Ein Artikel von Carsten Bringmann und Stefan Cesar, Noerr Partnergesellschaft mbB
Mittlerweile sind knapp drei Jahre vergangen, seitdem der Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücks- spielstaatsvertrag 2021 – „GlüStV 2021“) am 1. Juli 2021 in Kraft getreten ist. Eine wesentliche Neuerung des GlüStV 2021 gegenüber der vorherigen Rechtslage besteht darin, dass er die Legalisierung von Online-Casinospielen ermöglicht.1 Bislang hat nur knapp die Hälfte der Bundesländer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Warum ein flächendeckendes Angebot von Online-Casinospielen noch aussteht, soll in diesem Beitrag untersucht werden. Dazu wird zunächst der staatsvertragliche Regulierungsrahmen für Online-Casinospiele skizziert (hierzu unter Ziffer 1). In einem zweiten Schritt werden sodann die bisherigen landesrechtlichen Umsetzungen der Legalisierung von Online-Casinospielen dargestellt (hierzu unter Ziffer 2). Abschließend soll auf die praktischen Umsetzungsschwierigkeiten der Länder eingegangen werden, bevor ein Ausblick auf die Zukunft des Online-Casinospielmarkts gegeben wird (hierzu unter Ziffer 3).
1. Rahmenbedingungen für die Regulierung von Online-Casinospielen nach dem GlüStV 2021
Gemäß der Legaldefinition in § 3 Abs. 1a Satz 2 GlüStV 2021 sind Online-Casinospiele virtuelle Nachbildungen von Bankhalterspielen und Live-Übertragungen eines terrestrisch durchgeführten Bankhalterspiels mit Teilnahmemöglichkeiten über das Internet. Als Bankhalterspiele werden wiederum Spiele bezeichnet, bei denen eine Partei, namentlich die Spielbank, durch die Spielregeln bevorzugt wird, sodass die Gegenspieler auf lange Sicht mit Sicherheit verlieren.2 Online-Casinospiele in diesem Sinne sind insbesondere nicht mit – ebenfalls im GlüStV 2021 seit 1. Juli 2021 neu regulierten – virtuellen Automatenspielen zu verwechseln, die im alltäglichen Sprachgebrauch und teilweise auch in der Presse ebenfalls oft pauschal und oberbegriffsartig als „Online-Casinos“ bezeichnet werden. Virtuelle Automatenspiele im Sinne des Staatsvertrags sind gemäß § 3 Abs. 1a Satz 1 GlüStV 2021 im Internet angebotene Nachbildungen terrestrischer Automatenspiele. Die Erteilung von Erlaubnissen solcher virtueller Automatenspiele ist – anders als bei Online-Casinospielen im engeren Sinne, die dieser Beitrag näher beleuchten soll – bereits auf Grundlage des GlüStV 2021 bundesweit geregelt.3 Einer landesrechtlichen Umsetzung bzw. Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Erteilung von Erlaubnissen für virtuelle Automatenspielangebote bedarf es daher nicht. Gegenstand dieses Beitrags sind im Nachfolgenden vor diesem Hintergrund allein Online-Casinospiele gemäß § 3 Abs. 1a Satz 2 GlüStV 2021.
Im Bereich von Online-Casinospielen in diesem Sinne räumt § 22c Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 den Ländern die Möglichkeit ein, Online-Casinospiele auf landesgesetzlicher Grundlage für ihr Territorium zu erlauben. Dabei stehen den Ländern grundsätzlich zwei verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung: Die Länder können vorsehen, dass sie selbst oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine privatrechtliche Gesellschaft, an der juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, Online-Casinospiele für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet veranstalten. Hierdurch würde ein staatliches Veranstaltungsmonopol, vergleichbar dem Monopol im Rahmen der Lotterieveranstaltung, geschaffen werden (sog. Monopolmodell).4 Alternativ können die Länder für die Veranstaltung von Online-Casinospielen aber auch Konzessionen erteilen. Maximal können sie jedoch so viele Konzessionen erteilen, wie Konzessionen für stationäre Spielbanken nach dem jeweiligen Landesspielbankenrecht mit Stand 17. Januar 2020 vergeben werden konnten (sog. Konzessionsmodell).5 Im Rahmen des Konzessionsmodells könnten auch private Anbieter ohne staatliche Beteiligung Online-Casinospiele veranstalten.
