Bundesgerichtshof weist Klage der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co. OHG gegen Sportwettvermittlungsunternehmen zurück

Rechtsanwalt Guido Bongers

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Landgrafenstraße 49
D - 50931 Köln
Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat mit Urteil vom 02. Dezember 2009, welches erst jetzt mit schriftlicher Begründung zugestellt wurde, auf die Revision eines in den ersten beiden Instanzen durch die Kanzlei Bongers vertretenen Sportwettvermittlungsunternehmens ein zuvor erlassenes (rechtsfehlerhaftes) Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 28. April 2006 aufgehoben und die wettbewerbsrechtliche Klage der Lotteriegesellschaft in NRW gegen das Sportwettvermittlungsunternehmen und deren Geschäftsführung in Köln zurückgewiesen. (Az: BGH I ZR 91/06).

Das Sportwettvermittlungsunternehmen mit Sitz in Köln vermittelte zum Zeitpunkt der Klageerhebung Sportwetten in einer Wettannahmestelle in Köln an ein in Österreich ansässiges Wettveranstaltungsunternehmen. Die Lotteriegesellschaft nahm die Klägerin wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch und warf der Sportwettvermittlungsagentur und deren Geschäftsführung vor, gegen § 284 BGB zu verstoßen.

Sowohl das Landgericht Köln als auch das Oberlandesgericht Köln hatten zunächst der Klage der Lotteriegesellschaft stattgegeben. Diese Entscheidungen sind nun durch das höchste deutsche Zivilgericht aufgehoben worden. Der Bundesgerichtshof hat beide Entscheidungen kassiert und festgestellt, dass der Klägerin des Verfahrens gegen das Sportwettvermittlungsunternehmen gerade kein Anspruch auf Unterlassung nach den §§ 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 Sportwettengesetz NRW, § 3 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag AG NRW zustehe.

Dabei stellt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung auf den Zeitpunkt ab, zu dem der Unterlassungsanspruch erstmals geltend gemacht wurde. Dies war im vorliegenden Fall im März 2005 in der Annahmestelle in Köln.

Der Bundesgerichtshof führt zutreffend aus, dass im Zeitpunkt der Vornahme der vermeintlichen Verletzungshandlung in Nordrhein Westfalen die dort geltenden gesetzlichen Regelungen über die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen gegen nationales Verfassungsrecht und auch gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen haben. Das damalig in Nordrhein-Westfalen und den anderen deutschen Bundesländern errichtete staatliche Wettmonopol habe in seiner gesetzlichen wie auch tatsächlichen Ausgestaltung in dem im Streitfall maßgeblichen Zeitraum unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit privater Wettanbieter eingegriffen und sei deshalb mit Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar. Zugleich habe darin eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gelegen, worauf der Bundesgerichtshof ebenfalls unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausdrücklich verweist.

Dies gelte nicht nur für die Rechtslage in Bayern, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2006 für verfassungswidrig erklärt habe, sondern naturgemäß auch für die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen.

Liege ein verfassungswidriger Zustand vor, könne auch § 284 StGB nicht angewandt werden, wobei der Bundesgerichtshof auf eine vom Strafsenat des BGH im Jahre 2007 in einem Strafverfahren dargestellte Auffassung verweist. In dem damaligen Strafverfahren hatte der Unterzeichner einen Sportwettvermittlungsunternehmer aus Saarbrücken aufgrund eines gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens vertreten. Der Strafsenat des Bundesgerichtshofes hatte damalig ausgeführt, dass sich der Wettvermittler nicht nur auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen könne, sondern aufgrund der verfassungswidrigen Rechtslage auch eine objektive Anwendbarkeit der Strafnorm nicht gegeben sei.

Insgesamt ist damit festzuhalten, dass es in Deutschland als höchstrichterlich geklärt anzusehen ist, dass für den Zeitraum bis zum 28.03.2006 weder ein strafbares Verhalten noch ein wettbewerbswidriges Verhalten bei der Annahme und Vermittlung von Sportwetten an Unternehmen innerhalb der europäischen Gemeinschaft, die über entsprechende Konzessionen verfügen, gegeben war.

Bemerkenswert ist im Übrigen an der Entscheidung des Bundesgerichtshofes besonders, dass dieser nicht nur auf die verfassungswidrige gesetzliche Ausgestaltung des Wettmonopols abgestellt hat, sondern insbesondere auch hervorhebt, dass die tatsächliche Ausgestaltung des Wettmonopols verfassungs- und gemeinschaftswidrig gewesen sei.

Dies ist deshalb umso bedeutsamer, als eine Vielzahl deutscher Verwaltungsgerichte nach wie vor die Auffassung vertritt, auf die tatsächliche Ausgestaltung komme es nicht entscheidend an. Allein maßgeblich sei die gesetzliche Ausgestaltung. Diese Einschätzung wird z.B. durch den Bayrischen Verwaltungsgerichtshof vertreten. Sowohl das Bundesverfassungsgericht selbst als auch nunmehr der Zivilsenat des Bundesgerichtshofes weisen allerdings darauf hin, dass es maßgeblich auch auf die tatsächliche Ausgestaltung ankommt, so dass Gerichte anhand der hier gemachten Vorgaben höchster deutscher Gerichte selbstverständlich zu überprüfen haben, wie sich die tatsächliche Ausgestaltung des Wettmonopols darstellt. Dabei sind insbesondere Werbemaßnahmen, Vertriebssysteme, Anzahl der Lottoannahmestellen und Marketing-Maßnahmen in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, was indes von zahlreichen Verwaltungsgerichten schlicht nicht konkret untersucht wird.

Nachdem nicht nur das Bundesverfassungsgericht, sondern auch der Zivilsenat des Bundesgerichtshofes auf den vorbeschriebenen Prüfungsmaßstab verwiesen hat, ist zu hoffen, dass zukünftig auch sämtliche deutschen Verwaltungs-, Straf- und Zivilgerichte diesem Prüfungsmaßstäben gerecht werden. Betrachtet man insgesamt den Auftritt der Lotteriegesellschaften inklusive der Werbe- und Marketingmaßnahmen zum heutigen Zeitpunkt, so wird man nach unserer Einschätzung auch jetzt zu der Schlussfolgerung kommen müssen, dass weiterhin bzw. erneut eine verfassungs- und gemeinschaftswidrige Rechtslage besteht.