Beitrag von Prof. Dr. Richard Schmidt, Rechtsanwalt/Steuerberater
Die Beihilfeentscheidungen
SA.44944 - Steuerliche Ungleichbehandlung Spielbanken/Spielhallen SA.48580 – Beihilfe zugunsten der WestSpiel – NRW
In den beiden Fällen hatte die EU-Kommission (KOM) im ausgelaufenen Jahr 2024 zwei Rückforderungsbeschlüsse angenommen, i.e.
- Beschluss vom 20.6.2024 in dem Fall SA.44944 und SA.53552 – Steuerliche Behandlung von Spielbankunternehmern und mutmaßliche Garantie für Spielbankunternehmer (Wirtschaftlichkeitsgarantie) sowie
- Beschluss vom 22.11.2024 in dem Fall SA.45580 zugunsten der WestSpiel.
Hier ist insbesondere der Umstand zu erwähnen, dass derartige Rückforderungsanordnungen der KOM nicht allzu oft vorkommen, was die folgende Kommissionsstatistik zeigt:
Aus dieser ergibt sich Folgendes:
- Seit dem Jahre 2017 ist die Anzahl der in der EU-28 bzw. danach EU-27 im Allgemeinen pro Jahr angenommenen Rückforderungsbeschlüsse nur noch einstellig gewesen (im Bereich von einem bis maximal sieben solcher Beschlüsse).
- Gegenüber Deutschland im Besonderen war der letzte Rückforderungsbeschluss vor demjenigen vom 20.6.2024 in dem Fall SA.44944 im Jahre 2018 angenommen worden.
SA.44944 - Steuerliche Ungleichbehandlung Spielbanken/Spielhallen
Der Beschluss bestätigt ausdrücklich das Vorliegen eines Wettbewerbs zwischen Spielhallen und Spielbanken wie folgt, wobei dieses Wettbewerbsverhältnis ausdrücklich nicht auf die Geldautomaten beschränkt wird:
„So stehen Spielbankunternehmer zumindest zu einem gewissen Grad im Wettbewerb mit Spielhallen (insbesondere in Bezug auf Spielautomaten) und konkurrieren auf dem weiten Markt für Glücksspiele und dem breiteren Unterhaltungsmarkt mit anderen Unternehmen. Selbst bei Tischspielen stehen Spielbankunternehmer zu einem gewissen Grad mit Spielhallen, Online-Anbietern und Spielbanken anderer Mitgliedstaaten im Wettbewerb.“ (Fall SA.44944, Tz. 132 a.E.)
Hierdurch ist endgültig die (fehlgeleitete) Einschätzung der deutschen Steuer- und Verwaltungsrechtsprechung „entzaubert“.
So hatte das Schleswig-Holsteinische VG noch am 12.9.2024 wie folgt befunden:
„Gemessen hieran liegen bei der Besteuerung von Spielgeräten in Spielbanken und in Spielhallen bzw. Gaststätten keine vergleichbaren Sachverhalte vor, die einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung bieten.“ (Az. 4 A 73/22, Tz. 19)
Die Vergnügungssteuerpflicht der Spielbanken
Nach Maßgabe des Beschlusses befinden sich Spielhallen und Spielbanken im Hinblick auf das Ziel der Vergnügungssteuer, „Vergnügungstätigkeiten zu besteuern“, in einer vergleichbaren Situation:
Das sekundäre Lenkungsziel der Vergnügungssteuer wurde als unerheblich für den Gesamtbelastungsvergleich angesehen:
„Nach den Ausführungen der deutschen Behörden kann mit der Vergnügungssteuer zusätzlich auch das außerfiskalische Lenkungsziel verfolgt werden, die Spielsucht einzudämmen (d. h. die Attraktivität des Glücksspiels zu verringern, das als riskante bzw. gesellschaftlich unerwünschte Tätigkeit angesehen wird).