2. Landesrechtliche Umsetzungen von § 22c Abs. 1 GlüStV 2021
Die Länder, die bereits einen Regulierungsrahmen für Online-Casinospiele geschaffen haben, haben von ihrer durch § 22c Abs. 1 GlüStV 2021 eingeräumten Ausgestaltungsmöglichkeit bislang unterschiedlich Gebrauch gemacht. Während sich einige Länder, namentlich Bayern, Thüringen, Brandenburg, Hessen und Sachsen, für das Monopolmodell entschieden haben (hierzu unter lit. a)), setzen die Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf eine Umsetzung im Konzessionsmodell (hierzu unter lit. b)). Die übrigen Länder haben, soweit ersichtlich, noch keinen Regulierungsrahmen für Online-Casinospiele geschaffen (hierzu unter lit. c)).
a) Länder mit Umsetzung des Monopolmodells (§ 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021)
Die Länder Bayern6, Thüringen7, Brandenburg8, Hessen9 und Sachsen10 haben sich gegen die Öffnung des Online-Casinomarktes für Private und für eine Umsetzung im Monopolmodell entschieden, wobei in Hessen die Besonderheit besteht, dass gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 des Hessischen Gesetzes über Spielbanken und Online-Casinospiele („HSpielbOCG“) die Erlaubnis für die Veranstaltung von Online-Casinospielen nur einer privatwirtschaftlichen Gesellschaft erteilt werden darf, an der mindestens zwei Spielbankgemeinden unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind. Spielbankgemeinden sind nach der Festlegung im HSpielbOCG die Gemeinden Bad Homburg vor der Höhe, Kassel und Wiesbaden.11 Hier wird also vom Gesetzgeber gewissermaßen ein Joint Venture-Modell gefordert.
Wie eine Umsetzung im Monopolmodell aussehen kann, soll am Beispiel des Freistaates Bayern skizziert werden. Dieser hat sich dazu entschieden, Online-Casinospiele in seinem Hoheitsgebiet auf Grundlage von Art. 1 Abs. 3 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland („AGGlüStV“) durch die Staatliche Lotterie- und Spielbankverwaltung zu veranstalten. Die Staatliche Lotterie- und Spielbankverwaltung ist nach Art. 5 Abs. 1 AGGlüStV eine staatliche Einrichtung ohne Rechtspersönlichkeit im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat. Durch die Zuweisung der Veranstalterrolle an die Staatliche Lotterie- und Spielbankverwaltung sei, so die Gesetzesbegründung, einerseits der effektivste Schutz vor Manipulation sichergestellt und andererseits trüge der Ausschluss von Werbeaktivitäten unterschiedlicher Anbieter zur Reduktion des Suchtpotentials bei.12
Ausweislich der sog. Whitelist der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder wurde der Staatlichen Lotterie- und Spielbankverwaltung am 15. Januar 2024 die Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Casinospielen erteilt.13 Bei der Erlaubnis handelt es sich um die erste Erlaubnis dieser Art, die die Veranstaltung Online-Casinospiele in Deutschland auf Grundlage der Regelungen des GlüStV 2021 ermöglicht. Damit hat es knapp zweieinhalb Jahre gedauert, bis nach dem Inkrafttreten des GlüStV 2021 am 1. Juli 2021 eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Casinospielen erteilt wurde.
Seit dem 16. April 2024 bietet die Staatliche Lotterie- und Spielbankverwaltung des Freistaates Bayern nun als erster staatlicher Anbieter unter „www.spielbanken-bayern-online.de“ Online-Casinospiele an.14 Das Angebot umfasst Roulette in Echtzeit an zwei Automatikkesseln sowie virtuelles Roulette, dazu Black Jack und Poker gegen die Bank. Das Echtzeitangebot wird täglich von 10:00 Uhr bis 2:00 Uhr und freitags und samstags von 10:00 bis 3:00 Uhr vorgehalten. Virtuelles Roulette, Black Jack und Poker sind für Spieler mit Wohnsitz in Bayern, die sich zum Zeitpunkt der Spielteilnahme in Bayern aufhalten, demgegenüber rund um die Uhr verfügbar.
