Worauf es bei der Spielhallenregulierung nun ankommt

Ein Artikel von Rechtsanwalt Georg Stecker

Qualität als einzig geeigneter Regulierungsmaßstab

Georg Stecker ist Rechtsanwalt und seit 2014 Vorstandssprecher des Dachverbandes Die Deutsche Automatenwirtschaft e. V. (DAW) mit Sitz in Berlin.
Georg Stecker ist Rechtsanwalt und seit 2014 Vorstandssprecher des Dachverbandes Die Deutsche Automatenwirtschaft e. V. (DAW) mit Sitz in Berlin.
Es war ein langes zähes Ringen zwischen den Ländern. Am Ende steht jetzt ein Kompromiss, der Glücksspielstaatsvertrag 2021. Als Deutsche Automatenwirtschaft haben wir die Einigung der Länder zu Beginn dieses Jahres begrüßt und unterstützen den Glücksspielstaatsvertrag 2021 selbstverständlich auch jetzt, wenn die Länder seine Vorgaben in ihren Landesgesetzen konkret umsetzen.

Das hat vor allem drei Gründe. Erstens, weil die neue Regulierung Rechtssicherheit schafft. Zweitens, weil sie sich an der Realität der Menschen und ihrer Bedürfnisse orientiert. Und drittens – und das hat für die Deutsche Automatenwirtschaft und ihre Unternehmen höchste Priorität –, weil der Glücksspielstaatsvertrag, ganz im Sinne des dritten seiner fünf gleichrangigen Ziele, einen überall gleichermaßen geltenden Jugend- und Spielerschutz anstrebt. Das tut er, indem er strenge Regeln – nicht nur, aber vor allem – für den Jugend- und Spielerschutz vorschreibt und hohe Maßstäbe an die Anbieter anlegt.

Dabei wird es im Bereich der Online-Sportwette, beim Online-Poker und im Bereich der virtuellen Automatenspiele unbegrenzte Konzessionen geben. Es gilt: Wer sich an die strengen Regeln hält, die der Staatsvertrag vorgibt, darf am Markt anbieten. Der neue Staatsvertrag setzt also einen qualitativen Rahmen, bei dem Jugend- und Spielerschutz von zentraler Bedeutung ist.

Wie geeignet die vorgesehenen Maßnahmen sind, den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten und darüber hinaus den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung illegaler Angebote entgegenzuwirken (Kanalisierungsziel des Glücksspielstaatsvertrages) wird sich letztlich in der Praxis zeigen. Hier ist auch ein wirksamer Vollzug dringend notwendig.

Hinsichtlich des gewerblichen Automatenspiels gibt es bereits Erfahrungen mit den Auswirkungen einzelner Regulierungsmaßnahmen, die die Stärkung des Jugend- und Spielerschutzes zum Ziel haben. Die wohl bekannteste: die Abstandsregel zwischen Spielhallen untereinander sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen, die mit dem Verbot von Mehrfachkonzessionen einherging. Rein quantitative Regulierungskriterien also.

Gleichzeitig gibt es, wie die aktuelle Diskussion in der Suchtforschung zeigt, an der empirischen Grundlage sowie an Wirksamkeit der Abstandsregel für den Jugend- und Spielerschutz mehrstimmigen, deutlichen Zweifel. Es mehren sich jene in Wissenschaft und Politik, die den Ansatz der Angebotsreduktion für rückwärtsgewandt und angesichts der Digitalisierung und der hohen Verfügbarkeit von Online-Glücksspielangeboten für überholt halten und die differenziertere Präventionsmaßnahmen und vor allem qualitativen Spielerschutz fordern.

Die Menschen schützen

Glücksspiel ist ohne Zweifel ein sensibles Produkt, aus dem eine besondere Verantwortung erwächst. Die Menschen sollen mit Freude spielen. Und das ist nur möglich, wenn sie geschützt spielen. Zu diesem Schutz sind wir ihnen als Gesellschaft insgesamt, und selbstverständlich auch als Anbieter, verpflichtet. Umso wichtiger ist es, dass die Maßnahmen, die diesen Schutz herstellen sollen, wirksam sind.

Fakt ist: Dem Kanalisierungsziel des Glücksspielstaatsvertrages läuft die Verknappung und Verdrängung des legalen Spielangebots sogar zuwider. So stellt der Endbericht des Landes Hessen zur Evaluierung des letzten Glücksspielstaatsvertrages fest: „(…) dass der Ansatz von einer Begrenzung des Spielangebots, entgegen den Zielen des GlüStV, sehr wohl zu einer Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten geführt hat.“

In Berlin, der Hauptstadt illegaler Glücksspielangebote, in der Leipziger Eisenbahnstraße und an vielen anderen Orten lässt sich erleben, was das konkret bedeutet: Hier ist die verfehlte Regulierung in Form der massiven Verdrängung legaler Spielhallen zum Brandbeschleuniger eines Schwarzmarktes geworden, der den Jugend- und Spielerschutz mit Füßen tritt.

Eine vollständige Abkehr von der Regulierung nach quantitativen Kriterien hat der jetzige Kompromiss der Länder nicht gebracht – und doch haben die Länder für einen Paradigmenwechsel gesorgt, den wir als legale Anbieter sehr begrüßen und unterstützen: 
Beim Glücksspielstaatsvertrag 2021 spielen erstmals qualitative Regulierungs-Maßstäbe in Bezug auf Spieler- und Jugendschutz eine Rolle bei der Spielhallen-Regulierung. Ein Novum.

