Deutsches Sportwettenmonopol auf der Kippe – Nächste Ministerpräsidentenkonferenz tagt am 13.12.2006

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

Hambach & Hambach Rechtsanwälte
Haimhauser Str. 1
D - 80802 München
Tel.: +49 89 389975-50
Fax: +49 89 389975-60
E-Mail: w.hambach@timelaw.de
RGA stellt Zehnpunkteplan zur Neuregelung von Sportwetten vor

Ein Artikel der Rechtsanwälte Dr. Wulf Hambach, Konrad Miller, LL.M., Dr. Michael Hettich Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Am 13.12.2006 wollen die Ministerpräsidenten der Bundesländer über die Zukunft des deutschen Glücksspiel- und Sportwettenmarktes entscheiden. Eine Neuregelung war erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Sportwettenentscheidung vom März 2006 die bisherige Ausgestaltung des Monopols für verfassungswidrig befand und dem Gesetzgeber zur verfassungskonformen Neuregelung eine Übergangsfrist bis zum 1.01.2008 einräumte.

Die Mehrheit der Länder beabsichtigt nunmehr, das im bisherigen Lotteriestaatsvertrag verankerte Glücksspielmonopol beizubehalten und den Staatsvertrag lediglich so weit zu überarbeiten, dass er den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Die zwischenzeitlich vorgelegten Entwürfe werden allerdings einer verfassungs- und europarechtlichen Überprüfung kaum standhalten (vgl. hierzu Betting-Law-News 04/06: http://www.rahambach.
com/cms/upload/pdf/BLN_04-2006_dt.pdf).

Weiteren Gegenwind erfährt der neue Staatsvertrags-Entwurf durch den Beschluss des Bundeskartellamts vom 23.08.2006. Danach dürfen die 16 staatlichen Lotteriegesellschaften, die sich zum Lotto- und Totoblock zusammengeschlossen haben, den Lotteriemarkt nicht mehr unter sich aufteilen. Das Bundeskartellamt wünscht Konkurrenz zwischen den einzelnen Gesellschaften und verbietet daher beispielsweise den früher gängigen Vertrieb des Lotteriespiels einer Landesgesellschaft über das Internet mit der Beschränkung, dass nur Spieler des eigenen Bundeslandes teilnehmen dürfen. Bei einer Freigabe der Internetteilnahme für Spieler aus anderen Bundesländern würden sich die Lotteriegesellschaften Konkurrenz machen und die Vorgaben des Bundeskartellamts erfüllen. Gleichzeitig würde dies aber einen Verstoß gegen geltendes Landesrecht darstellen, da die jeweilige Erlaubnis einer Landeslotteriebehörde nur zu Lotterieveranstaltungen in den Landesgrenzen berechtigt.

Die Lottogesellschaft in Nordrhein-Westfalen glaubt nun die ideale Lösung für dieses wettbewerbsrechtliche Problem gefunden zu haben. Seit dem 28.11.2006 bietet sie selbst keine Lotterien im Internet an, sondern lässt sich von der WestNet Lottoservice GmbH, die nun die Domain www.westlotto.de betreibt, Spielverträge vermitteln. Unter der im Impressum angegebenen Handelsregisternummer firmierte allerdings am 29.11.2006 noch eine „Xylophon Plattform GmbH“, deren Unternehmensgegenstand im „Betrieb gewerblicher Internet-Plattformen“ besteht.

Den Konflikt mit dem Bundeskartellamt mag die Lottogesellschaft Nordrhein-Westfalen auf diese Weise zwar kurzfristig beigelegt haben, in Anbetracht des Unternehmensgegenstands der GmbH dürfte aber bereits zweifelhaft sein, ob die allgemeinen Anforderungen an gewerbliche Spielvermittler nach § 14 des derzeit geltenden Lotterie-Staatsvertrages erfüllt sind. Bislang ist ferner noch unklar, inwieweit es sich bei der WestNet Lottoservice GmbH um ein eigenständiges Unternehmen handelt, dessen Anteile auch von Privaten gehalten werden.