b) Länder mit Umsetzung des Konzessionsmodells (§ 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021)
Die Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben sich für die Veranstaltung von Online-Casinospielen im Konzessionsmodell entschieden.15 Während Nordrhein-Westfalen das Verfahren zur Erteilung der Online-Casinospiel-Konzessionen in einem eigenen Online-Casinospiel-Gesetz dem EU-Vergaberecht unterworfen hat (hierzu unter lit. aa)), hat sich Schleswig-Holstein für ein verwaltungsrechtliches Erteilungsverfahren entschieden, das derzeit wegen des gerichtlichen Vorgehens eines aus dem Verfahren ausgeschlossenen Bewerbers pausiert (hierzu unter lit. bb)).
aa) Umsetzung des Konzessionsmodells in Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen hat mit dem am 9. März 2022 in Kraft getretenen Gesetz über die Zulassung von Online-Casinospielen im Land Nordrhein-Westfalen („OCG NRW“) ein eigenes Gesetz für die Regulierung von Online-Casinospielen in Nordrhein-Westfalen geschaffen. Das OCG NRW regelt im Wesentlichen ein Konzessionsmodell, wobei bis zu fünf Konzessionen an unterschiedliche Anbieter erteilt werden können. § 6 Abs. 1 Satz 1 OCG NRW ordnet für die Vergabe der Konzessionen die Geltung der Bestimmungen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Konzessionsvergabeverordnung an und unterwirft die Konzessionserteilung damit dem EU-Vergaberecht. Das Verfahren zur Erteilung der bis zu fünf Online-Casinospiel-Konzessionen richtet sich insoweit nach vergaberechtlichen Vorschriften. Hiermit hat das Land Nordrhein-Westfalen bei der Privatisierung der terrestrischen Spielbanken, die ebenfalls im Wege eines EU-weiten Vergabeverfahrens erfolgte, positive Erfahrungen gemacht.
Besondere Beachtung verdient die Regelung des § 37 Abs. 2 OCG NRW, wonach die Landesregierung einzelne dort vorgesehene Aspekte im Wege einer Rechtsverordnung regeln kann.16 So können zusätzliche Anforderungen für Online-Casinospiele beispielsweise in technischer und glücksspielrechtlicher Sicht vorgesehen oder Sicherheitsmaßnahmen ausdifferenziert werden.
Nach den öffentlich verfügbaren Informationen arbeitet das für die Konzessionserteilung zuständige Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit an der Vorbereitung des Konzessionsvergabeverfahrens. Bevor das Vergabeverfahren EU-weit bekanntgemacht werden kann, soll allerdings zunächst noch die das OCG NRW konkretisierende Rechtsverordnung gemäß §37Abs. 2 OCG NRW erlassen werden.17 Wie dargestellt, sollen durch die Rechtsverordnung zusätzliche allgemeine Anforderungen an die zu erlaubenden Online-Casinospiele insbesondere in technischer Hinsicht gestellt werden. Im Gegensatz zu der derzeit gängigen Praxis bei der Erteilung von Glücksspielerlaubnissen könnte dies zur Folge haben, dass die Konzessionen selbst nicht mit einer Vielzahl konkretisierenden Nebenbestimmungen „überfrachtet“ werden. Den Bewerbern um eine der fünf Konzessionen soll es ermöglicht werden, im Rahmen einer Verbändeanhörung zu den Regelungen der Rechtsverordnung Stellung zu nehmen und sich zudem rechtzeitig auf die vom Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen vorgesehenen Anforderungen an Online-Casinospiele einzustellen. Dieses Vorgehen ist mit Blick auf die künftige praktische Umsetzung von Online-Casinospielen in Nordrhein-Westfalen zu begrüßen.
