Der neue Glücksspielstaatsvertrag – Cui bono?

Rechtsanwalt Dr. Nik Sarafi

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Dieses Jahr soll es die Bescherung schon im Oktober statt im Dezember geben. Zumindest wenn es nach dem Willen der vier Bundesländer Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin geht, die im zähen Ringen einen Umlaufbeschluss auf den Weg gebracht haben, der die Duldung von virtuellen Automatenspielen und Poker bereits zum 1.10.2020 vorsieht. Der Beschluss der Bundesländer soll auf Basis des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspiels 2021 – auch Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag oder kurz Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) genannt – vollzogen werden. Scheinbar übersehen die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder dabei aber, dass die Stillhaltefrist im Rahmen des Notifizierungsverfahrens der Europäischen Kommission noch gar nicht abgelaufen ist und der GlüStV auch erst noch durch die Länder ratifiziert werden muss, bevor er in Kraft tritt. Aufgrund gravierender Verstöße gegen das Unionsrecht bestehen aber begründete Zweifel, ob das Notifizierungsverfahren einen für die Bundesländer erfolgreichem Ausgang nehmen und der GlüStV jemals Gültigkeit besitzen wird.

Dieser Artikel soll die kommende Regulierung und ihre Fehler, die Profiteure des künftigen Glücksspielstaatsvertrags und eine mögliche Duldung beleuchten.

Fangen wir von vorne an:

Der GlüStV bringt eine Reihe von Neuerungen für den deutschen Glücksspielmarkt. Wesentliche Inhalte des GlüStV sind die Einführung eines quantitativ unbeschränkten Erlaubnisverfahrens für Sportwetten, die Überarbeitung der Werberegulierung, die Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts zur staatlichen Aufsicht über Online-Glückspiels, die Stärkung des Verwaltungsvollzugs gegen illegales Glücksspiel, insbesondere aber auch die Zulassung von Online-Glücksspiel für die gesamte Bundesrepublik. Zur vermeintlichen Wahrung des Minderjährigen- und Spielerschutzes wurden diesbezüglich umfassende ordnungsrechtliche und technische Anforderungen – wie die Spielsuchtfrüherkennung, die anbieterübergreifende Sperrdatei, die Limitregelung, die Verhinderung parallelen Spiels im Internet, die Vorgaben zur Einsatzhöhen, das Trennungsgebot, den Panikknopf und die Safe-Server – formuliert und das Online-Glücksspiel in virtuelles Automatenspiel, Online-Poker und Online-Casinospiel unterteilt.

Online-Casinospiele im Sinne des GlüStV sind virtuelle Nachbildungen von Bankhalterspielen und Live-Übertragungen eines terrestrisch durchgeführten Bankhalterspiels mit Teilnahmemöglichkeit über das Internet (§ 3 Abs. 1a Satz 2 GlüStV), wie beispielsweise Roulette, Black Jack, Baccara sowie Poker-Varianten, bei denen der Veranstalter selbst mitspielt. Spielt der Veranstalter beim Poker nicht mit, richtet sich die Zulässigkeit derartiger Online-Pokerspiele nach § 22b GlüStV. Keine Online-Casinospiele sind auch virtuelle Automatenspiele (§ 22c Abs. 4 GlüStV), deren Zulässigkeit sich nach § 22a GlüStV richtet. Bezüglich des virtuellen Automatenspiels und des Online-Pokers sieht der GlüStV ein Erlaubnismodell vor, bezüglich des Online-Casinospiels dürfen die jeweiligen Bundesländer nach § 22c Abs. 1 GlüStV selbst entscheiden, ob sie Online-Casinospiele selbst anbieten, sie privaten Anbietern Konzessionen dafür erteilen oder gar ein Verbot aussprechen. Die unterschiedliche Behandlung erfolgte analog zur Unterscheidung im terrestrischen Bereich zwischen Spielhallen, wo nur Automatenspiele angeboten werden und Spielbanken, wo Casinospiele veranstaltet werden. Die Anzahl der zu vergebenden Konzessionen im Online-Casinobereich ist deshalb auf die Anzahl der Konzessionen für stationäre Spielbanken beschränkt.