Zudem ist das gewählte Vorgehen auch nicht mit dem neuen Staatsvertragsentwurf vereinbar. Nach § 19 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 des Staatsvertragsentwurfes ist für gewerbliche Spielvermittler die Vermittlung für Lotterien im Internet verboten, außer die Länder erlauben dies gemäß § 25 Abs. 5. Eine Erlaubnis für die Tätigkeit der WestNet Lottoservice GmbH würde daher wieder nur für das Bundesland Nordrhein-Westfalen gelten.

Ebenso könnten entsprechende Gesellschaften anderer Bundesländer wiederum ihr Internetangebot nur für Spieler der eigenen Bundesländer öffnen. Der Markt wäre wieder aufgeteilt, das Bundeskartellamt müsste erneut tätig werden.

Schließlich widerspricht die Verlagerung des Vertriebs auf Private den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28.03.2006 an ein verfassungsgemäßes Monopol gestellt hat. Hierzu ist unter anderem notwendig, dass das staatliche Glücksspielangebot eines Monopols konsequent und aktiv an dem Ziel der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet wird. Eine Lösung die sich darauf beschränkt, dass sich der Staat aus dem suchtgefährdeten Vertrieb über das Internet zurückzieht, dies privaten Spielvermittlern überlässt und gleichzeitig für die eigentliche Glücksspielveranstaltung das Monopol aufrecht erhält, verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Ein zusätzlicher Anreiz für das Lottospiel durch den Vertrieb im Internet dürfte bei einem verfassungsgemäßen Staatsmonopol gar nicht mehr erfolgen, auch nicht durch einen als Alibi verwendeten gewerblichen Spielvermittler, der nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Staatsvertragentwurfs zwei Drittel der vereinnahmten Beiträge der Spieler an den staatlichen Lotterieveranstalter weiterzuleiten hat.

Da somit das Bundesland Nordrhein-Westfalen mit der Übertragung des Lottointernetangebots auf die WestNet Lottoservice GmbH kurz vor dem 13.12.2006
umfangreiche vertragliche Bindungen eingegangen ist, die nach in Kraft Treten des geplanten Lotteriestaatsvertragsentwurfes wettbewerbs- und verfassungswidrig wären, ist nicht zu erwarten, dass Nordrhein-Westfalen den Staatsvertragsentwurf noch ernsthaft befürwortet.

Doch es gibt auch noch andere Stimmen aus den Ländern, die den Staatsvertragsentwurf in der aktuellen Form ablehnen:

So weist die CDU-Fraktion Schleswig-Holsteins auf ihrer Homepage auf die schwerwiegenden formellen Fehler des Staatsvertrages hin (http://www.cdu.ltsh.de/). Beispielsweise kritisiert sie die sog. „13 Länder-Regelung“ nicht nur scharf, sondern auch substantiiert:

„(…) der wissenschaftliche Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags (hat) festgestellt, dass die im Entwurf des Staatsvertrags ursprünglich vorgesehene Regelung, nach der nur 13 der 16 Bundesländer den Vertrag ratifizieren müssen, damit er in Kraft tritt, verfassungsrechtlich äußerst bedenklich ist, und damit nicht trägt.“

Am 23.11.2006 beschloss der Finanzausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags mit den Stimmen aller (!) Fraktionen, zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof im Verfahren „Placanica“ abzuwarten, die Anfang 2007 ansteht (http://www.isa-casinos.de/articles/14345.html). Vertreter der CDU-Fraktion hatten zuvor mehrfach darauf hingewiesen, dass der Entwurf in seiner jetzigen Fassung verfassungs- und europarechtswidrig sei und ein Festhalten am Glücksspielmonopol nicht mehr zeitgemäß.

Dem hatten sich zuletzt auch Vertreter der SPD angeschlossen. Aufgrund der politischen Bindungskraft des Beschlusses wird Ministerpräsident Carstensen daher am 13.12.2006 dem neuen Staatsvertrags-Entwurf nicht zustimmen können. Vielmehr wird er auf eine Vertagung der Entscheidung auf die nächste Konferenz der Landesoberhäupter Ende März 2007 drängen. Sollte sich die Mehrheit der Ministerpräsidenten dennoch auf einen konkreten Vertragstext einigen, könnte dieser Anfang 2008 zumindest in Schleswig-Holstein nicht in Kraft treten.