bb) Umsetzung des Konzessionsmodells in Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein werden die Erlaubnisvoraussetzungen in §§ 17 ff. des Gesetzes des Landes Schleswig-Holstein zur Ausführung des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 2. Februar 2022 („GlüStV 2021 AG S-H“) normiert. Das GlüStV 2021 AG S-H hat sich für ein verwaltungsrechtliches Verfahren für die Erteilung der bis zu fünf Online-Casinospiel-Konzessionen entschieden und konkretisiert einerseits die Kriterien der Auswahlentscheidung bei mehreren Bewerbern und andererseits die Zuverlässigkeitsanforderungen an die Betreiber. So darf eine Konzession u.a. nur erteilt werden, wenn der Bewerber die erforderliche Leistungsfähigkeit besitzt.18 Für die Leistungsfähigkeit ist wiederum die Verfügbarkeit von Eigenmitteln während der Geschäftstätigkeit maßgeblich.19
Im April 2022 veröffentlichte das zuständige Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport die Bekanntmachung des verwaltungsrechtlichen Verfahrens für die Erteilung der Online-Casinospiel-Konzessionen mit Informationen zur Erlaubniserteilung.20 Ziffer 6.4 der Bekanntmachung weist explizit darauf hin, dass Unterlagen, die nicht vollständig eingehen, unberücksichtigt bleiben können. Dieser an sich trivial wirkende Hinweis ist insoweit von besonderer Bedeutung, als dass das Verwaltungsverfahren zur Erteilung von Erlaubnissen für Online-Casinospiele in Schleswig-Holstein wegen dieser Anforderung zwischenzeitlich ins Stocken geraten ist. Denn eine Bewerberin hat trotz wiederholter Hinweise die Benennung der konkreten Höhe an Eigenmitteln versäumt und daraufhin Rechtsschutz gegen die ablehnende Behördenentscheidung gesucht.21 In der gerichtlichen Entscheidung erkannte das Gericht im Wesentlichen, dass die Ablehnung wegen Formmängeln nicht zu bemängeln sei, da eine pauschale Angabe über die Eigenmittel nicht ausreiche.22 Auch wenn der Rechtsschutzantrag der Bewerberin durch das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein im Sommer 2023 abgelehnt worden ist, scheint das Verfahren auch knapp ein Jahr später noch zu pausieren. Ob dies an weiteren Rechtsstreitigkeiten bzw. einem sich dem geführten Gerichtsverfahren anschließenden Rechtsmittelverfahren liegt, ist nicht öffentlich bekannt.
c) Länder ohne Regulierungsrahmen für Online-Casinospiele
Die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und das Saarland haben, soweit ersichtlich, bislang noch keine Regulierung für Online-Casinospiele für ihre jeweiligen Hoheitsgebiete geschaffen.
Soweit öffentlich einsehbar, gibt es in diesen Ländern auch überwiegend keine Gesetzgebungsinitiativen zur Öffnung des Online-Casinospielmarktes. In Rheinland-Pfalz etwa wurde zwar schon im Jahr 2021 ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die Legalisierung von Online-Casinospielen in Aussicht stellte. Das Gesetzesvorhaben blieb indes sehr vage23 und wurde bislang nicht umgesetzt.
Einzig das Land Baden-Württemberg scheint in nächster Zeit von der Möglichkeit der Veranstaltung von Online-Casinospielen Gebrauch machen zu wollen. Im Zuge der Änderung des Landesglücksspielgesetzes soll § 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 in Landesrecht umgesetzt werden, sodass sich Baden-Württemberg ebenfalls für das staatliche Monopol entscheiden wird.24
3. Mögliche gesetzgeberische Umsetzungshemmnisse