Der künftige GlüStV ist in mehrfacher Hinsicht unionsrechtswidrig

Das Konzessionsmodell des § 22c Abs. 1 GlüStV ist bereits deshalb europarechtswidrig, weil es gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV verstößt. Entscheidet sich ein Bundesland, Online-Casinospiele nur selbst zu veranstalten, wird allen Unternehmen, welche Online-Casinospiele anbieten wollen, die Niederlassung in dem entsprechenden Bundesland unmöglich gemacht. Aber selbst wenn ein Bundesland Konzessionen erteilt, liegt darin eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, weil der Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten insofern beeinträchtigt wird, als dass nur die konzessionierten Unternehmen überhaupt Zugang zum Markt bekommen und dieser allen anderen Unternehmen verwehrt wird.

Weiterhin ist das Konzessionsmodell des § 22c Abs. 1 GlüStV europarechtswidrig, weil darin auch ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV liegt. Im Falle, dass keine Konzessionen für die Veranstaltung von Online-Casinospielen erteilt werden, werden die Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, welche in Deutschland Online-Casinospiele veranstalten wollen, diskriminiert, da sie von der Erbringung ihrer Dienstleistung in Deutschland ausgeschlossen werden. Aber auch wenn Konzessionen erteilt werden, liegt eine Beschränkung der Dienstleistungserbringungs- und Dienstleistungsempfangsfreiheit vor. Einerseits können die nicht-konzessionierten Veranstalter von Online-Casinospielen – unabhängig davon, ob es sich dabei um In- oder Ausländer handelt – keine Online-Casinospiele in Deutschland veranstalten und damit rechtmäßig keine Dienstleistungen erbringen. Andererseits dürfen die Bürger der Bundesrepublik keine ausländischen Dienstleistungen in Anspruch nehmen, sondern nur die des Staates bzw. der staatlich konzessionierten Anbieter.

Schließlich verstößt die Bundesrepublik Deutschland durch § 22c Abs. 1 GlüStV gegen das europarechtliche Wettbewerbsverbot aus Art. 106 Abs. 1 i.V.m. Art. 102 Abs. 1 AUEV. Denn die staatlichen bzw. konzessionierten Unternehmen werden durch die staatliche Maßnahme des § 22c Abs. 1 GlüStV privilegiert, indem ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre – durch den GlüStV erst geschaffene – marktbeherrschende Stellung beim Angebot von Online-Casinospielen auszunutzen. Der zwischenstaatliche Handel wird dadurch beeinträchtigt, dass ausländischen Anbieter der Zugang zum deutschen Online-Casinomarkt verwehrt wird.

Schleswig-Holsteins Sonderweg macht keine Fragmentierung erforderlich

In Schleswig-Holstein ist Online-Glücksspiel seit dem Jahr 2011 erlaubt. Schleswig-Holstein hat den Sonderweg überaus erfolgreich beschritten: Trotz Erlaubnis von Online-Glücksspiel ist weder die Anzahl von Problemspielern gestiegen, noch ist es zu Manipulationsfällen gekommen. Dabei sieht der Sonderweg in Schleswig-Holstein die marktfragmentierende Differenzierung zwischen virtuellem Automatenspiel, Online-Poker und Online-Casinospielen, wie sie der GlüStV regelt, nicht vor. In § 3 Abs. 3-5 des Gesetzes zur Neuregulierung des Glücksspiels in Schleswig-Holstein (GlSpielG SH) wird lediglich zwischen Lotterien, Wetten und Casinospielen unterschieden. Eine weitere Differenzierung zwischen virtuellem Automatenspiel, Online-Poker und Online-Casinospielen erfolgt nicht. Insbesondere ist für die Genehmigung der Veranstaltung von Online-Casinospielen aber keine Konzessionserteilung erforderlich, vielmehr sieht § 19 Abs. 1 GlSpielG SH vor, dass jedem Unternehmen, das seinen Sitz in der EU hat und die erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Sachkunde besitzt, eine Genehmigung erteilt wird.

