Gerichte verneinen Ansprüche gegen Schwester- und Muttergesellschaften bzw. deren Organe in Bezug auf Spielverluste im Internet
In den letzten Monaten haben sich insbesondere deliktische Schadenersatzklagen in Bezug auf Casinoverluste gegen nicht operative Gesellschaften gehäuft.
In den Ansprüchen gegen die Muttergesellschaften und deren Organe wird von Klägerseite regelmäßig vorgetragen, dass den beklagten Parteien aufgrund des eindeutigen Wortlautes des österreichischen Glücksspielgesetzes von Anfang an klar sein hätte müssen, dass es unzulässig wäre, quasi über die vermeintliche „Hintertür“ der europäischen Freizügigkeitsbestimmungen eindeutige Verbotsbestimmungen (österreichisches Glücksspielgesetz) zu ignorieren um in weiterer Folge „Dienstleistungen“ anzubieten, welche darauf gerichtet wären, teilnehmende Personen zu massiven Spielverlusten zu verleiten. Hierzu wäre auch auf die eindeutige höchstgerichtliche Rechtsprechung (österreichisch UND europäisch) zu verweisen, wodurch die vermeintliche „Rechtsansicht“ der von den beklagten Parteien genannten „Experten“ negiert werden würde. Darüber hinaus wären sich die beklagten Parteien auch nach Beischaffung von Rechtsgutachten im Klaren gewesen, dass Glücksspielangebote auf diesem Wege gerade verboten waren und hätten sich trotzdem wissentlich dazu entschlossen, Tochter zu gründen und Glücksspiel anbieten zu lassen. In diesem Sinne lege eine Verschuldenshaftung beider beklagten Parteien im Sinne der §§ 1301, 1302 ABGB iVm den Bestimmungen des österreichischen Glücksspielgesetzes vor.
Das OLG Linz betätigt in seiner Entscheidung 3 R 111/23y die Auffassung der erstinstanzlichen Gerichte. Das Gericht gab zwar den Ausführungen der Berufung insoweit Recht, als die Bestimmungen des GSpG nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich als Schutzgesetz einzustufen wären. Allerdings hätten weder die Muttergesellschaft noch die Tochtergesellschaft Casinoprodukte gemäß § 2 GSpG jemals ausgeübt, sodass ihnen keine (unmittelbare) Schutzgesetzverletzung vorgeworfen werden könne. Zudem bestünde weder ein Haftungsdurchgriff gegenüber der Muttergesellschaft noch gegen das Organ. Aus der bisherigen Rechtsprechung des OGH ließe sich ableiten, dass die bloße Stellung als konzernleitende „Muttergesellschaft“ und die damit einhergehende Möglichkeit, auf das Angebot der „Konzerntöchter“ Einfluss zu nehmen, für eine schadensersatzrechtliche Haftung nicht ausreichen lässt. Konkrete Tatbeiträge der Muttergesellschaft hätte das Beweisverfahren nicht ergeben. Es legen auch keine Beweisergebnisse dafür vor, dass die Tochtergesellschaft deshalb gegründet worden wäre, um das österreichische Glücksspielgesetzt zu umgehen Vielmehr gingen im Zeitraum 2004/05 sämtliche beteiligten Personen mit guten Gründen davon aus, dass Online Glückspiel in Österreich auch ohne eine österreichische Glücksspiellizenz legal angeboten werden könne. Als eine der wenigen Glücksspielanbieter hätten die Beklagten das Glücksspielangebot im Herbst 2021 eingestellt. Da der Konzern an sich keine Rechtsfähigkeit habe, gebe es auch keine besonderen Konzernorgane, wie Konzernvorstand oder Konzernaufsichtsrat. Vorstand und Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft wären nicht befugt, in die Leitung der untergeordneten Konzernglieder direkt einzugreifen bzw. rechtlich verbindliche Weisungen zu erteilen (vgl. 6 Ob 209/20h). Schon aus diesem Grund scheide auch eine Haftung des Organs für die vom Kläger erlittenen Schäden aus.
Der OGH wies in einer Entscheidung (6 Ob 12/23t) ebenso eine Haftung der maltesischen Schwestergesellschaft für Casinoverluste der operativen Gesellschaft zurück. Die gegen die Klagsabweisung gerichtete außerordentliche Revision des Klägers zeige keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Bereits das OLG Wien hatte die Klage mangels Passivlegitimation abgewiesen. Der Kläger hatte im Zeitraum 2006 bis 2018 diverse Online Glücksspiel gespielt. In den AGB war geregelt, dass die operative Gesellschaft Casinospiele in Österreich anbietet, während die Spieler mit der beklagten Schwestergesellschaft eine Vertragsbeziehung in Bezug auf das Sportwetten-Angebot eingingen. Beide Gesellschaften verfügten über die entsprechenden maltesischen Genehmigungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Rechtsprechungsgrundsätze zur Geltungskontrolle in AGB enthaltener Klauseln gemäß § 864a ABGB wurden von der Revision nicht bezweifelt. Bereits das Berufungsgericht war der Auffassung, die Klauseln laut der zwischen der Erstbeklagten als Anbieterin der Sportwetten und der Zweitbeklagten als Anbieterin der Glücksspiele unterschieden wird, befinde sich bereits im ersten Punkt der AGB in deren allgemeinen Bestimmungen und damit nicht „versteckt“. Daran ändere auch die Anführung beider Beklagter im „Impressum“ der von ihnen gemeinsam betriebenen Website nichts. Es sei auch nicht ungewöhnlich oder überraschend, dass in den AGB zweier Gesellschaften, die eine gemeinsame Homepage betreiben, ausdrücklich klargestellt werde, welche Gesellschaft in Ansehung welcher unterschiedlicher Leistungsangebote, die nicht üblicherweise von einem Anbieter stammten, Vertragspartnerin werden solle. Dieser Auffassung schloss sich der OGH nunmehr vollinhaltlich an.
Quelle: Österreichische Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG)