Sportwett-Monopol gerät vor den Verwaltungsgerichte in die Defensive

Wer geglaubt hatte, mit Inkrafttreten des GlüStV würde das staatliche Wettmonopol nicht nur gesetzlich fixiert, sondern sich auch in der Praxis durchsetzen, wird mit einiger Ernüchterung auf die ersten drei Monate Vertragsdauer schauen. Im terrestrischen Bereich haben die privaten Sportwetten bisher deutlich an Boden gewonnen. Und im Internet sind private Wettangebote aus dem EU-Ausland weiterhin uneingeschränkt zugänglich. Bereits die Rechtsprechungsentwicklung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 hatte einen nur für Kenner der Materie durchschaubaren, für Außenstehende dagegen nicht nachvollziehbaren juristischen „Flickenteppich“ produziert, auch wenn am Ende die Monopolseite bei den Verwaltungsgerichten sowohl erst- als auch zweitinstanzlich zumindest numerisch deutlich vorne lag.

Rechtsanwalt<br>Dr. Ronald ReichertAnders als damals läßt sich nunmehr nach drei Monaten gerichtlichen Auseinandersetzungen zum GlüStV aber keine Trendwende erkennen, – im Gegenteil. Während Kein einziges der Verwaltungsgerichte, die schon bislang zugunsten der Vermittler europäischer Sportwetten entschieden haben, im neuen Jahr seine Linie aufgegeben hat, haben in immerhin fünf andern Verwaltungsgerichtsbezirken Kammern die Seite gewechselt (Neustadt/W., Kassel, Berlin, Braunschweig, München) und Eilanträgen von Vermittlern stattgegeben, die dort noch im alten Jahr aussichtslos gewesen wären.

Im einzelnen stellt sich die Bilanz derzeit wie folgt dar: In nunmehr elf Verwaltungsgerichtsbezirken (Arnsberg, Berlin, Braunschweig, Frankfurt/M., Gießen, Kassel, Mainz, Minden, München, Neustadt/W., Stuttgart) hatten Eilanträge von Wettannahmestellenbetreibern wegen verfassungs- und/oder gemeinschaftsrechtlicher Bedenken gegen die neue Rechtslage erstinstanzlich Erfolg. Neuen Eilanträgen war dagegen nur in drei Verwaltungsgerichtsbezirken (Chemnitz, Koblenz, Karlsruhe) aufgrund einer Bewertung des GlüStV als verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonform erstinstanzlich kein Erfolg beschieden. In Hauptsacheverfahren haben zahlreiche Gerichte wegen der gemeinschaftsrechtlichen Bedenken dem EuGH vorgelegt (VG Schleswig) oder die Verfahren ausgesetzt (VG Regensburg), darunter auch solche, die vor dem 1.1.2008 noch einer verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonformen Rechtslage ausgingen. Die Bedenken der Gerichte gelten ganz unterschiedlichen Aspekten. Zum Teil knüpfen sie an der widersprüchlichen Regelung der verschiedenen Bereiche des Glücksspiels an (Arnsberg, Frankfurt/M., Gießen, Kassel, Minden, München, Stuttgart), zum Teil am fortgesetzten flächendeckenden Vertrieb der staatlichen Sportwetten (Berlin, Mainz, Minden, Neustadt/W.), zum Teil an der Diskriminierung im EU-Ausland zugelassener Veranstalter (Mainz, Minden), aber auch schlicht an der mangelnden Erforderlichkeit des Staatsvorbehaltes (Arnsberg).

Der jüngste Beschluß des Verwaltungsgerichtes Berlin befaßt sich auf 41 Seiten sehr intensiv mit den vielfältigen verfassungsrechtlichen Defiziten der neuen Rechtslage, wobei die Kammer die Frage der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit sogar offen lassen konnte. Er stellt heraus, daß nicht nur die Praxis des staatlichen Wettbetriebs derzeit weiterhin nicht den vom Bundesverfassungsgericht bestimmten Anforderungen an ein verfassungskonformes Regelungsmodell entspricht, sondern dies auch auf einem fortbestehenden Regelungsdefizit beruht.

All dies bestätigt die Warnungen, die von verschiedensten Seiten schon im Gesetzgebungsverfahren laut wurden, von den Ländern aber aus Gründen vermeintlicher politischer Opportunität übergangen wurden.

Auch in der zweiten Instanz ist bislang die Aufrechterhaltung des Monopols zumindest für den terrestischen Vertrieb bislang nicht als verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonform bewertet worden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zwar einen Eilantrag zum neuen Recht abgelehnt, sieht aber zugleich Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren. Die Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität reichen nach Meinung des Senates lediglich noch nicht aus, um dem Staat aufzuerlegen, nicht nach GlüStV zugelassene Betätigungen Privater einstweilen zu dulden.

Lediglich im Bereich der Internet-Wetten sowie der Werbung hierfür konnte sich in zwei oberverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren die Behördenseite teilweise durchsetzen (Hamburg: Internetangebot ja, aber Anbringung eines Disclaimers; Nordrhein-Westfalen: Werbeverbot ja wegen fehlender Erlaubnis), während das Verwaltungsgericht Schleswig diesbezüglich das erwähnte Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof richtete. Dieser Ausgang gerade im Internet-Bereich ist um so überraschender, als die Kommission schon im Notifizierungsverfahren in aller Deutlichkeit die Neuregelung als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilte und das neue Mahnverfahren gegen die Bundesrepublik sich maßgeblich dagegen richtet. Sie überrascht zudem, weil manche Länder (die hessische Landesregierung) und zahlreiche Experten im vergangenen Jahr bestätigten, dass gerade das Internetangebot in besonderer Weise geeignet ist, mit Schutzvorkehrungen Suchtprävention und Jugendschutz zu betreiben.

Letztlich kann dies aber dahinstehen. Durchsetzen läßt sich das Internetverbot ohnehin nicht. Daran vermögen auch Disclaimer nichts zu ändern. Was bleibt ist dann die schon in den Gesetzgebungsverfahren und von der Kommission zu recht aufgeworfene Frage, welchen Sinn ein Internetverbot ergibt, das im Vollzug scheitert, und ob dem angeblichen Zweck des Verbraucherschutzes (Suchtprävention, Jugendschutz) nicht viel mehr geholfen wäre, wenn in Deutschland zugelassene Anbieter in Deutschland überprüften Vorkehrungen entsprechen.

Vernünftigerweise müsste das die Politik wieder auf den Plan rufen. Ob die Länder nach dem Kraftakt des Glückspielstaatsvertrages dazu den Mut haben, bleibt abzuwarten. Wünschenswert wäre es – nicht nur unter verbraucherschützendem und rechtsstaatlichem, sondern auch unter ordnungspolitischem Gesichtspunkt. Es steht ein Stück Glaubwürdigkeit auf dem Spiel .

Rechtsanwalt Dr. Reichert

Redeker Sellner Dahs & Widmaier
Dr. Ronald Reichert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Mozartstraße 4-10
53115 Bonn