Auch wenn mehr als die Hälfte der Bundesländer im Zuge der Anpassung der landesrechtlichen Glücksspielgesetze an den GlüStV 2021 noch keine Regelungen zur Veranstaltung von Online-Casinospielen getroffen hat, lässt sich ein Trend erkennen: Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien der Länder lassen sich gesetzgeberische Hemmnisse bei der Umsetzung identifizieren. Manche Bundesländer stellen sich etwa auf den Standpunkt, es bestünde keine Pflicht zur Umsetzung des § 22c GlüStV 2021 und damit zur Schaffung eines Regulierungsrahmens für einen legalen Online-Casinospiel-Markt.25 Eine solche Sichtweise dürfte sich indes nicht mit Sinn und Zweck des GlüStV 2021 vereinbaren lassen. Dieser soll nämlich gerade dazu dienen, das tatsächlich vorhandene illegale Online-Casinospiel-Angebot zum Schutze der Spieler in einen legalen, staatlich regulierten Markt zu kanalisieren.26 Dementsprechend sind die Länder an sich gehalten, die Umsetzung der von den Staatsvertragsgebern in § 22c Abs. 1 GlüStV 2021 eingeräumten Ausgestaltungsmöglichkeiten umzusetzen.27
Daneben lässt etwa der Gesetzentwurf aus Mecklenburg-Vorpommern weitere gesetzgeberische Hemmnisse bei der Umsetzung von § 22c Abs. 1 GlüStV 2021 erahnen.28 Obwohl darin eine umfassende Anpassung der landesrechtlichen Vorschriften an den GlüStV 2021 vorgesehen ist, trifft der Gesetzesentwurf explizit keine Regelung zur Veranstaltung von Online-Casinospielen. Dies wird damit begründet, dass die Entscheidung über das Anbietermodell, also die Entscheidung zwischen einem staatlichen Monopol und die Öffnung für private Anbieter, zu erheblichem Abstimmungsbedarf führe.29 Zudem sei weitere Zeit zur Planung des Umfangs des Online-Casinospiel-Angebots und der jeweiligen technischen Vorgaben notwendig.30 Des Weiteren seien die Online-Casinospiel-Regelungen nach EU-Recht notifizierungspflichtig, was den Gesetzgeber insgesamt dazu veranlasse, ein gesondertes Gesetzgebungsverfahren anzustoßen.31
Die zuvor genannten Themenfelder erscheinen rechtlicher Natur. Hinzu dürfte allerdings kommen, dass mit einer eingehenden Prüfung der rechtlichen Aspekte eine Bindung von Ressourcen bzw. Kapazitäten und Zeit verbunden ist, was eine regulatorische Umsetzung tatsächlich hindert. Hier böte die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der länderübergreifenden Zusammenarbeit zur Regulierung und Veranstaltung von Online-Casinospielen im Sinne des § 22c Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 eine praxistaugliche Lösung zur Entlastung des Gesetzgebers.32
4. Ausblick
Es bleibt abzuwarten, ob und für welchen Regulierungsrahmen sich die Länder entscheiden werden, die bislang noch keine Rechtsgrundlage für ein Angebot von Online-Casinospielen geschaffen haben. Die Modelle in den Ländern, die § 22c Abs. 1 GlüStV 2021 bereits umgesetzt haben, könnten insoweit als Vorbilder dienen und Anreize zur eigenen landesrechtlichen Umsetzung setzen. Zudem sollte über eine länderübergreifende Zusammenarbeit gemäß § 22c Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 nachgedacht werden.
Auch bleibt abzuwarten, wann die nächsten Erlaubnisse zur Veranstaltung von Online-Casinospielen erteilt werden und damit weitere private oder staatliche Anbieter auf den Markt treten. Vor allem in Schleswig-Holstein könnte das Angebot von Online-Casinospielen alsbald realisiert werden, wenn das Erlaubnisverfahren zeitnah wieder aufgenommen und abgeschlossen wird. Außerdem beweist das bayerische Vorbild, dass es möglich ist, nach Erlaubniserteilung in kurzer Zeit den Spielbetrieb aufzunehmen, um das illegale Glücksspiel in ein legales Angebot zu kanalisieren. So liegen dort zwischen der Erlaubniserteilung und dem tatsächlichen Angebot am Markt nur wenige Monate.
