Vergnügungssteuer ohne Grenzen?

Ein Artikel von Volker Nottelmann, Syndikusanwalt der Gauselmann AG

Seit Jahrzehnten beschäftigen, weitgehend unbemerkt vom Spieler, Debatten über die Erhebung der Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte Kommunen, Aufstellunternehmer und Gerichte.

Bei der Vergnügungssteuer handelt es sich um eine Sondersteuer in Form einer kommunalen Aufwandssteuer. Eine Besonderheit dieser Besteuerung: Der Steuertatbestand ist zwar der monetäre Aufwand des Spielers für das Bespielen der Geräte. Steuerschuldner ist aber nicht der Spieler, sondern der Aufsteller des Geldspielgerätes. Seit Jahrzehnten wird die Steuererhebung beim Aufstellunternehmer und die Höhe der Steuer mit dem sogenannten Lenkungszweck begründet. Um die Ansiedlung von Spielhallen und die Aufstellung von Geldspielgeräten einzudämmen, soll die wirtschaftliche Attraktivität gemindert werden. Seit Einführung der Vergnügungssteuer in allen Bundesländern, mit Ausnahme von Bayern, hat sich eine umfangreiche Vergnügungssteuer-Rechtsprechung entwickelt.

Ursprünglich wurde diese Bagatellsteuer als Pauschalsteuer mit Beträgen von 50 bis 300 DM pro Monat und Gerät erhoben.

Aufgrund zwischenzeitlicher Rechtsprechung erfolgt die Besteuerung heute nicht mehr pauschal, sondern prozentual auf die Kasse oder den Umsatz. Begonnen hatte die prozentuale Besteuerung der Kasse nach dem Fall der Pauschalbesteuerung mit neun bis zehn Prozent der Kasse und strebt aktuell 25 Prozent an. Dies hat seit 2011 auf Aufstellerseite zu drastischen Erhöhungen der Steuerlast geführt. Von 2006 bis 2018 erhöhte sich das Steueraufkommen kontinuierlich (2006: 201 Mio. Euro; 2018: 1,071 Mrd. Euro).

Durch die restriktiven Maßnahmen des Glücksspielstaatsvertrages, glücksspielrechtlich bedingte Schließungen von Spielhallen sowie den Geräteabbau sowohl in fortbestehenden Spielhallen als auch in Gastronomiebetrieben (nur noch zwei statt vormals drei Geräte) ziehen die Vergnügungssteuer-Einnahmen der Kommunen zuletzt dramatisch in Mitleidenschaft, unabhängig von coronabedingten Einbußen. 2019 sanken die Steuereinnahmen im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent, 2020 um weitere 25,15 Prozent. Dieser Trend setzte sich 2022/23 verstärkt fort.

Aktuell versuchen die Kommunen, diese Steuerverluste durch entsprechende Erhöhungen der Steuersätze zu kompensieren. Vor diesem Hintergrund soll die Sichtweise der unterschiedlichen Akteure beleuchtet werden.

Die Unternehmen

Die Aufstellunternehmen als Schuldner der Steuerlast empfinden die Sondersteuer, spätestens seitdem sich die Steuersätze gegenüber den Anfangsjahren der prozentualen Besteuerung mehr als verdoppelt haben, als existenzgefährdend.

Die Kommunen

Aus Sicht der Kommunen handelt es sich bei der Vergnügungssteuer bzw. deren Erhöhung um ein effektives und einfaches Instrument zur Einnahmenerzielung. Die Vergnügungssteuer ist besonders effektiv, da sie im Gegensatz zu anderen kommunalen Einnahmen zu 100 Prozent bei der Kommune verbleibt. Auch ist, anders als zum Beispiel bei der Erhöhung der Hundesteuer, weder mit Protesten der breiten Bevölkerung noch der Spieler zu rechnen. Um die notwendigen Einnahmen zu schaffen, werden die Vergnügungssteuersätze stetig bis zur Grenze der Erdrosselung erhöht.

