Die EU lässt nicht mit sich spielen

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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RA Dr. Wulf Hambach und Sarah Madden, Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung zum Thema Glücksspiel in der EU bestätigt, dass es zwischen den Mitgliedstaaten der EU wesentliche Unterschiede in der Handhabung des Glücksspiels gibt. Wie die Studie u.a. zeigt, schränken die gesetzlichen Regelungen zum Glücksspiel in den meisten Mitgliedstaaten die Grundfreiheiten des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit auf EU-rechtswidrige Art und Weise ein. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Deutschland betreffende Teil, der auf der Kommentierung der Kanzlei Hambach & Hambach beruht (Appendix 5, S. 1716).

Bislang wurden von der EU-Kommission zehn Vertragsverletzungsverfahren gegen neun Mitgliedstaaten wegen unzulässiger Beschränkungen von Dienstleistungen im Glücksspielbereich eingeleitet. Zuletzt wurden Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, Frankreich und erneut ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet. Vorangegangen waren im April dieses Jahres Verfahren gegen Dänemark, Finnland, Deutschland, Ungarn, Italien, die Niederlande und Schweden (wir berichteten in unseren Betting Law News 06/05, 07/05 und 01/06).

Alle Verfahren beziehen sich auf die Veranstaltung von Sportwetten; nur das Verfahren gegen Österreich betrifft auch das Angebot der Spielbanken und die Diskriminierung ausländischer Spieler.

In all diesen Fällen möchte sich die Kommission darüber Klarheit verschaffen, ob die in Frage stehenden Regelungen mit geltendem EU-Recht vereinbar sind. An alle betroffenen Mitgliedstaaten ergingen offizielle Auskunftsersuchen zur Klärung der Frage, welche nationalen (gesetzlichen) Sportwetten-Beschränkungen es in den betreffenden Mitgliedstaaten gibt.

Diese sog. „schriftlichen Auskunftsersuchen“ bilden die erste Phase in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG, in der der jeweilige Mitgliedstaat zunächst gehört werden soll. Die Verfahren wurden eingeleitet, weil sich eine Vielzahl privater Sportwettenanbieter bei der Kommission beschwert hatte und die Kommission nach eigener Überprüfung die Beschwerden für stichhaltig ansah. Die betroffenen Mitgliedstaaten haben grundsätzlich zwei Monate Zeit, um sich zum Sachverhalt zu äußern. Hierbei müssen die Mitgliedstaaten sowohl zu den gesetzlichen, als auch zu den tatsächlichen Umstände in ihrem Land Stellung nehmen.

Obwohl sich bereits einige Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, in der Sache geäußert haben, ist mit einer Entscheidung der Kommission über die Fortführung der Verfahren nicht vor Ende dieses Jahres zu rechnen. Auf operativer Ebene jedenfalls hält die Kommission dauerhaft Kontakt zu den Mitgliedsstaaten.

Abhängig von den Antwortschreiben der jeweiligen Mitgliedstaaten entscheidet die Kommission darüber, ob das Verfahren eingestellt wird, oder sie eine sogenannte „begründete Stellungnahme“ abgibt. In einer solchen „begründeten Stellungnahme“ werden die Gründe für die Annahme einer Verletzung geltenden EU-Rechts klar dargelegt und dem Mitgliedstaat wird eine Frist zur Beseitigung der Missstände im eigenen Land gesetzt. Kommt der Mitgliedstaat einer solchen Aufforderung nicht nach, leitet die Kommission ein gerichtliches Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Möglicherweise erkennen einige Mitgliedstaaten tatsächlich, dass die bestehenden Beschränkungen des privaten Sportwettenmarktes gegen geltendes EU-Recht verstoßen und passen die entsprechenden Vorschriften an die Vorgaben der EU an. Für gewöhnlich genügen solche „begründeten Stellungnahmen“ der Kommission, um die Mitgliedstaaten wieder auf einen EU-rechtskonformen Kurs zu bringen.

Sollten die Mitgliedstaaten in den Vertragsverletzungsverfahren wegen der Beschränkung privater Sportwettenangebote allerdings nicht einlenken, so wird EU-Binnenmarkt-Kommissar McCreevy „gegebenenfalls bis zur letzten Instanz zu gehen”, wie er kürzlich in einem Spiegel-Interview (23. Oktober 2006) ankündigte.

Auf Grund der eher eingeschränkten Macht eines einzelnen EU-Kommissars und wegen der langen Dauer eines Vertragsverletzungsverfahrens wird es jedoch noch ein weiter Weg bis zur Entscheidung in „letzten Instanz” sein. Vorsichtig geschätzt wird ein solches Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat wegen EU-rechtswidriger Beschränkung privater Sportwettenangebote mindestens fünf Jahre dauern, wenn nicht noch länger.

Da bereits gerichtliche Verfahren aus Italien und Deutschland vor dem EuGH verhandelt werden, wird es in diesen wohl eher zu einer Entscheidungen des EuGH kommen, bevor die Vertragsverletzungsverfahren überhaupt Wirkung zeigen.