Die Klägerinnen betrieben nacheinander ein terrestrisches Sportwettbüro, in dem sie Wetten aus allen Bereichen des Sports vertrieben. Diese vermittelten sie an einen maltesischen Sportwettenanbieter, der über eine sog. „Gaming-Licence“ der maltesischen Behörden verfügte. In den Jahren 2006 und 2007 ergingen Untersagungsbescheide der zuständigen Ordnungsbehörde gegen die jeweiligen nacheinander in den Betrieb eingetretenen Betreiber des Sportwettbüros. Mit ihren Klagen gegen diese Untersagungsverfügungen vor dem VG Köln hatten die Klägerinnen überwiegend Erfolg. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts steht noch aus. Mit der nunmehr entschiedenen Klage vor dem Landgericht verlangten die vier Sportwettanbieter nun die Feststellung, dass die beklagte Stadt ihnen zum Ersatz des durch die vermeintlich rechtswidrigen behördlichen Entscheidungen verursachten Schadens verpflichtet sei.
Die 5. Kammer des LG Köln hat die Klagen insgesamt als unbegründet abgewiesen.
- Das LG Köln hat zunächst einen Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) geprüft. Dieser setzt allerdings ein „Verschulden“ der entscheidenden Ordnungsbehörde voraus. Unter Bezug auf die einschlägige Rechtsprechung und Kommentarliteratur sieht das Gericht aber einen Verschuldensvorwurf nur dann als denkbar an, wenn eine unrichtige Gesetzesauslegung „gegen den klaren, bestimmten, unzweideutigen Wortlaut jener Vorschrift oder gegen eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt“. Dies sei im vorliegenden Fall eindeutig nicht gegeben. Das Gericht verweist auf die Kollegialgerichts-Judikatur, wonach ein Verschulden dann nicht gegeben sein kann, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung bejaht. Eine solche Entscheidung liege bereits in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (1 BvR 1053/01) vor, das die Weiteranwendung der Verbotsnormen in der Übergangsfrist insbesondere auch für das Bundesland NRW (Beschluss v. 07.12.2006; ZfWG 2007, S. 28 ff) für zulässig erklärt habe. Erst recht müsse dies für die nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1.1.2008 ergangenen Widerspruchsbescheide gelten, weil diese Rechtslage in der obergerichtlichen Rechtsprechung wiederholt als europarechtskonform beurteilt worden sei. Die EuGH-Rechtsprechung, aus der einige Gerichte das Erfordernis einer gesamtkohärenten Regelung ableiten, sei erst nach der letzten behördlichen Entscheidung ergangen und könne rückwirkend keinen Verschuldensvorwurf hinsichtlich der früher ergangenen Ordnungsverfügungen begründen.
- Im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch verneinte das LG Köln den hierfür erforderlichen qualifizierten, d.h. offenkundigen und erheblichen Verstoß: Hiergegen führt das LG im Wesentlichen die bis zu den Entscheidungen des EuGH vom 8.9.2010 unklare Rechtslage an. Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte immer wieder den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedsstaaten betont, der auch eine Monopolregelung grundsätzlich umfasse.
- Den verschuldensunabhängigen Anspruch gemäß § 39 Abs. 1b OBG NW lehnt die Kammer bereits mit der mangelnden Offenkundigkeit des Gemeinschaftsrechtsverstoßes ab: Grundsätzlich sei die Behörde zwar wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts verpflichtet, gemeinschaftsrechtswidriges Recht zu verwerfen. Dies könne jedoch nur dann gelten, wenn die Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs vorliegen, wenn also „ein Verstoß gegen EG-Recht entsprechend der oben genannten Kriterien zur hinreichenden Qualifizierung offenkundig ist“. Die nationale Entschädigungsnorm auf Grundlage der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit könne keinesfalls strenger sanktionieren, als die europarechtliche Anspruchsgrundlage dies vorsieht. Im Übrigen liege ein Fall legislativen und nicht administrativen Unrechts vor, da sich die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht aus einer unrichtigen Rechtsanwendung, sondern unmittelbar aus der gemeinschaftsrechtswidrigen Gesetzgebung ergebe. Die beklagte Stadt habe „damit existierendes Recht nicht falsch angewendet, zumal ihr Einschreitungsermessen nach der Rechtsprechung in Fällen der Verwirklichung des § 284 StGB sogar regelmäßig auf Null reduziert ist. Vielmehr beruht eine etwaige Rechtswidrigkeit ihrer Maßnahmen allein darauf, dass das zur Ausfüllung von § 14 OBG und § 284 StGB angewendete Recht möglicherweise nicht mit europäischem Recht in Einklang steht. Es geht also letztlich um gemeinschaftsrechtswidrige Gesetzgebung und somit um legislatives Unrecht. “ Eine Haftung für legislatives Unrecht sei dem deutschen Recht aber grundsätzlich fremd.
Zusammenfassend ist festzustellen dass sich dieses Urteil des LG Köln nahtlos in den Reigen der Entscheidungen fügt, die eine Staats- bzw. Amtshaftung der öffentlichen Hand wegen ordnungsbehördlicher Verbote nicht erlaubten Glücksspiels zurückweisen (vgl. u.a. OLG München v. 15.07.2011; LG Hannover v. 25.11.2010; LG Bremen v. 27.12.2007).