Dass mit der Vergnügungssteuer regelmäßig noch immer Lenkungszwecke verbunden werden, ergibt sich aus den entsprechenden Ratsbeschlüssen, aber auch zum Beispiel aus der Regelung im Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz, nach der ausschließlich die Vergnügungssteuer und die Hundesteuer auch dann erhoben werden dürfen, wenn die sonstigen Einnahmen zur Deckung der Ausgaben ausreichen. Ob die Zahl der Hunde in Niedersachsen durch die bedingungslose Erhebung der Hundesteuer zurückgegangen ist oder nur mehr Hunde steuerlos gehalten werden, ist bislang nicht bekannt. Nur nebenbei sei bemerkt, dass derjenige, der sein Vergnügen im Genuss von Getränken sucht, von steuerlicher Lenkung verschont bleibt, da im gleichen Gesetz Getränke- und Schankerlaubnissteuern für unzulässig erklärt werden.

Die Spieler

Für die Spieler ist weder die Vergnügungssteuer an sich noch deren Höhe unmittelbar erkennbar. Der originäre Spielpreis gemäß Spielverordnung ist für die Spieler von Schleswig-Holstein bis Bayern pro Spiel gleich. Allerdings führen die hohen Steuern, wie von den Gerichten gefordert, dazu, dass die Aufstellunternehmen aus Kostengründen beim Service, Ambiente und Vergnügen auf Kosten der Spieler sparen müssen. Gleichzeitig sollen die Aufstellunternehmen nach der aktuellen „Steuerlogik“ ihre Stundeneinnahmen optimieren. Also verkürzt gesagt: weniger Vergnügen für das gleiche Geld. Die Reaktion der Spieler auf diese Sparmaßnahmen ist die Abwanderung zu anderen – teilweise illegalen – Angeboten.

Die Gerichte

Aus Sicht der Gerichte handelt es sich bei der Vergnügungssteuer insbesondere aus folgenden Gründen weiterhin um eine zulässige Einnahmequelle der Kommunen mit Lenkungszweck.

Hinsichtlich des anerkannten Eingriffs in die Berufsfreiheit durch die Vergnügungssteuer beziehen sich selbst aktuelle Urteile nach wie vor auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus 1997 (2 BVR 1599/89 u.a.-Juris Rn. 57):

„Als mittelbare Regelungen der Berufsausübung der Spielhallenbetreiber sind die Erhebung und Erhöhung der Spielgerätesteuer durch gewichtige Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt. Denn es erscheint angemessen, wenn die Allgemeinheit durch eine (höhere) Steuer an dem Aufwand für das Vergnügen des Spielers beteiligt wird, auch wenn dadurch die Rentabilitätsgrenze der Geldspielgeräte herabgesetzt werden sollte. Hiermit kann zugleich der Verbreitung der Spielsucht und einer Verursachung von Folgekosten- für die Gemeinschaft vorgebeugt werden.“

Hier wird also der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit mit dem Lenkungszweck begründet. In einer aktuellen Entscheidung zur Vergnügungssteuer der Stadt Bersenbrück äußert sich das Gericht zum Grundrecht der Berufsfreiheit wie folgt:

„Wenn aber wegen des Steuerdrucks nur noch weniger als die bislang auf dem Markt tätigen Berufsangehörigen ein auskömmliches Einkommen erwirtschaften können, liegt kein Berufsverbot im vorgenannten Sinne vor, denn der Beruf kann nach wie vor gewählt werden. (OVG Lüneburg, Urteil vom 24.05.2022).“

Mit dieser Rechtsprechung wird also auch die Abschmelzung von Spielhallenstandorten mittels der Vergnügungssteuer gerechtfertigt.

Vor Annahme einer erdrosselnden Wirkung der Vergnügungssteuer fordern die Gerichte einen unter steuerlichen Gesichtspunkten optimal agierende Unternehmen:

„Der Steuersatz bewegt sich an der Obergrenze desjenigen, was unter den jeweils gegebenen Umständen zuletzt noch als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen ist (VGH BW Urteil vom 21.12.21). Ungeachtet dessen, dass es im Rahmen der erdrosselnden Wirkung nicht darauf ankommt, welche Bruttoeinnahmen tatsächlich erzielt wurden, sondern darauf, welche Bruttoeinnahmen (von einem Durchschnittsunternehmer) hätten erzielt werden können (OVG Lüneburg Urteil vom 24.5.2022).
Ein Spielgeräteaufsteller kann z.B. durch die Auswahl geeigneter Standorte, durch eine Änderung der Angebotsstruktur (z. B. mehr Un- terhaltungsgeräte) hinwirken und die Selbstkosten auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken (BFH-Urteil vom 7.12. 2011 II R 51/10)“.