Ein solches sekundäres und nur mögliches Ziel kann bei der Selektivitätsprüfung jedoch nicht berücksichtigt werden: Einige Arten der Vergnügung, die in vielen Städten der Vergnügungssteuer unterliegen, sind weder riskante noch gesellschaftlich unerwünschte Beschäftigungen, sodass dieses angebliche sekundäre Ziel nicht oder zumindest nicht immer relevant ist. Ferner ist dieses sekundäre Ziel schlicht Ausdruck der Tatsache, dass jede steuerliche Belastung einer Tätigkeit diese unter sonst gleichen Bedingungen weniger attraktiv macht (auf der Nachfrage- oder der Angebotsseite): Somit wäre dieses Ziel die direkte Folge des primären Ziels, ohne dass es sich von diesem primären Ziel unterscheidet oder eine andere Gestaltung der Steuer erfordert, sodass eine gesonderte Würdigung nicht erforderlich ist. Darüber hinaus haben die deutschen Gerichte ausdrücklich festgestellt, dass selbst wenn mit der Vergnügungssteuer ein solches zusätzliches Ziel verfolgt wird, dies nicht den primären Zweck der Steuer und ihr Verhältnis zum Vergnügungsaufwand des Spielers infrage stellen sollte“. 1
Folglich sind Spielbanken auch mit der Vergnügungssteuer zu belasten; die entsprechenden Vergnügungssteuersatzungen der Kommunen müssen angepasst werden.2
Folgender Satz aus einem jüngsten Urteil des Schleswig-Holsteinischen VG vom 12.9.2024 ist dadurch eindeutig als aus beihilferechtlicher Sicht falsch entlarvt:
„Anders als die Spielbankabgabe verfolgt die Erhebung der Vergnügungssteuer als Steuerungsmechanismus das Ziel, die Spielhallenflut und die Spielsucht einzudämmen (OVG Schleswig, Urteil vom 14. Mai 1993 – 2 L 115/92 – juris Rn. 27). Dieser Lenkungszweck rechtfertigt eine um die Vergnügungssteuer erhöhte Gesamtsteuerbelastung der Klägerin im Vergleich zur Gesamtsteuerbelastung einer Spielbank (vgl. FG Bremen, Urteil vom 17. März 2021 – 2 K 120/20 (1) – juris Rn. 119).“ 3
Die Vorgaben für die Berechnung der Vergnügungssteuer der Spielbanken
Die Merkmale der Besteuerung auch der Spielbanken sollten nach Maßgabe des Beschlusses dieselben sein wie bei den Spielhallen. Es sind daher (grundsätzlich) keine niedrigeren Bemessungsgrundlagen und keine niedrigeren Steuersätze für die Spielbanken gerechtfertigt.4
Spielbanken und Spielhallen befinden sich sehr wohl in einer vergleichbaren, nicht aber in einer identischen (vollkongruenten) (Regulierungs-)realität, was aus den unterschiedlichen Auszahlquoten resultiert, die bei Ersteren zwischen 85 bis 95 % und bei Letzteren zwischen 65% bis 75 % liegen.
Stellt man daher auf die in dem Beschluss genannte „Person, die sich ein Vergnügen leistet“, (Fall SA.44944, Tz. 192) ab, so kann diese sich – hier exemplarisch mit einem „Anfangsbudget“ von € 100 gerechnet – in einer Spielhalle Spieleinsätze zwischen € 286 bis € 400 leisten, in einer Spielbank dagegen € 667 bis € 2.000. Somit ist das „Spielvergnügen“ in der Spielbank um ein Mehrfaches höher als das in einer Spielhalle.
Dieser Umstand muss in der Bemessung der Vergnügungssteuer mitberücksichtigt werden.
Die sog. „Hamburger Lösung“
Entgegen der landesgesetzgeberischen Deutung des KOM-Beschlusses SA. 44944, die Bundesländer könnten jetzt ungeprüft auf Basis des sogenannten Hamburger Modells eine weitere Sondersteuer bzw. Ausgleichsabgabe einführen, hat sich die KOM doch sehr viel umfassender als die sog. Hamburger Lösung mit der Problematik befasst.
Das sog. Hamburger Modell erfüllt den Beihilfebeschluss keineswegs.
Die KOM hat sehr genau analysiert, dass das automatenbasierte Glücksspiel in einem weiten Spannungsfeld von unterschiedlichen Einflüssen zu betrachten ist, die alle berücksichtigt werden wollen.
Die wesentlichen Faktoren, die auf eine ausgeglichene Besteuerung Einfluss finden müssen sind Spieldauer pro Spiel, Einsatzhöhe, Auszahlquote und nicht zuletzt die Bemessungsgrundlage (Einsatz oder der Bruttospielertrag) auf welche der Steuersatz Anwendung findet.
Eine Einsatzbesteuerung von beispielsweise 5 % würde in der Spielbank genau das an Vergnügungssteuern kosten, was als Bruttospielertrag (BSE) verbleibt.
In der Spielhalle sowie im virtuellen Automatenspiel musste genau aus diesem Grunde die Auszahlquote, welche auch als Spielvergnügen bezeichnet werden kann, deutlich abgesenkt werden. Hierdurch leidet die Attraktivität, was wiederum zu weniger Umsatz und somit auch zu weniger Steuereinahmen führt, vor allem deshalb, weil sich dadurch Kunden mehr und mehr dem deutlich attraktiveren, nicht legalen Angebot zuwenden.