Dies wirft aber die Frage auf, warum eine derartige marktfragmentierende Differenzierung in anderen Bundesländern erforderlich sein sollte. Bei dem Beschluss des GlüStV hätte ein Verzicht auf die Differenzierung mit Blick auf Schleswig-Holstein wenigstens andiskutiert werden müssen. Zudem hätte nachgewiesen werden müssen, warum eine marktfragmentierende Differenzierung, die einen tiefen Eingriff in die europäischen Grundfreiheiten darstellt, erforderlich ist, gleichwohl – wie Schleswig-Holstein gezeigt hat – auch ohne die Differenzierung ein sicheres und attraktives Online-Glücksspielangebot aufgebaut werden kann. Dabei gesteht der GlüStV sich selbst ein, dass ein Online-Glücksspielangebot auch ohne die marktfragmentierende Differenzierung die Ziele des § 1 GlüStV erfüllen kann – denn den Anbietern in Schleswig-Holstein ist gestattet, ihr Angebot ohne Trennung von virtuellem Automatenspiel, Online-Poker und Online-Casinospiel bis Ende 2024 aufrechtzuerhalten. Der GlüStV erklärt sich mit der schleswig-holsteinischen Regelung somit implizit einverstanden, was ebenfalls gegen die Verhältnismäßigkeit der der dahingehenden Beschränkungen im GlüStV spricht.

Eine Gleichbehandlung von terrestrischem und Online-Glücksspiel ist fehlerhaft

Die Verstöße gegen das Europarecht sind auch nicht zu rechtfertigen, weil die unterschiedliche Behandlung von Online-Casinospiel und den anderen Online-Glücksspielarten nicht gerechtfertigt ist. Ein staatliches Monopol ist für die Veranstaltung von Online-Casinospielen jedenfalls nicht erforderlich, wie durch die Möglichkeit der Konzessionsvergabe bereits im GlüStV eingestanden wurde. Die vermeintlichen Gründe zur Beschränkung des Online-Casinospiels – die Manipulationsvorbeugung, die Verhinderung des Entstehens von Glücksspielsucht und der Spielerschutz– rechtfertigen aber auch nicht die starken Beschränkungen eines Konzessionsmodells.

Bezüglich der Manipulationsvorbeugung sieht der GlüStV vor, dass anders als im terrestrischen Bereich im Online-Bereich alle Spiele auf einem nach § 6i Abs. 2 GlüStV durch den Veranstalter bereitzuhaltenden Safe-Server aufgezeichnet werden müssen. So können die durchgeführten Spiele auf Auffälligkeiten ausgewertet werden, wodurch Manipulationen deutlich früher festgestellt werden können als im terrestrischen Bereich. Wie die Erfahrungen aus Schleswig-Holstein gezeigt haben, ist Online-Glücksspiel auch mit Hinblick auf die Manipulationsgefahr sehr sicher – bis heute wurden keine Manipulationen festgestellt. Durch die Aufzeichnung aller Spiele auf Safe-Servern ist Manipulation aber auch so gut wie ausgeschlossen. Da die Manipulationsgefahr im Online-Bereich mithin geringer als im terrestrischen Bereich ist, da mögliche Manipulationen durch eine Aufzeichnung aller Spiele im Online-Bereich deutlich leichter und zudem automatisch identifiziert werden können, ist es nicht erforderlich, die Anbieterzahl gleich dem terrestrischen Bereich zu begrenzen.

Der GlüStV dient nicht dem Spielerschutz

Bezüglich des Entstehens von Glücksspielstörungen geht der GlüStV von einem völlig überholten Forschungsstand aus und missachtet, dass weder die Spielform noch die Ereignisfrequenz ein maßgeblicher Faktor zur Entstehung von Glücksspielstörungen ist, sondern dass vielmehr ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Faktoren und das Eintreten bestimmter Ereignisse eine Glücksspielstörung hervorrufen. Eine Glücksspielstörung kann durch die Teilnahme an Online-Casinospielen ebenso hervorgerufen werden wie durch die einmalige Teilnahme an einer Lotterie. Eine Begrenzung des Angebots von Online-Casinospielen ist zur Verhinderung der Entstehung von Glücksspielstörungen mithin in keinem höheren Maß erforderlich als die Begrenzung des Glücksspielangebots in seiner Gesamtheit. Da der GlüStV aber insbesondere den staatlichen Lotterien umfassende Werbeerlaubnisse erteilt, kann die Begrenzung des Online-Casinoangebots nicht darüber gerechtfertigt werden, dass eine Begrenzung erforderlich wäre, um die Entstehung von Glücksspielstörungen zu verhindern.