Dabei verkennen die Gerichte, dass die Optimierungsmöglichkeiten der Unternehmen in Bezug auf Standort- und Angebotsfragen durch die glücksspielrechtlichen Abstandsgebote, Verbote von Verbundspielhallen, bauplanungsrechtliche Ansiedlungsverbote sowie Werbe-/Servicebeschränkungen stark limitiert sind. Hinsichtlich des Angebotes von Unterhaltungsspielgeräten wird diese durch § 6a SpielV beschränkt, der theoretisch schon „Flipperautomaten“ mit mehr als sechs Freispielen untersagt. In Bremen wird im Auswahlverfahren auf die Nichtaufstellung von Unterhaltungsspielgeräten bis hin zu Flipper und Darts hingewirkt, um den Aufenthalt in Spielhallen unattraktiv zu gestalten.

Aufgrund der in der Spielverordnung seit Langem verankerten Spielpreisbremse müssen die Gerichte zur rechtssicheren Steuererhebung auf das Konstrukt der kalkulatorischen Abwälzbarkeit zurückgreifen. Dieses wird bei den aktuellen Steuersätzen aber immer schwieriger.

Wohl in Erkenntnis dieser Problematik wollen einige Gerichte erst dann über die Möglichkeiten einer Unmöglichkeit der kalkulatorischen Abwälzbarkeit nachdenken, wenn die Automatenunternehmen nachgewiesen haben, die maximal erlaubte durchschnittliche 20-Euro-Stundeneinnahme zu erzielen. Ergänzt wird diese Einnahmenoptimierung um den Vorschlag zur Einführung von Benutzungsgebühren und Eintrittsgeldern, wenn auch die maximal zulässigen Stundeneinnahmen noch nicht zur Deckung der Steuerlast reichen.

Dieser Rechtfertigungsansatz verkennt, dass es sich bei der 20-Euro-Stundeneinnahme um einen rein statistischen Wert im Gerätezulassungsverfahren handelt.

Die Pflicht zur Ausnutzung der höchst zulässigen Stundeneinnahme (= Spielverlust) dürfte auch dem Gedanken des Spielerschutzes zuwiderlaufen.

Der darüberhinausgehende Vorschlag der Gerichte zur Einführung einer Benutzungsgebühr dürfte einen unzulässigen Eingriff in die von der Physikalischen Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen Spiel- und Gewinnpläne darstellen. Der damit verbundene mittelbare Einsatz würde das erlaubte Spiel zum verbotenen Glücksspiel machen.

Davon unabhängig widerspricht es auch der Systematik der rechtlich gebotenen kalkulatorischen Abwälzbarkeit der Steuer, wenn diese erst dadurch sichergestellt wird, dass zusätzlich zu den von der PTB zugelassenen Einnahmen Extra-Einnahmen zur Begleichung der Steuer generiert werden müssen. Dieses zeigt aber deutlich, dass die Grenze der Erdrosselung erreicht ist.

Die aktuelle Rechtsprechung der Gerichte zur Vergnügungssteuererhebung fußt also auf Rechtsgrundsätzen oftmals aus Zeiträumen vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages.

Die aktuelle Vergnügungssteuererhebung und die Rechtsprechung ignorieren allerdings die Ziele des aktuellen Glücksspielstaatsvertrages.

Die Vorschriften haben den Lenkungszweck übernommen, sodass für eine Lenkung oder Rechtfertigung der Vergnügungssteuer mit einem Lenkungszweck kein Raum mehr besteht.

Das Kanalisierungsziel des Staatsvertrages ist es:

„(...) durch ein begrenztes eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GlüStV).“

Dünchheim schreibt zu diesem Ziel in seinem aktuellen Kommentar zum Glücksspielrecht Rn. 12:

„Die Fassung von Nr. 2 unterscheidet sich von der alten Fassung des GlüStV aus dem Jahr 2008. So stellt die Begrenzung des Glücksspielangebots nicht mehr ein eigenständiges Ziel neben der Kanalisierung Spielbetriebs dar. Vielmehr soll das begrenzte Glücksspielangebot zur Kanalisierung eingesetzt werden und deshalb so zu konzipieren sein, dass es eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellt. Der Paragraf wurde geändert, da nach Inkrafttreten des früheren GlüStV 2008 festgestellt wurde, dass die Begrenzung des Glückspielangebots an sich nicht dazu führt, dass der natürliche Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete Bahnen gelenkt werden kann. Im Gegenteil: Das Fehlen einer geeigneten Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel begünstigt das Anwachsen eines Schwarzmarktes, in dem illegale Glücksspiele angeboten werden. Es ist also entscheidend, dass das erlaubte Angebot eine attraktive Alternative zum illegalen Glücksspiel darstellt.“

Oder wie im Kommentar von Dietlein formuliert wird:

„Ohne Kanalisierung keine Prävention § 1 GlüStV Rn. 13. Charakteristikum eines konsistenten Präventionskonzeptes kann es daher nicht sein, das legale Spielangebot zu minimalisieren und damit einem Ausweichen der Bürger auf illegale Angebote mehr oder minder tatenlos zuzuschauen. Vielmehr geht es gerade umgekehrt darum, die Nachfrage über ein hinreichend attraktives (Gegen-)Angebot aus dem unreglementierten Markt in die kontrollierten und legalen Bahnen zu lenken (eingehend auch Hartmann/ Barczak ZfWG 2020 Sonderbeilage 1, 8 (12), die von „einer Mischung von „Nudging“ und Attraction“ sprechen; krit. zum Steuerungsregime aber Krüper Die Verwaltung 54 (2021), 37 (52 f., 60 f.))
„Insofern kann sogar eine moderate und kontrollierte Expansion des Spielangebotes, mit der den Spielern ein Anreiz gegeben wird, auf legale und kontrollierte Spielangebote zu wechseln, durchaus mit dem Ziel der Spielsuchtbekämpfung vereinbar sein“ (vgl. zuletzt EuGH NVwZ 2021, 1049 (1052 Rn. 38) – Fluctus; MMR 2012, 54 (57 Rn. 63) – Dickinger und Ömer; s. auch EFTA-Gerichtshof ZFWG 2007, 218 RN54-Ladbrokes).

Die Bedingungen für dieses erforderliche begrenzte legale Angebot werden durch die Spielhallengesetze der Länder und die Spielverordnung des Bundes abschließend geregelt.

Für eine Begrenzung des zur Gefahrenabwehr und zur Kanalisierung notwendigen Spielangebots durch hohe kommunale Steuern besteht keine Ermächtigung (mehr). Alle Ausführungen zum Lenkungszweck und zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit sind mithin hinfällig und sprechen sogar gegen die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung, da sie das Kanalisierungsziel des Staatsvertrages konterkarieren.

Gleiches gilt für die Ausführungen zum Optimierungsgebot. Nach der aktuellen Rechtsprechung sollen die Spielhallen so optimal betrieben werden, dass sie für die Spieler so attraktiv sind, dass diese dort auf jeden Fall immer den nach der Spielverordnung maximal zulässigen Verlust erleben. Anders lässt sich die geforderte Stundeneinnahme von 20 Euro nicht erreichen. Darüber hinaus sollen ausschließlich wegen der Steuer zusätzliche Eintrittsgelder und Benutzungsgebühren beim Spieler erhoben werden. Das ist weder im Sinne des Spielerschutzes, noch dient es der Kanalisierung. Eine Spielhalle, die ihren Betrieb an der Erwirtschaftung hoher Vergnügungssteuersätze ausrichten muss, wird nicht kanalisieren können, da sie für den Spieler unattraktiv ist und dieser sich alternative – illegale – Spielangebote suchen wird.

Falsch ist auch die Annahme, durch die steuerbedingte Schließung konkurrierender Spielhallen würden die Umsätze der verbleibenden Spielstätten steigen. Diese Hypothese verkennt, dass die Spieler natürlich auch auf illegale Angebote ausweichen werden.

Nicht ohne Grund hat die bekannte Trümper-Studie von 2021 ein Anwachsen illegaler Angebote und eine Renaissance der ausgerottet geglaubten Fun-Games an illegalen Aufstellorten festgestellt. Ohne Nachfrage aber kein Angebot.

Sofern der „Vergnügungssteuer-Tsunami“ anhält und das „Spielstätten-Sterben“ sichtbarer wird, ist es wahrscheinlich, dass ein Gericht unter Berücksichtigung der seit den letzten Entscheidungen des Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgerichts veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen die Vergnügungssteuer an sich und nicht nur die Höhe der Steuer in Frage stellen wird. Man denke nur an die überraschende Entscheidung zur Wettbürosteuer.