Landgericht Frankfurt a. M. hebt Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt gegen Sportwettvermittler auf

Rechtsanwalt Guido Bongers

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Landgrafenstraße 49
D - 50931 Köln
Das Landgericht Frankfurt a. M. hat durch Beschlüsse in mehreren Verfahren (darunter 5 / 6 Qs 10/07) auf die Beschwerde der Betroffenen Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt a. M., die dazu geführt haben, dass zahlreiche Wettannahmestellen im Stadtgebiet Frankfurt Anfang Januar 2007 durchsucht wurden, aufgehoben, weil diese Durchsuchungsbeschlüsse rechtswidrig waren. Das Amtsgericht Frankfurt a. M. hatte in zahlreichen Fällen Durchsuchungsbeschlüsse auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen die Betreiber der Wettannahmestellen mit der Begründung erlassen, die Durchsuchung könne zur Auffindung von Unterlagen über das Wettangebot, Mietvertragsverhältnisse zwischen Wettvermittler und Wettveranstalter, sowie weiterer Unterlagen und Beweismittel führen. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beschuldigten hatten nunmehr in mehreren Verfahren Erfolg.

Das Landgericht Frankfurt hat in seinen Beschlüssen festgestellt, dass derartige Durchsuchungsmaßnahmen der Geschäftsräumlichkeiten und die anschließende Sicherstellung von Gegenständen und Unterlagen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und die Durchsuchungen deshalb rechtswidrig sind. Die Durchsuchung sei zur Ermittlung und Verfolgung einer Straftat nach § 284 StGB schon nicht erforderlich gewesen, weil die Betreiber der Annahmestellen nie in Abrede gestellt haben, welche Tätigkeit sie ausüben. Sie haben in den dortigen Verfahren ihr Gewerbe angemeldet und den Ablauf ihres Geschäfts im Rahmen der Verwaltungsstreitverfahren dargelegt. Insofern reduziere sich die Frage, ob eine solche Tätigkeit strafbar sei, allein darauf, dass man dies rechtlich bewerte. Einer Beschlagnahme von Gegenständen und Unterlagen bedürfe es deshalb nicht.

Zudem sei die Durchsuchung auch im Hinblick auf die Schwere des Tatvorwurfes zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverhältnismäßig. Dabei müsse einerseits die bestehende Rechtsunsicherheit bei der Beurteilung der Strafbarkeit des Handelns, andererseits die zu erwartende Strafe bei einer Bestätigung des Tatverdachtes berücksichtigt werden. Das Landgericht stellt dann klar, dass jedenfalls Tathandlungen vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 schon nicht strafbar sind, weil die bestehende Monopolstellung nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts sowohl gegen geltendes Verfassungsrecht, als auch gegen geltendes Gemeinschaftsrecht verstoßen hat. Die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nach Artikel 43, 49 EG-Vertrag stehe den derzeitigen nationalen Regelungen entgegen, sodass der Erlaubnisvorbehalt des § 284 StGB nicht greifen könne.

Hinsichtlich der Strafverfolgung für Taten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verweist das Landgericht darauf, dass eine verwaltungsrechtliche Klärung bis heute nicht abschließend ergangen ist. Es gäbe zwar Strafgerichte, die bislang missachtet hätten, dass eine Anwendbarkeit der verwaltungsrechtlichen Normen nur unter den vom Bundesverfassungsgericht explizit aufgestellten Maßgaben und Voraussetzungen möglich sei. Diese Rechtsauffassung sei jedoch unzutreffend, da Strafgerichte grundsätzlich davon auszugehen hätten, dass auch nach dem 28.03.2006 § 284 StGB wegen des Vorranges des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht neutralisiert wird, also nicht angewandt werden kann. Zudem müsste im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob das jeweils betroffene Bundesland den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts inzwischen nachgekommen sei. Auch diesbezüglich bestünden jedoch Bedenken, da die Rechtmäßigkeit eines Grundrechtseingriffes, wie die hier angefochtenen Durchsuchungsmaßnahmen, schlechterdings nicht davon abhängen können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es dem Staat als Monopolisten zwischenzeitlich gelungen ist, in der tatsächlichen Ausgestaltung seines Wettangebotes, Art und Zuschnitt betreffend, durch entsprechende Maßnahmen auch bezüglich Vertrieb und Marketing ein verfassungsrechtlich geforderte Konsistenz herzustellen. Die Strafandrohung des § 284 StGB ist nur schwerlich erkennbar und vorhersehbar. Es werde das im Strafrecht geltende Bestimmtheitsgebot des Artikels 103 Abs. 2 GG, ein Wesenselement des Rechtsstaates einer solchen Rechtseinschätzung verletzt.

Schließlich ist das Landgericht der Auffassung, dass die Durchsuchung auch unverhältnismäßig sei, da der dem Beschuldigten gemachte Schuldvorwurf sowohl zeitlich als auch inhaltlich äußerst geringfügig sei. Besonders hervorzuheben ist die Feststellung des Landgerichts, dass die Durchsuchung faktisch als Durchsetzung verwaltungsbehördlicher Verbotsverfügungen mit strafrechtlichen Mitteln gewirkt habe. Dieser Hinweis des Landgerichts ist insoweit von besonderer Bedeutung, als sich offensichtlich auch dem Landgericht der nachhaltige Eindruck aufgedrängt hat, dass die strafrechtlichen Durchsuchungsmaßnahmen einzig und allein dem Zweck gedient haben, die Verbotsverfügungen der Stadt Frankfurt durchzusetzen. Dies hält das Gericht ebenfalls für unzulässig.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass mittlerweile auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die überwiegende Rechtsprechung deutscher Strafgerichte von einer Unanwendbarkeit der deutschen Strafnorm ausgeht. Die Divergenz zur Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte wird damit zunehmend größer und für den Bürger unverständlicher.