Darüber hinaus kann ein Konzessionierungsmodell auch zugunsten des Spielerschutz nicht gefordert werden. Das terrestrische Spiel in Spielbanken, das von allen im Online-Bereich geltenden beschränkenden Maßnahmen ausgenommen ist und für die der GlüStV eine umfassende Werbeerlaubnis vorsieht, ist deutlich gefährlicher als das Online-Casinospiel. Denn beim Online-Glücksspiel besteht die Möglichkeit der nach dem GlüStV verpflichtenden umfassenden Analyse des Spielerverhaltens, weshalb eine entstehende oder bestehende Glücksspielstörung deutlich früher bzw. überhaupt erkannt werden kann. Gerade im terrestrischen Bereich bestehen deutliche Defizite beim Spielerschutz, da die Problemspieler von den Maßnahmen des indizierten Spielerschutzes in den aller meisten Fällen nicht erreicht werden und die vermeintliche Kontrolle durch das Spielbankenpersonal keine Muster für das Vorliegen einer Glücksspielstörung erkennen können, weil ihnen schlicht und ergreifend die technische Maßnahmen dazu fehlen. Da Glücksspielstörungen im Online-Bereich deutlich schneller respektive überhaupt erkannt werden und legales Online-Glücksspiel eine Alternative zu dem für Spieler mit Glücksspielstörung außerordentlich attraktiven Schwarzmarkt darstellt, ist Online-Glücksspiel weniger gefährlich als terrestrisches Glücksspiel in Spielbanken und Spielhallen und darf entsprechend dem Grundgedanken des GlüStV, dass weniger gefährliche Glücksspiele weniger stark beschränkt werden, nicht dem terrestrischen Glücksspiel gleich behandelt werden.

Die Profiteure des GlüStV sind altbekannte Unternehmen

Die Regelungen des GlüStV verfehlen die Ziele aus § 1 GlüStV, sodass der Verdacht aufkommt, dass der GlüStV primär fiskalischen Interessen dient und einer Ordnung des Marktes bezweckt, die den Online-Casinomarkt augenscheinlich den marktbeherrschenden Unternehmen im terrestrischen Bereich vorbehalten sein soll. Denn als zukünftige Konzessionsinhaber kommen besonders zwei bereits in mehreren Teilmärkten des deutschen Glücksspielmarkts starke bzw. marktbeherrschende Unternehmen in Frage: Die Gauselmann Gruppe und die Novomatic Gruppe, die bei der Herstellung und im Vertrieb von Geldspielgeräten Marktführer sind. Angesichts dessen, dass die Gauselmann-Gruppe und die Novomatic-Gruppe Pläne haben in den Online-Markt zu expandieren, ist zu erwarten, dass die Gauselmann-Gruppe und die Novomatic-Gruppe auch auf dem deutschen Online-Glückspielmarkt eine starke bzw. marktbeherrschende Stellung einnehmen werden.

Dazu kommt, dass die Gauselmann-Gruppe und die Novomatic-Gruppe zum Teil gemeinsam, zum Teil allein an 6 der insgesamt 18 Spielbankgesellschaften in Deutschland beteiligt sind. Gauselmann möchte seine Marktstellung auf dem terrestrischen Spielbankenmarkt weiter ausbauen. Sechs WestSpiel-Casinos nebst entsprechender Konzessionen stehen in NRW zum Verkauf, nachdem die dortige CDU geführte Regierung diese „kleingerechnet“ hat um einen Verkauf an einen privaten Investor zu lancieren. Weil die Gauselmann-Gruppe und die Novomatic-Gruppe somit beim Betrieb von Spielbanken im terrestrischen Bereich eine starke Marktstellung innehaben und sich den Anforderungen für die Konzessionsvergabe im terrestrischen Bereich wohl bewusst sind, haben diese beiden Unternehmen bereits einen erheblichen wettbewerbsrechtlichen Vorteil gegenüber den derzeitigen Marktakteuren. Es ist davon auszugehen, dass sie bei der Konzessionsvergabe der Veranstaltung von Online-Casinospielen bevorzugt berücksichtigt werden und sich wie auch im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Geldspielgeräten ein Duopol der Gauselmann-Gruppe und der Novomatic-Gruppe herausbildet.