Die CDU in Schleswig-Holstein hatte bereits im September ein Papier zur Neuregelung von Sportwetten vorgelegt (Pressemitteilung des Abgeordneten Arp vom 14.09.2006). Mit einem offenen Brief vom 28.11.2006 wendet sich nunmehr auch die in London ansässige Remote Gambling Association („Verband für Online-Glücksspiele“, RGA) an die verantwortlichen Politiker und zeigt in einem Zehnpunkteplan konkrete Ausgestaltungsmöglichkeiten eines privatwirtschaftlichen Sportwettenmarktes, also einer echten Alternative zum starren Festhalten am Staatsmonopol auf. Der Offener Brief und der Zehnpunkteplan sind auf der Website der Kanzlei Hambach & Hambach abrufbar. Bei der Entwicklung des Modells wurde ebenfalls darauf geachtet, Spielerschutz und fiskalische Interessen des Staates in Einklang zu bringen. Der Vorschlag der RGA stützt sich auf aktuelle Studien (u.a. von Deloitte Consulting vom Oktober 2006) und stellt gleichbleibende staatliche Einahmen trotz Liberalisierung des Sportwettenmarktes in Aussicht.

Die wesentlichen Grundzüge des Vorschlags im Überblick:

– Zulassung geeigneter privater Sportwettenanbieter in einem regulierten Markt
– Schaffung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde
– Unterstützung eines Treuhandfonds durch die Glücksspielbranche zur Erforschung der
– sozialen Folgen des Glücksspiels
– Erhebung von Lizenzgebühren für die Vergabe von Lizenzen
– Anwendung einer Sportwettensteuer auf alle Lizenznehmer. Vorgeschlagen wird eine
– Reingewinnsteuer i.H.v. 15 %. Die neuen Einnahmen könnten beispielsweise für die Sportförderung verwendet werden.
– Sicherstellung angemessener und nicht diskriminierender Regelungen Einführung von Lizenzbedingungen, die die folgenden Punkte regeln:
– Richtlinien für Werbung
– Kontrolle der Spielaktivitäten
– Jugendschutz durch Systeme zur Alterserkennung
– Standards zur Sicherstellung eines fairen Spielablaufs

Zum Hintergrund der RGA: Der Verband vertritt zahlreiche der weltweit größten privaten Glücksspielanbieter wie z. B. die Sportingbet Plc. oder die PartyGaming Plc. Hambach & Hambach hat als Kooperationspartner der RGA die Erarbeitung des aktuellen Liberalisierungsmodells ständig begleitet.

Bereits in den Betting-Law-News vom April 2006 (vgl. Ausgabe 03/04 auf http://www.ra-hambach.com/cms/upload/pdf/BLN_3_2006_dt.pdf) verwiesen Hambach & Hambach auf das schon erprobte Liberalisierungsmodell für Sportwetten in Österreich, entsprechende Vorhaben in Italien sowie auf das britische
Steuermodell (ebenfalls 15 % des Reingewinns).

Mit der von der RGA vorgeschlagenen Liberalisierung wird eine gangbare Alternative zurAufrechterhaltung des Sportwetten-Monopols aufgezeigt. Beim Festhalten an diesem Monopol müssten die Bundesländer die strengen verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben umsetzen und ihr Angebot einschließlich der Vertriebswege ganz erheblich einschränken. Dies hätte drastische Umsatzeinbußen und eine Flucht der Kunden zu attraktiveren ausländischen Internetangeboten zur Folge.

Um diese negativen Konsequenzen zu vermeiden streben die Länder derzeit mehrheitlich eine weniger strenge Ausgestaltung des Monopols an. Eine solch inkonsequente Lösung widerspricht aber verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben und sie wird daher zumindest von Schleswig-Holstein zu Recht abgelehnt. In keinem Fall würde eine solche Regelung dauerhaft Bestand haben können. Die Länder sollten daher sowohl aus rechtlichen als auch aus finanziellen Erwägungen umgehend eine entsprechende Liberalisierung in Angriff nehmen, bevor es dafür zu spät ist. Das Bundesverfassungsgericht wird sicherlich keine weitere Übergangsfrist gewähren. Trotz aller Bemühungen der staatlichen Anbieter dürfte damit das deutsche Sportwettenmonopol im Ergebnis bereits gekippt sein.