Schwere Niederlagen für staatlichen Glücksspielanbieter

Bundesgerichtshof verschafft EU-Anwendungsvorrang Geltung

Ein Artikel von Rechtsanwalt Boris Hoeller

Mit fünf Urteilen vom 18.11.2010 hat der Bundesgerichtshof Lotterie, (Sport-)Wett- und Casinospielanbietern Recht gegeben und Unterlassungsklagen, die auf unterschiedliche Tätigkeiten gerichtet waren, wie etwa Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Kasinospielen oder Lotterien durch Sachurteil abgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung am 22.07.2010 hatten die obersten Bundesrichter Zweifel geäußert, ob die Strafnormen der §§ 284, 287 StGB im Lichte der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Rechtsprechung als hinreichend bestimmt angesehen werden können. Eine Strafbarkeit könne nicht von der Würdigung tatsächlichen Verhaltens staatlicher Glückspielanbieter abhängig gemacht werden.

Zwar liegt die schriftliche Begründung der Urteile noch nicht vor, doch alleine der Inhalt des Urteilstenors läßt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass die Bundesrichter dem Anwendungsvorrang des EU-Gemeinschaftsrechts Geltung verschafft haben.

Die Fälle betrafen den Zeitraum nach Verkündung des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts, aber vor Geltung des Glücksspielstaatsvertrages. Bereits am 22.07.2010 am Schluss der Sitzung hatte der Bundesgerichtshof in zwei sog. Altfällen ebenfalls auf Klageabweisung erkannt. Nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes vom 8. September 2010 spricht allerdings vieles für eine Übertragbarkeit auch auf den Zeitraum seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages, da zum Glücksspiel anreizende Werbeaktivitäten seitdem ununterbrochen festzustellen waren und eine gesetzessystematische Mißkonstellation zu beanstanden ist.

Das pikante: Nicht nur, dass die Lottogesellschaft nun erhebliche Prozesskosten erstatten muss, teilweise hatte sie bereits Vollstreckungsverfahren eingeleitet, denen nun der Rechtsgrund entfallen ist.

Die Urteile dürften auch erhebliche Auswirkungen auf die am 24.11.2010 in Leipzig vor dem Bundesverwaltungsgericht zu verhandelnden Fälle haben. Sollten die Verwaltungsrichter des Bundes die Sache anders als der Bundesgerichtshof sehen, dürfte dies ohne Anrufung des gemeinsamen Senats wohl nicht erfolgen dürfen.

BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 Az.: I ZR 163/07, I ZR 170/07;
Urteile vom 18. November 2010 Az: I ZR 156/07, I ZR 159/07, I ZR 165/07, I ZR 168/07, I ZR 171/07

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