Das Innenministerium sieht sich in dieser Haltung durch das Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 – 1 BvR 1054/01 – bestärkt, in dem das höchste deutsche Gericht dem Landessportwettenmonopol in Bayern zwar bescheinigt hatte, verfassungs- und europarechtswidrig zu sein, aber dem Freistaat noch eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2007 eingeräumt hatte, zu einem rechtstreuen Verhalten zurückzukehren. Solange erlaube es ihm jedenfalls das Verfassungsrecht, an seinem Monopol festzuhalten und private Wettvermittlungsbüros ordnungsbehördlich zu schließen.
Über europäisches Recht hat das Bundesverfassungsgericht dabei freilich ausdrücklich nicht entschieden. Es stellt zwar fest, dass deutsches Verfassungsrecht und Europarecht gleich laufen, so dass das Staatsmonopol jedenfalls in seiner derzeitigen Ausgestaltung nicht nur die deutsche Berufsfreiheit, sondern auch die europäischen Grundfreiheiten, namentlich die Dienstleistungs- und die Niederlassungsfreiheit verletze. Für die Entscheidung über die Vereinbarkeit des Monopols mit dem europäischen Recht erklärte es sich aber ausdrücklich als nicht zuständig.
Deshalb ist es derzeit an den Verwaltungsgerichten, über die Schließungsverfüguzngen der Behörden zu entscheiden. Das Europarecht schreibt ihnen dabei vor, europarechtswidrige nationale Normen – und dazu gehört auch die Übergangsregelung des Bundesverfassugnsgerichts – unangewendet zu lassen, wenn diese gegen das Europarecht verstoßen. Bei Zweifeln können die nationalen Gerichte den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersuchen.
Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat nun mit Beschluss vom 23.05.2006 – 1 L 374/05 –, das Verwaltungsgericht Minden mit Beschluss vom 26.03.2006 – 3 L 241/06 – privaten Wettvermittlern im Eilverfahren Recht gegeben. Da das nordrhein-westfälische Sportwettenrecht derzeit europarechtswidrig sei, könne es trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das sich nur auf Verfassungsrecht beziehe, nicht angewendet werden. Eine Übergangsfrist, in der die Mitgliedstaaten das Europarecht munter weiter brechen dürften, kenne das EG-Recht nämlich nicht. In der Tat hat der Europäische Gerichtshof eine solche Frist noch nie gewährt.
Das letzte Wort ist damit freilich noch nicht gesprochen, denn das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied vor kurzem gegenteilig. Es ist daher damit zu rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht in Münster den Streit wird klären müssen. Dabei wird es sich stärker als bisher mit dem Europarecht befassen müssen. Dessen Anwendungsvorrang haben die Verwaltungsgerichte Minden und Arnsberg im Gegensatz zum Verwaltungsgericht Düsseldorf sauber herausgearbeitet.