Landgericht Wuppertal erklärt Durchsuchungsbeschluss gegen Sportwettvermittlerin für rechtswidrig

Rechtsanwalt Guido Bongers

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
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In einem durch die Kanzlei Rechtsanwälte Bongers und Kollegen geführten Verfahren hat das Landgericht Wuppertal mit Beschluss vom 23.08.2019 (23 Qs 23/19) festgestellt, dass eine zuvor durchgeführte Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten der Beschuldigten aufgrund eines zuvor ergangenen Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Wuppertal vom 20.11.2018 rechtswidrig war.

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hatte gegen die Betreiberin einer Gaststätte, die dort einerseits genehmigte Geldspielgeräte betrieben hatte, andererseits in einem Raum im Untergeschoss der Gaststätte auch Sportwettterminals aufgestellt und betrieben hatte, ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels eingeleitet. Dem gesamten Ermittlungsverfahren lag eine Anzeige des Ordnungsamtes der Stadt Solingen zugrunde, wonach der dortige Mitarbeiter offenbar die Auffassung vertrat, dass das Vermitteln von Sportwetten in einer Gaststätte, in der auch Geldspielgeräte betrieben würden, strafbar sein sollte.

Obgleich der Sachverhalt letztlich unstreitig war und die betroffene Sportwettvermittlerin auch nie etwas „Heimliches“ getan hatte, meinte der zuständige Mitarbeiter der Stadt Solingen eine Strafanzeige erstatten zu müssen, die von der Staatsanwaltschaft dann in der Weise gewürdigt wurde, dass man offenbar von einem strafbaren Verhalten bei gleichzeitigem Vermitteln von Sportwetten und dem Betreiben von Geldspielgeräten ausging. Mit erheblichem Polizeiaufwand wurden dann die Geschäfts- und Wohnräumlichkeiten durchsucht, wobei die gesamte polizeiliche Maßnahme schon angesichts des personellen Aufwandes an Polizeibeamten völlig unverhältnismäßig gewesen ist. Im Übrigen hatte die Stadt Solingen sehr wohl bereits zum damaligen Zeitpunkt Kenntnis darüber, dass aufgrund einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster bereits festgehalten worden war, dass die Vermittlung von Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis derzeit nicht verboten ist, weil es – wie eigentlich auch allgemein bekannt – seit Jahren kein abgeschlossenes und europarechtskonformes Sportwettenkonzessionsverfahren gibt. In Verkennung dieser rechtlichen Situation wurden dann die Geschäfts- und Wohnräumlichkeiten der Beschuldigten durchsucht, zudem auch Gelder beschlagnahmt. Gegen diese Durchsuchungsmaßnahme wurde dann durch den Unterzeichner Beschwerde erhoben.

Zeitgleich hatte die Behörde im Übrigen die Räumlichkeiten der Gaststätte versiegelt bzw. zwangsweise geschlossen und sogar die Gaststättenerlaubnisse der betroffenen Gastwirtin widerrufen. Gegen diese ordnungsrechtlichen Maßnahmen wurden zusätzlich verwaltungsrechtliche Klagen und Eilanträge erhoben. Diese Eilanträge hatten dann wenige Wochen später durch Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf Erfolg.

Die Behörde hat mehrere Monate später auch ihre (rechtswidrigen) Bescheide über den Widerruf der Gaststättenerlaubnis und die Schließungsmaßnahme auch insgesamt aufgehoben und damit die Rechtswidrigkeit ihrer Maßnahmen anerkannt.