Diesen Umstand hat die KOM verstanden und dem Gesetzgeber (Deutschland) zur Aufgabe gestellt: Finden Sie eine Besteuerung, die allen Anbietern gerecht wird!
Das sog. Hamburger Modell kann dem aber überhaupt nicht gerecht werden!
Leider ist noch anzumerken, dass sich Deutschland (bzw. die Bundesländer, die dieses sog. Hamburger Modell umsetzen), ausdrücklich für eine höhere Spielbankenbesteuerung und gegen eine Steuerentlastung der gewerblichen Konkurrenz entschieden haben.
Letztere Möglichkeit hätte bestanden, wurde aber von den deutschen Bundesländern qua der Option zugunsten des „Hamburger Modells“ verworfen.
SA.48580 – Beihilfe zugunsten der WestSpiel – NRW
Die Kommission hatte sich im Rahmen der Beschwerde in der Causa „WestSpiel I“ mit zwei unterschiedlichen Vorteilsgewährungen gegenüber dem einstmals staatlichen und jetzt privaten Unternehmen WestSpiel (Eröffnung des Verfahrens 2019, Verkauf der WestSpiel 2021) als Betreiber der Spielbankunternehmen im deutschen Bundesland NRW auseinanderzusetzen, i.e.
Einer im Jahre 2015 vorgenommenen Kapitalerhöhung der WestSpiel in Höhe von € 64,8 Mio..
Was diese Kapitalerhöhung angeht, gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass diese nicht mit dem sog. „Prinzip vom marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber“ im Einklang stand und daher eine unzulässige Beihilfe darstellte.
Im Jahr 2014 hat das Land NRW als Eigentümerin auf Anraten der Wirtschaftsprüfer der WestSpiel entschieden, Bilder des Pop-Art Künstlers Andy Warhol zu verkaufen. Ein Teilbetrag dieses Erlöses in Höhe von 64,8 Mio. Euro wurde über den Umweg Landeshaushalt NRW wieder in die Gesellschaft eingebracht. Jetzt wurde von der KOM entschieden, dass dieser Betrag zuzüglich Zinsen von der ehemaligen WestSpiel zurückzuzahlen ist. Unbeachtlich bleibt, dass die WestSpiel mittlerweile in privater Hand ist. Ebenfalls unberücksichtigt bleibt, dass die stille Beteiligung aufgelöst wurde und die Einlage bereits in Teilen oder in der vollen Summe zurückgezahlt wurde.
Jährliche Verlustausgleichszahlungen der WestSpiel seit dem Jahr 2009.
Was die zahlreichen Verlustausgleichszahlungen aus Steuermitteln angeht, so entschied die KOM demgegenüber gegenläufig und stellt vorerst fest, dass hier keine Beihilfen vorlägen.
Diese negative Feststellung der KOM über die begehrte Rückerstattung der (jährlichen) Verlustausgleichszahlungen (seit 2007) an die Steuerzahler in Höhe von ebenfalls ca. 63,0 Mio. Euro zzgl. Zinsen, darf mit Recht angezweifelt werden und wird voraussichtlich einer gerichtlichen Prüfung durch das EuG nicht standhalten. Das dürfte dann auch Wirkung auf die Verlustausgleichszahlungen der restlichen Bundesländer haben.
Interessant ist die Feststellung der KOM:
Der zwischen dem Land NRW und der Erwerberin der WestSpiel vereinbarte sog. „nachgelagerte Kaufpreisabschlag“ in Höhe von € 30 Mio. wird als unzulässige Umgehung der Beihilfenrückforderung beurteilt und daher untersagt. 5
Dieser Punkt im Unternehmenskaufvertrag der WestSpiel sollte die Rückforderung des Beihilfebetrages durch die Käuferin auf maximal 30 Mio. beschränken.
Durch die vorzitierte Feststellung der KOM ist jetzt die gesamte Rückforderung in Höhe von 64,8 Mio. zzgl. Zinsen an den Steuerzahler/Landeshaushalt zu zahlen.
Wir werden Sie darüber weiter informieren.
Kontakt
Schmidt partners Rechtsanwalts GmbH
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40597 Düsseldorf (Sitz)
1) Fall SA.44944, Tz. 196f.
2) Vgl. Fall SA.44944, Tz. 271ff.
3) Az. 4 A 73/22, Tz. 21
4) Fall SA.44944, Tz. 272
5) SA.48580, Abschnitt 8