Schließlich kann gespannt erwartet werden, wie sich die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder im Rahmen des nach § 32 GlüStV 2021 vorgesehenen Evaluierungsberichts zur Umsetzung von § 22c Abs. 1 GlüStV 2021 in den einzelnen Ländern positionieren werden. § 32 Satz 1 GlüStV 2021 sieht nämlich vor, dass die Auswirkungen des Staatsvertrags auf die Entwicklungen und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten einschließlich des Schutzes Spielsüchtiger oder spielsuchtgefährdeter Personen vor den Gefahren des Glücksspiels und auf die Bekämpfung der Glücksspielsucht zu evaluieren sind. Hintergrund ist die Überprüfung der Regelungsmechanismen zur Erreichung der Ziele des GlüStV 2021. Durch eine fortlaufende Evaluierung sollen etwaige Fehlentwicklungen benannt und möglicher Änderungsbedarf zur besseren Erreichung der verfolgten Ziele erkannt werden.33 Zu diesem Zwecke sollte gemäß § 32 Satz 2 GlüStV 2021 ein erster Zwischenbericht zur Evaluierung bis zum 31. Dezember 2023 vorgelegt werden; seine Veröffentlichung stand bei Veröffentlichung dieses Beitrags noch aus.34 Der Zwischenbericht dürfte jedoch zeitnah veröffentlicht werden. Daneben soll gemäß § 32 Satz 3 GlüStV 2021 erstmals zum 31. Dezember 2026 ein zusammenfassender und alle fünf Jahre zu aktualisierender Evaluierungsbericht veröffentlicht werden. Die Evaluierung dürfte in Bezug auf Online-Casinospiele besonders relevant sein, da sich in Anbetracht der schleppenden Umsetzung von § 22c Abs. 1 GlüStV 2021 durch die Bundesländer die Frage stellt, ob die Regelungsziele des GlüStV 2021 in ausreichendem Maß erreicht werden oder ob die Nichtumsetzung einer legalen Alternative dazu führt, dass sich der gefahrträchtige Schwarzmarkt weiter verfestigt.35
Da Online-Casinospiele, wie aufgezeigt, bislang nur in Bayern angeboten werden, ist davon auszugehen, dass für den zur Veröffentlichung anstehenden Zwischenbericht noch keine ausreichende Datengrundlage für eine umfassende Evaluierung von Online-Casinospielen zur Verfügung stehen wird. Spätestens in dem zusammenfassenden Evaluierungsbericht, der am 31. Dezember 2026 veröffentlicht werden soll, dürfte dann jedoch eine umfangreiche Ausein- andersetzung der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder mit den vorgenannten Themenstellungen geboten sein. Bis dahin dürften auch zahlreiche andere Länder – insbesondere Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen – Erlaubnisse für staatlich und/oder privat veranstaltete Online-Casinospiele erteilt haben, sodass bis Ende 2026 ausreichende (erste) Erkenntnisse über Online-Casinospiele vorliegen werden.
Endnoten
1) Eine eingehende Übersicht zur landesrechtlichen Regulierung der Veranstaltung von Online-Casinospielen gemäß § 22c GlüStV 2021 mehr als ein Jahr nach seinem Inkrafttreten bietet der Beitrag „Die bisherige Regulierung der Veranstaltung von Online-Casinospielen gemäß § 22c GlüStV 2021 in den Bundesländern“ von Bringmann/Tschakert auf www.glueckspielwesen.de (zuletzt abgerufen am 30. Mai 2024).
2) Hertwig, Beiträge zum Glücksspielwesen 02/2022, S. 15; siehe auch die Legaldefinition in der landesrechtlichen Vorschrift von NRW (§ 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Zulassung von Online-Casinospielen im Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2022).
3) Vgl. § 22a GlüStV 2021.
4) Vgl. § 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021.
5) Vgl. § 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021.
6) Vgl. das Bayrische Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 20. Dezember 2007, das zuletzt durch § 1 des Gesetzes zur Änderung des AGGlüStV und des Spielbankgesetzes vom 22. April 2022 mit Wirkung vom 1. Mai 2022 geändert wurde.
7) Vgl. das Thüringer Gesetz über Spielbank und Online-Casino (ThürSpbkOCG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. April 2004, welches zuletzt durch Art. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Thüringer Spielbankgesetzes vom 18. März 2022 mit Wirkung vom 31. März 2022 geändert wurde.
8) Siehe § 3 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land Brandenburg (BBSpielbG) vom 18. Dezember 2007, welches zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung des GlüStV 2021 im Land Brandenburg mit Wirkung vom 1. Juli 2021 geändert wurde.
9) Vgl. das Hessische Gesetz über Spielbanken und Online-Casinospiele (HSpielbOCG) vom 15. November 2007, welches zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher und anderer Vorschriften in Hessen mit Wirkung vom 30. November 2022 geändert wurde.
10) Vgl. das sächsische Gesetz zur Anpassung landesrechtlicher Vorschriften an den Glücksspielstaatsvertrag 2021 vom 2. März 2023 durch welches das Sächsisches Spielbankengesetz vom 26. Juni 2009 mit Wirkung vom 31. März 2023 geändert wurde.
11) Vgl. § 2 HSpielbOCG.
12) Vgl. LT-BY-Drs. 18/19500, S. 4.
13) Siehe S. 26 der Whitelist der Gemeinsamen Glückspielbehörde der Länder mit Stand vom 26. April 2024.
