LG Erfurt (Beschluss vom 15. Mai 2024) zu Spielerklagen: Alle deutschen Zivilgerichte zur Aussetzung/Vorlage verpflichtet – auch der BGH.

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Unverständnis über Unwillen des Bundesgerichtshofs zur Vorlage an den EuGH.

Kurz nach seinem Hinweis zur beabsichtigten Vorlage mehrerer Fragen an den EuGH in einem Sportwettenfall legt das Landgericht nun nach: In einem von Hambach & Hambach geführten Verfahren bekräftigt das Gericht seine scharfe Kritik am Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofes vom 29. März 2024 im Fall gegen den Anbieter Betkick und kündigt gleichzeitig an, auch in Casino-Fällen „alle entscheidungsrelevanten Fragen“ dem EuGH vorzulegen.

„Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, der das Online-Casino betrifft, mit – nicht begründetem – Beschluss vom 10. Januar 2024 ein Revisionsverfahren (Az. I ZR 53/23) bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in diesem Vorabentscheidungsverfahren ausgesetzt. In einem Sportwetten betreffenden, mitlerweile erledigten Revisionsverfahren (Az.: I ZR 88/23) hat der Bundesgerichtshof hingegen weder ausgesetzt, noch selbst vorgelegt, vielmehr hat er am 22. März 2024 einen Hinweisbeschluss zur Rechtslage erlassen. Dieser Hinweisbeschluss trifft auf Kritik. Die Vorbehalte zielen nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Tatsache, dass keine eigene Anrufung des Europäischen Gerichtshofes erfolgte.

Für EuGH-Vorlagen aus Deutschland sprechen gute Gründe. […]

Es tritt hinzu, dass sich das Vorlagerecht von Instanzgerichten zu einer Vorlagepflicht verdichtet haben könnte. Es wäre wünschenswert, wenn deutschlandweit Gerichte zu einer Vorlage schritten, damit der Gerichtshof ein umfassendes Tableau vor Augen hat.“

Christian Reidel, Partner bei Hambach & Hambach und ehemaliger Zivilrichter ergänzt: „Das Landgericht Erfurt kritisiert zurecht den Umgang der deutschen Gerichte mit den Spielerklagen. Denn es wurde bislang mit großem Aufwand begründet, warum sich die Gerichte nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet sahen, anstatt die nötige Rechtsklarheit bei der Anwendung Europäischen Rechts zu schaffen.“

Eine selbstständige Vorlage durch deutsche Gerichte bringt dabei seinen eigenen Mehrwert: Im Falle der Streichung von Vorlagefragen des maltesischen Prim’Awla tal-Qorti Civil müsste die deutsche Rechtspraxis weiterhin und möglicherweise noch jahrelang – so das Gericht – mit erheblicher Rechtsunsicherheit und neuer Unübersichtlichkeit leben.

Beide Seiten haben nun bis Mitte Juni Zeit zur Stellungnahme. Im Anschluss bleibt zu erwarten, dass sämtliche klärungsbedürftigen unionsrechtlichen Fragestellungen und Problemata – zu Online Sportwetten wie Online Casino – vor den EuGH gebracht werden, dem hier das letzte Wort zukommt.