Das ist aber nicht alles. Gauselmann und Novomatic erhalten zudem weitere Schützenhilfe durch den kommenden GlüStV. Aufgrund der Fragmentierung des bestehenden Glückspielangebots, dürfen Anbieter, die neben dem virtuellen Automatenspiel auch sogenannte „Bankhalterspiele“ („Online-Casino Spiele“) anbieten, diese künftig nicht mehr anbieten und auch nichtmit dem Begriff „Casino“ bezeichnen oder bewerben. Die als „Online Casinos“ auftretenden und derzeit am Markt tätigen Unternehmen werden durch den GlüStV zu virtuellen Spielhallen degradiert und damit aus dem bisherigen Markt gedrängt – es findet eine Zwangsumbenennung statt. Die bisherigen Marktakteure werden vertrieben bzw. der derzeit bestehende Markt wird zerschlagen und ein Vakuum geschaffen. Die Spieler werden aber nach wie vor nach „Online Casinos“ suchen, denn die künstliche Fragmentierung der verschiedenen Glücksspielformen, läuft dem Such- und Spielverhalten der Spieler gänzlich zuwider. Die künftigen Konzessionsinhaber zur Veranstaltung von Online-Casinospielen – vermutlich Gauselmann und Novomatic – werden das geschaffene Vakuum ausfüllen können, da sie aufgrund ihrer bereits erteilten Spielbankenkonzessionen sich dem Spieler als „Online Casinos“ präsentieren können und somit eine beherrschende Marktstellung einnehmen können.

Somit haben diese beiden Unternehmen einen erheblichen wettbewerbsrechtlichen Vorteil gegenüber den aktuellen Marktteilnehmern. Dieser wird durch die oben beschriebene Fragmentierung verstärkt. Anderen oder ausländischen Anbietern wird durch die Zerstückelung des Online-Glückspielmarkts der Zugang zum Markt nicht nur erschwert, sie werden faktisch aus dem bisherigen Markt entfernt und dürfen es sich künftig im „Markt der virtuellen Spielhallen“ bequem machen. Profiteure dürften auch hier vorrangig Gauselmann und Novomatic sein. Somit schafft der künftige GlüStV – gewollt oder ungewollt – ein Duopol.

Die Fragmentierung des Online-Glückspielmarkts gefährdet die Kanalisierung

Die Fragmentierung ist aber nicht nur hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und ihrer marktausschließenden bzw. Duopol schaffenden Wirkung problematisch, sondern birgt zudem eine Gefahr für die wirksame Kanalisierung: Angesichts der zahlreichen Beschränkungen ist fragwürdig, ob sich bei Beachtung aller Vorschriften ein hinreichend attraktives Angebot für die Spieler etablieren lässt, das diese vom Spiel auf dem Schwarzmarkt abhalten kann. Der GlüStV formuliert zahlreiche und hohe technische Anforderungen (Aktivitätsdatei, Spielersperrdatei, Regelungen zur Spielgestaltung, etc.), welche den Spielerschutz in höchstem Maße gewährleisten sollen, bezüglich derer Zweifel aufkommen, ob sie so überhaupt umsetzbar sind, ohne dass das Angebot gänzlich unattraktiv wird. Insbesondere die Limitdatei ist datenschutzrechtlich problematisch, da es unter anderem an dem datenschutzrechtlich gebotenen sachlichen Erfordernis fehlt und die Anforderungen der DSGVO missachtet wurden. Werden Daten eines jeden Spielers, selbst wenn kein begründeter Verdacht des Vorliegens einer Glücksspielstörung besteht, nur wegen seiner Teilnahme am Online-Glücksspiel gespeichert, erfolgt diese Speicherung verdacht- und anlasslos und kommt einer umfassenden Überwachung gleich, welche die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ermöglicht. Problematisch mit Hinsicht auf die Kanalisierung ist zudem, dass der Spieler sein gewohntes Angebot nicht mehr auffinden wird, da dies nicht mehr als „Online Casino“ respektive „Casino“ bezeichnet werden darf, und auch dadurch auf den Schwarzmarkt gedrängt wird. Es ist zudem im höchsten Maße fraglich, ob die wenigen Anbieter – die sich nach jetziger Lesart „Online Casinos“ nennen können, es gegen die Übermacht des Schwarzmarktes aufnehmen können.