14) Vgl. die Pressemitteilung der Staatlichen Lotterie- und Spielbankverwaltung vom 16. April 2024, abrufbar unter https://www. presseportal.de/pm/132477/5758771 (zuletzt abgerufen am 30. Mai 2024).
15) Wobei Schleswig-Holstein sich sowohl für die Veranstaltung durch Private als auch durch den Staat entschieden hat. Siehe zu den sich daraus ergebenden Folgen Benesch/Röll, Glücksspielrecht in Deutschland, 1. Aufl. 2023, Lit. C. Rn. 365 f.
16) Nach der Gesetzesbegründung sei der Erlass der Rechtsverordnungen nach § 37 OCG NRW nicht zwingend. Soweit keine Rechtsverordnungen erlassen werden, bleibe es bei den Vorschriften des OCG NRW, vgl. LT-NRW-Drs. 17/16293, S. 59.
17) Vgl. LT-NRW-Drs. 18/3113, S. 2.
18) Vgl. § 17 Abs. 4 Nr. 9 GlüStV 2021 AG SH.
19) Vgl. § 17 Abs. 8 Satz 1 GlüStV 2021 AG SH.
20) Siehe die Bekanntmachung des Verwaltungsverfahrens gemäß dem Gesetz des Landes Schleswig-Holstein zur Ausführung des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland zur Erteilung von verwaltungsrechtlichen Erlaubnissen (Konzessionen) für Online-Casinospiel in Schleswig-Holstein für maximal 15 Jahre, abrufbar unter https://www.schleswig-hol- stein.de/DE/fachinhalte/G/gluecksspiel/Downloads/erlaubnis_onlineCasino.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 30. Mai 2024).
21) Siehe Krehl/Börner, in: LK-StGB, Bd. 16, 13. Aufl. 2023, Vor §§ 284 ff. Rn.4 ff.; Übersicht zur polizeilichen Kriminalstatistik bei Tautz, ZfWG 2024, im Erscheinen.
22) Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschl. v. 11. Juli 2023, 12 B 29/23, Tz. 26 ff. nach juris.
23) Vgl. LT-RP-Drs. 18/134, S. 15, wonach allgemein statuiert wurde, dass ein Erlaubnismodell für Online-Casinospiele eingeführt werden soll.
24) Siehe LT-BW-Drs. 17/6236, S. 4.
25) Vgl. u.a. für das Land Baden-Württemberg LT-BW-Drs. 16/9487, S. 86.
26) Siehe dazu beispielsweise Dietlein, in Dietlein/Ruttig (Hrsg.), Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 22c GlüStV 2021 Rn. 2; Hertwig, Die Zulassung von Online-Casinospielen gemäß § 22 c GlüStV 2021, in ZfWG 2022, 229, 230 oder Czepull, in Dünchheim (Hrsg.), Glücksspielrecht, 1. Aufl. 2022, § 22c GlüStV 2021 Rn. 6, der in Frage stellt, inwieweit die faktische Nichtveranstaltung von Casinospielen im Internet mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar ist.
27) Dazu eingehend „Die bisherige Regulierung der Veranstaltung von Online-Casinospielen gemäß § 22c GlüStV 2021
in den Bundesländern“ von Bringmann/Tschakert auf www.glueckspielwesen.de.
28) Vgl. LT-MV-Drs. 7/5972, S. 3.
29) Vgl. LT-MV-Drs., a.a.O.
30) Vgl. LT-MV-Drs., a.a.O.
31) Vgl. LT-MV-Drs., a.a.O.
32) In diesem Sinne bereits Brüning/Thomson, Das Online-Glücksspiel nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021, NVwZ 2021, 11, 14.
33) Vgl. amtliche Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021, Seite 133, LT-BW-Drs. 16/9487, S. 195.
34) Siehe LT-BW-Drs. 17/6236, S. 6.
35) So kommt eine Studie der Universität Leipzig unter der Leitung von Professor Gunther Schnabl und Taiki Murai aus dem Jahr 2023, welche durch den Deutschen Online Casinoverband e.V. und den Deutschen Sportwettenverband e.V. in Auftrag gegeben wurde, zu dem Ergebnis, dass knapp die Hälfte der Nutzungszeit von deutschen Spielerinnen und Spielern auf illegale Online-Glücksspielangebote entfällt.
Quelle: Gluecksspielwesen.de