Insbesondere mit der Öffnungsklausel des § 29 Absatz 4 GlüStV 2021 haben sich die Länder die Möglichkeit geschaffen, erstmals qualitative Regulierungs-Maßstäbe in ihren Ausführungsbestimmungen zur Anwendung zu bringen. So bleibt zwar die generelle Regelung, dass Verbund- und Mehrfachspielhallen verboten sind (§ 25 Absatz 2 GlüStV 2021), erhalten, jedoch ist den Ländern eine befristete Konzessionserteilung für Spielhallen mit einem besonders hohen Maß an Spieler- und Jugendschutz ermöglicht: § 29 Absatz 4 GlüStV 2021 sieht vor, dass für am 1. Januar 2020 bestehende Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehen, für bis zu drei Spielhallen je Gebäude oder Gebäudekomplex auf gemeinsamen Antrag der Betreiber abweichend von § 25 Absatz 2 eine befristete Erlaubnis erteilt werden kann. Voraussetzung dafür ist die Erfüllung besonderer, hoher Kriterien für den Spieler- und Jugendschutz: alle Spielhallen müssen von einer akkreditierten Prüforganisation zertifiziert und diese Zertifizierung mindestens alle 2 Jahre wiederholt werden; die Betreiber müssen über einen aufgrund einer Unterrichtung mit Prüfung erworbenen Sachkundenachweis verfügen und das Personal in den Spielhallen muss besonders geschult werden.

Qualität setzt sich durch

Das zeigt: Qualitative Kriterien beginnen, sich auch beim gewerblichen Automatenspiel als Regulierungskriterium zu etablieren – mit Blick auf den Spielerschutz eine außerordentlich erfreuliche Entwicklung! Denn: Quantitative Regulierungskriterien schützen die Spielgäste nicht und beugen auch problematischem und pathologischem Spielverhalten nicht vor. Kein Spielgast ist dadurch geschützt, dass in einer Konzession neben dem Automaten, an dem er spielt, nur elf – in Berlin und Hamburg gar nur sieben – weitere stehen dürfen. Und es ist auch niemand dadurch geschützt, dass er zur nächsten Spielhalle zu Fuß künftig vielleicht statt elf Minuten zwölf Minuten benötigt.

Es sind ausschließlich qualitative Regulierungsmaßstäbe, also Maßstäbe, die den Schutz der Spielgäste in der Spielhalle selbst betreffen, geeignet, diese Schutzfunktion zu leisten.

Das beginnende Umdenken bei der Regulierung des gewerblichen Automatenspiels ist im Übrigen auch aus Sicht aller legalen und ordentlich arbeitenden Betriebe begrüßenswert. Sie leisten oftmals bereits heute ein Maß an Jugend- und Spielerschutz, das über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht. Freiwillig und aus Überzeugung. Sie wünschen sich eine Regulierung, die ihnen die Chance gibt, mit der hohen Qualität ihres Angebots zu überzeugen, statt Abstände mit dem Maßband zu messen.

Gute Betriebe erhalten – Kanalisierung ermöglichen

Mit der Öffnungsklausel des § 29 Absatz 4 GlüStV 2021 haben die Länder die Möglichkeit geschaffen, Verbundspielhallen mit maximal drei Konzessionen befristet zu erhalten. Auch bei den Mindestabständen von Spielhallen untereinander und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen liegt die Kompetenz der Ausgestaltung bei den einzelnen Ländern. Sie können bezüglich der Mindestabstände in ihren Ausführungsgesetzen analog den Bestimmungen des § 29 Absatz 4 GlüStV 2021 verfahren. Auch hier gilt dann: Die Mindestabstands-Regelungen bleiben im Grundsatz erhalten. Weisen Spielhallen aber ein besonders hohes Maß an Spieler- und Jugendschutz auf, der durch regelmäßige Überprüfung im Rahmen der Zertifizierung nachweisbar kontrolliert wird (analog § 29 Absatz 4 GlüStV 2021), kann diesen Spielhallen eine Unterschreitung der Mindestabstände im Rahmen der Konzessionierung erlaubt werden. Diese Verfahrensweise ist den Ländern dringend zu empfehlen, um auch in Zukunft einen qualitativ guten Bestand an Spielhallen zu gewährleisten.

Mit den Öffnungsklauseln bezüglich Mehrfach- und Verbundspielhallen gemäß § 29 Absatz 4 GlüStV und analog bezüglich der Mindestabstands-Regelungen haben die Länder wirksame Instrumente, um Betriebe mit einem besonderen Jugend- und Spielerschutz zu erhalten – unabhängig von Abstand und Größe. Diese Instrumente zu nutzen, würde bedeuten, einen immensen Beitrag zur Erfüllung des Kanalisierungsziels zu leisten. Denn ein ausreichender Bestand qualitativ hochwertiger Betriebe ist unverzichtbar, wenn man den natürlichen Spieltrieb in geordnete Bahnen lenken und dem Schwarzmarkt entgegenzuwirken will.

Die Länder können also jetzt den Markt des gewerblichen Automatenspiels nachhaltig und im Sinne des Spieler- und Jugendschutzes verändern. Sie sollten das Momentum nutzen – und die Spreu vom Weizen trennen.