Verwaltungsgericht Berlin gewährt Sportwettenvermittler erneut Vollstreckungsschutz

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Arendts Rechtsanwälte
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)
Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat erneut grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Glücksspielstaatsvertrag geäußert und daher einem Sportwettenvermittler Vollstreckungsschutz, gewährt (Beschluss vom 5. Mai 2008, Az. VG 35 A 108.08). Der von der Kanzlei ARENDTS ANWÄLTE (www.wettrecht.de) vertretene Vermittler kann damit weiter Verträge über Sportwetten an einen privaten, in dem EU-Mitgliedstaat Malta staatlich zugelassenen Buchmacher vermitteln.

Das VG Berlin führt damit seine Rechtsprechung fort, nunmehr nach Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht festgelegten, Ende 2007 ausgelaufenen Übergangsfrist Vollstreckungsschutz zu gewähren. In einem Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO hatte das Gericht bereits kürzlich Vollstreckungsschutz gegen eine Untersagungsverfügung aus dem Jahr 2007 gewährt (Beschluss vom 2. April 2008, Az. VG 35 A 52/08), was es im letzten Jahr noch abgelehnt hatte.

Die neue Entscheidung betrifft eine auf den Glücksspielstaatsvertrag und das dazu ergangene Ausführungsgesetz (AG GlüStV) gestützte Untersagungsverfügung vom 6. März 2008. Das Gericht setzt sich in dem Beschluss sehr umfassend mit der aktuellen, weiterhin divergierenden Rechtsprechung auseinander und äußert erhebliche Bedenken, ob die neuen Regelungen eine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage darstellten. Das staatliche Sportwettenmonopol sei als erheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Anbieter und Vermittler von Sportwetten verfassungsrechtlich wohl nicht zu rechtfertigen. Angesichts dieser durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken müsse ein Verstoß gegen die durch den EG-Vertrag garantierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gar nicht mehr erörtert werden (S. 34).

Der Ausschluss privater Sportwettenanbieter und -vermittler stelle einen wesentlichen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Nach der Wesentlichkeitslehre hätte der (parlamentarische) Gesetzgeber nicht nur eine neue gesetzliche Grundlage für das Monopol schaffen müssen, sondern auch ausreichende strukturelle gesetzliche Vorgaben (die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Sportwetten-Grundsatzentscheidung vom 28. März 2008 angemahnt worden waren). Der Gesetzgeber hätte hierzu wenigstens Grundstrukturen zu Art und Zuschnitt der Sportwetten schaffen müssen. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Regelung dürfe dagegen nicht gänzlich der Exekutive überlassen werden (S. 10).

Nach Anlauf der Übergangsfrist sei nunmehr eine vollständige Konsistenz erforderlich (S. 7). Für eine zusätzliche Übergangsfrist, wie in § 25 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag vorgesehen, gebe es daher keinen Raum. Nach Ablauf der Übergangsfrist müsse nunmehr eine Gesamtschau für den gesamten Glücksspielsektor erfolgen (S. 32).

Inhaltliche Kriterien betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten gebe es jedoch nur ansatzweise. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber entsprechend den verfassungsgerichtlichen Vorgaben gestaltend auf den Vertrieb der Sportwetten durch den staatlichen Monopolisten eingewirkt habe. Sportwetten würden vielmehr weiterhin als „Gut des täglichen Lebens“ vermarktet (so auch die Kritik des Bundesverfassungsgerichts). Kritisch sieht hierbei das Verwaltungsgericht vor allem das enge Netz der Annahmestellen. Hier lasse sich keine Neugestaltung gegenüber der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung erkennen (S. 13).

Auch bestünden erhebliche Zweifel, ob bei der Festsetzung und Ausgestaltung des Monopols die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Spielerschutz ausreichend beachtet worden seien. So seien Höchstgrenzen für Spieleinsätze nicht gesetzlich geregelt (S. 27). Schließlich bestünden Zweifel, ob mit der Neuregelung nicht weiterhin finanzielle Interessen verfolgt würden. So seinen im Gesetzgebungsverfahren die fiskalischen Interessen als maßgeblich heraus gestellt worden.

Das VG Berlin hält einen Vollstreckungsschutz unter Auflagen, wie kürzlich vom VG Kassel (diesem folgend VG Trier) und dem VG München angeordnet (vgl. Sportwettenrecht aktuell Nr. 99 und 100), für nicht erforderlich. Tatsächlich vom Anbieter bzw. Vermittler ausgehenden konkreten Gefahren könne man im Wege der gewerberechtlichen Untersagungsverfügung begegnen (S. 37).

Auch hinsichtlich der sehr hohen Verwaltungsgebühr (EUR 2.000,-) hat das VG Berlin Vollstreckungsschutz gewährt und die aufschiebende Wirkung angeordnet. So seien bereits die Voraussetzungen für die Gebührenerhebung nicht erfüllt. Bei summarischer Prüfung könne kein unerlaubtes Glücksspiel angenommen werden.