Nun, mehrere Monate später, hat das Landgericht Wuppertal auch in Bezug auf den Strafbarkeitsvorwurf klargestellt, dass sich die Vermittlerin von Sportwetten hier in keiner Weise strafbar gemacht hat. Das Landgericht Wuppertal hebt insbesondere die zutreffende Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster hervor, wonach das OVG NRW bereits mit Entscheidung vom 23.01.2017 (4 A 3244/06) überzeugend ausgeführt habe, dass das Fehlen einer nach § 4 GlüStV erforderlichen Erlaubnis einem Wettvermittler für die Sportwettvermittlung an im EU-Ausland konzessionierte Sportwettanbieter nur dann entgegengehalten werden könne, wenn demjenigen die Erlaubnis nicht unionsrechtswidrig vorenthalten oder verweigert würde. Dies setze aber ein Genehmigungsverfahren voraus, dass nach objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien durchgeführt werden müsse. Diesem Erfordernis wiederum werde nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts NRW nicht entsprochen, weil das Erlaubnisverfahren nicht transparent, diskriminierungsfrei und gleichheitsgerecht ausgestaltet sei. Unter diesen Umständen könne davon ausgegangen werden, dass das Sportwettenmonopol trotz des Inkrafttretens des GlüÄndStV in der Praxis weiter bestand habe.

Dieser Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hat sich das Landgericht Wuppertal mit aller Deutlichkeit angeschlossen, wobei das Landgericht Wuppertal insbesondere auch auf die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit verweist, die von deutschen Behörden vollumfänglich zu beachten sei. Nach Auffassung des Landgerichts Wuppertal sei nicht nur ein ordnungsrechtliches Einschreiten unzulässig, sondern auch eine strafrechtliche Ahndung des Verhaltens der Beschuldigten sei wegen des Vorrangs des Europäischen Gemeinschaftsrechts schlechterdings ausgeschlossen.

So verweist das Landgericht Wuppertal explizit auch auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Ince (Urteil vom 04.02.2016), wonach man nicht auf das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis abstellen könne, wenn die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt worden sei. Genauso liege der Fall derzeit in Nordrhein-Westfalen, wie auch vom Oberverwaltungsgericht NRW zutreffend festgestellt.

Entscheidend sei letztlich, dass sich die Frage eines ordnungsrechtlichen Einschreitens für die Frage der Strafbarkeit auch gar nicht stelle. Denn § 284 StGB setze tatbestandlich ein Handeln ohne behördliche Genehmigung voraus. Angesichts der bestehenden Rechtslage und des unionsrechtswidrigen Sportwettenkonzessionsverfahrens könne aber ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt in Betracht kommen. Dabei sei der Behörde auch bekannt gewesen, dass die Sportwettvermittlung an einen international tätigen und am Konzessionsverfahren beteiligten Unternehmen, namentlich der Firma Cashpoint Malta Ltd. (XTiP) erfolge.

Eigene Anmerkung:

Mit diesem Beschluss wird einmal mehr deutlich, dass angesichts eines europarechtswidrigen und bis heute nicht abgeschlossenen Sportwettenkonzessions-verfahrens einem Vermittler von Sportwetten naturgemäß weder das Fehlen einer Erlaubnis vorgehalten werden kann, noch ein Strafbarkeitsvorwurf droht, wenn womöglich nicht alle Anforderungen an eine Erlaubnis, für die bis dato noch gar kein formal-rechtliches Erlaubnisverfahren eröffnet worden ist, gegen sind.

Die Frage der möglichen Erlaubnisfähigkeit eines Standortes oder die Frage der Erlaubnisfähigkeit bestimmter Wettarten dürfte sich ohnehin erst stellen, wenn das Erlaubnisverfahren für die Wettveranstalter verfassungs- und europarechtskonform ausgestaltet sein sollte. Erst dann, wenn die Wettveranstalter die Erlaubnis erhalten können, kann sich ein Wettvermittler um eine stationäre Wettvermittlungserlaubnis überhaupt sinnvoll bemühen. Erst dann werden sich auch die Fragen stellen, ob ein Standort geeignet ist und welche Wettarten konkret angeboten werden können. All dies ist zum jetzigen Zeitpunkt schlechterdings nicht deutlich erkennbar.

Im Übrigen wird die Sportwettvermittlerin wegen der ihr entgangenen Schäden Schadenersatzansprüche sowohl gegen die Stadt Solingen, als auch gegen die Staatskasse aufgrund der unrechtmäßigen Durchsuchung geltend machen.