fällen ausschließlich gegen die satzungsgemäß von seiner Interessenwahrnehmung ausgeschlossenen ‚juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind“ vorgeht.

Als für einen mit der Lauterkeit des Wettbewerbs verpflichteten Verband ist es nach Auffassung des Naumburger Wettbewerbssenats insbesondere untypisch, die Landeslotteriegesellschaften als „den natürlichen Gegner“ des Verbandes zu bezeichnen und, so der Senat in seiner Entscheidung den Kläger wörtlich zitierend, es dem Kläger „nichts bringe“, gegen privatrechtliche Konkurrenten im oben dargestellten engeren Sinne vorzugehen.

1.Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg erkennt außerdem, dass der Bundesgerichtshof im Urteil vom 23. Januar 1997, Az. I ZR 29/94 – Produktwerbung, es als unzulässig ansieht, wenn ein Verband das unlautere Handeln seiner Mitglieder „planmäßig duldet“. Ein planmäßiges Dulden der Verstöße der eigenen Mitglieder könne vor allem dann zum Rechtsmissbrauch führen, wenn es aus sachfremden Erwägungen, also nicht aus Gründen des Lauterkeitsschutzes, erfolge. Das Oberlandesgericht Naumburg kommt daher – anders als etwa das OLG Frankfurt a. M. in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – zu dem Ergebnis:

„Diese Kombination der Verhaltensweise des Klägers dient damit weder dem freien Wettbewerb noch der Allgemeinheit im Sinne des § 1 UWG, sie führt vielmehr im Gegenteil zu einer einseitigen Wettbewerbsverzerrung zu Lasten aller Nicht-Mitglieder des Klägers, weil sich allein diese – ob zu Recht oder zu Unrecht – auf Abmahnungen und Wettbewerbsrechtsstreitigkeiten einstellen müssen, während die Mitglieder des Klägers weitgehend, jedenfalls von diesem unbehelligt ihren Geschäften nachgehen können.“ (Hervorhebung diesseits)

Auch die Tragweite des Verhaltens der im GIG versammelten Unternehmen beurteilt das OLG Naumburg kritisch, wenn es heißt:

„Ist das derzeitige nur erlaubnispflichtige Veranstalten von Glücksspielen zulässig, wovon der Senat wie ausgeführt ausgeht, würde im Ergebnis bei einer weiteren Duldung des Verhaltens des Klägers bzw. – was dem im Streitfall gleichsteht – seiner im Internet auftretenden Verbandsmitglieder auch dem unter den strafrechtlichen Schutz des § 284 StGB gestellten unerlaubten Veranstalten von Glücksspielen Vorschub geleistet. Auch diese praktische Erwägung ist als weiteres Ergebnis im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 8 Abs. 4 UWG nicht hinzunehmen.“

In naher Zukunft werden sich weitere Oberlandesgerichte, darunter das OLG Hamburg, das OLG Schleswig, das OLG Hamm, das OLG Bremen und auch das OLG München zur Frage der diskriminierenden Störerauswahl eines Wettbewerbsverbandes äußern. Nachdem das OLG Naumburg die Revision zugelassen hat, ist mit einer endgültigen Klärung der Frage aber erst durch den BGH zu rechnen. Dieser hat dann Gelegenheit, die insbesondere in der Entscheidung Produktwerbung obiter dicta aufgestellten Anforderungen an den Rechtsmissbrauch zu konkretisieren.

Kontakt:
Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner

Rechtsanwalt Dr. Markus Ruttig
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Bismarckstraße 11-13
D-50672 Köln
Fon +49.221.951 90-86
Fax +49.221.951 90-96
E-Mail: m.ruttig@cbh.de
Internet: www.cbh.de