Ein generelles Verbot der Erteilung einer Glücksspielerlaubnis an private Anbieter ist gerechtfertigt

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Verwaltungsgericht Stade: Ein generelles Verbot der Erteilung einer Glücksspielerlaubnis an private Anbieter ist gerechtfertigt – kommentiert von Rechtsanwalt Wulf Hambach:

Das Verwaltungsgericht Stade hat am 27.11.2003 beschlossen (Az.: 6 B 1674/03), dass das im niedersächischen Landeslotteriegesetz (§ 3 Abs. 2 NLottG) geregelte generelle Glücksspielgenehmigungsverbot für private Anbieter mit dem europäischen gemeinschaftsrechtlichen Gedanken vereinbar sei. Die Gambelli-Entscheidung des EuGH stünde der Wirksamkeit eines derartigen Marktzugangsverbotes nicht entgegen, da das Verbot aufgrund bestehender sozialordnungspolitischer Gründe gerechtfertigt sei. Auszugsweise heißt es in der Entscheidungsbegründung:

„Die ausländische Firma B. (…) veranstaltet ihre Glücksspiele, ohne die Erlaubnis der zuständigen Behörden des Landes Niedersachsen (…) zu besitzen. (…) Die in ihrem Heimatstaat erteilte Erlaubnis wirkt nicht nach den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts auch in Deutschland. Es ist insoweit Sache der nationalen Stellen der Mitgliedsstaaten, das Glücksspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln (…).

Zwar liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufsausübung des Berufs eines Sportwettenunternehmers vor, wenn Veranstaltung und Vermittlung verboten sind und auch nicht erlaubt werden können(…). Ebenso stellt eine nationale Regelung, die wie § 3 Abs.2 NLottG private Unternehmer generell von der Möglichkeit einer Erlaubniserteilung ausschließt, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (…) und des freien Dienstleistungsverkehrs (…) dar.

(…) der Eingriff (…) (ist) jedoch gerechtfertigt (…). Das BVerwG hat (…) die Fernhaltung privater Veranstalter von Oddset-Wetten in Bayern als gerechtfertigt angesehen (…).“

„Es gibt auch im Hinblick auf die aktuelle Entscheidung des EuGH v. 6. November 2003 (Gambelli-Entscheidung) keinen Anlass, von dieser Einschätzung abzurücken.

Der EuGH hat in der zitierten Entscheidung eine Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gerade nicht festgestellt. Er hat lediglich (…) ausgeführt, dass nationale Regelungen, in denen Monopolstellungen verankert sind, (…) zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (…) und des freien Dienstleistungsverkehrs (…) darstellen.

Eine Verletzung (…) hat der EuGH hingegen nicht festgestellt, sondern die Entscheidung darüber, ob sich derartige monopolartige Regelungen rechtfertigen lassen, ausdrücklich den nationalen Gerichten überlassen.

Indem der EuGH weiter ausführt, es stehe im Ermessen, inwieweit ein Mitgliedstaat auf seinem Gebiet (…) Beschränkungen zum Schutz der Sozialordnung vorsehen wolle, hält der EuGH seine bisherige Rechtsprechung aufrecht. (…)

(…) unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die Regelung des § 3 Abs. 2 NLottG (…) durch Ziele der Sozialpolitik gerechtfertigt und verhältnismäßig.“

Kurzkommentar:

Erneut bedienen sich deutsche Richter einer Argumentation, der es an einem ausreichenden Verständnis für das europäische Gemeinschaftsrecht fehlt. Den mittlerweile „alten Hut“, dass Deutschland als Mitgliedstaat alles einschränken darf, was unter den Deckmantel „sozialordnungspolitische Gründe“ fällt, setzten sich die Gerichte im Zusammenhang mit Entscheidungen aus dem Glücksspielwesen immer wieder auf und zwar ohne sich genötigt zu sehen, dies eingehend zu begründen.

Diese Einstellung der Gerichte halte ich für bedenklich und auf längere Zeit gesehen für unhaltbar.

Denn eine wesentliche Aufgabe der Gerichte besteht darin, demjenigen, in dessen Grundrechte und durch den EG-Vertrag gewährten Rechte eingegriffen wird, verständlich und individuell bzw. einzelfallgerecht zu erklären, warum diese herben Eingriffe gerechtfertigt sein sollen.

Eben dieser Aufgabe werden die Gerichte, wie das Verwaltungsgericht Stade nicht gerecht, wenn sie pauschal mitteilen, dass der betroffene Anbieter bzw. Vermittler schwerwiegende Eingriffe in seine Rechte aus sozialpolitischen Gründen zu dulden habe.

Es wird nicht einmal ansatzweise versucht, dem Betroffenen zu erklären, warum der so oft vorgeschobene „sozialpolitische Grund der Eindämmung der Spielleidenschaft“ als Rechtsfertigungsgrund geeignet sein kann, wenn zugleich die staatliche Glücksspielindustrie stetig expandiert.

Das Verwaltungsgericht Stade hat zwar emsig aus der Gambelli-Entscheidung zitiert und meint nun, auf diese Weise europarechtskonform entschieden zu haben. Angesichts der vom Verwaltungsgericht Stade nicht zitierten Randnummer 69 der Gambelli-Entscheidung sieht die Sache jedoch anders aus: „Soweit nun aber die Behörden eines Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, können sich die Behörden dieses Staates nicht (…) auf die öffentliche Sozialordnung berufen, um Maßnahmen (…) zu rechtfertigen.“

Vor diesem Hintergrund muss es dem Betroffenen wie ein blanker Hohn vorkommen, wenn er vernimmt, dass die vornehmliche Aufgabe der Gerichte darin besteht, durch eine ausführliche und verständliche Entscheidungsbegründung zwischen den Parteien Rechtsfrieden zu schaffen.

Die Gerichte sollten schließlich nicht als der „lange Arm“ der staatlichen Glücksspielanbieter fungieren.

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