Durch die vorhergesehenen Regelungen des GlüStV wird der Online-Glücksspielmarkt zwar legalisiert, durch die zahlreichen Beschränkungen zuvor allerdings derart stark fragmentiert, dass der Zugang zum deutschen Glücksspielmarkt ausländischen oder kleineren Unternehmen rechtlich und faktisch unmöglich gemacht wird, sodass von der Liberalisierung nur wenige Unternehmen profitieren. Der lukrative Online-Glücksspielmarkt soll also durch den GlüStV entweder dem Staat vorbehalten bleiben, oder an private Unternehmen übertragen werden, wobei ein fairer Wettbewerb um die Konzessionen allerdings angesichts des Gauselmann-Novomatic-Duopols kaum zu erwarten ist. Die in § 1 GlüStV aufgeführten Ziele wie beispielsweise Spielerschutz, Kanalisierung oder Schutz vor Manipulation werden im GlüStV lediglich vorgeschoben, um fiskalische Interessen zu verschleiern.

Die vorzeitige Duldung durch den Umlaufbeschluss ist problematisch

Die vorgezogenen Duldungen durch den eingangs erwähnten Umlaufbeschluss der Bundesländer Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin soll einen europarechtswidrigen bzw. wettbewerbswidrigen Zustand herbeiführen. Es scheint gerade so, als ob die deutschen Politiker die Stillhaltefrist im Rahmen des EU-Kommissionsnotifizierungsverfahrens nicht abwarten wollen und auch bereits vor der Ratifizierung durch die Bundesländer den europarechtswidrigen GlüStV faktisch in Kraft setzen wollen.

Die vorzeitige Duldung zerschlägt den bisher bestehenden Markt und verursacht Unsicherheit bei den bereits am Markt tätigen Unternehmen, da unklar ist, wie sie sich nun weiter verhalten sollen. Zudem besteht die Gefahr, dass sie unbewusst gegen verschiedene Regeln verstoßen. Von der Duldung werden auch Unternehmen die als Zulieferer gelten(Software- bzw. Spielehersteller von virtuellen Spielautomaten, Plattformhersteller, werbetreibende Unternehmen, etc.) völlig überrascht und gibt ihnen keine Möglichkeit, sich auf die geänderten Marktbedingungen einzustellen. Auch werden im Duldungsbeschluss Online-Casinospiele explizit ausgeklammert, obwohl die Bundesländer noch nicht entschieden haben, ob die Veranstaltung von Online-Casinospielen staatlichen oder privaten Unternehmen überlassen werden soll.

Die einzigen Profiteure einer vorzeitigen Duldung sind wohl die bereits viel zitierten Unternehmen Gauselmann und Novomatic, die sich freiwillig und in Absprache – im Rahmen mehrerer Treffen zwischen September und Oktober 2017 in Gumpoldskirchen und Espelkamp – aus den deutschen Online Markt zurückgezogen haben (Gauselmann zum 01. November 2017, gefolgt von Novomatic am 31. Dezember 2017) und seitdem einen Wiedereintritt planen. Beide drängen auf den Online-Glücksspielmarkt, da sie befürchten, mit anhaltender Abstinenz von diesem Markt, in der Versenkung zu verschwinden und keine Möglichkeit haben, ihre marktbeherrschende Stellung aus dem terrestrischen Markt in den Online-Glücksspielmarkt zu übertragen. Nicht zuletzt hat die Schließung der Spielbanken und Spielhallen aufgrund der COVID-19-Pandemie verdeutlicht, dass der Online-Casinomarkt anders als das terrestrische Glücksspiel auch in Krisenzeiten eine sichere Einnahmequelle darstellen kann, welche Gauselmann und Novomatic keinen anderen Unternehmen überlassen wollen.