Ein Artikel von Rechtsanwalt Boris Hoeller
Seit 1.1.2008 ist der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Der Gesetzgeber hat erklärtermaßen mit seinen Regeln die Voraussetzungen für den Erhalt und die Stärkung des Glücksspielmonopols schaffen wollen. Die Folge: Strangulierende Beschränkungen für gewerbliche Marktteilnehmer – insoweit von den Ländern durchaus beabsichtigt -, aber eben und gerade auch für die Monopolisten: Diese hatten aus Angst vor Wettbewerb die neue Rechtslage durch massives Lobbying heraufbeschworen, haben sich offenbar aber noch nicht ganz in ihre neue Rolle gefunden und bemitleiden sich jetzt als Kollateralgeschädigte der kleinstaatlichen Kriegsführung der Bundesländer gegen private Wettbewerber auf den europäischen Glücksspielmärkten.
Es könne nicht sein, dass illegale Anbieter immer noch mit ihren aggressiven und suchtfördernden Angeboten auf dem deutschen Markt präsent seien und massiv für sich würben, während die staatlichen Lottogesellschaften sich strikt an geltendes Recht hielten, verlautbarte der Ethik-Beirat des Deutschen Lotto- und Totoblocks im März 2008. Ob die honorigen Mitglieder des Beirats, Ex-Bundesminister Seiters, Ex-Bundesministerin Renate Schmidt und Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags Stamm ihre Stimme so erhoben hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, wie die Gerichte über das werbliche Verhalten der Landeslotteriegesellschaften urteilen werden?
2008 – das Rekordjahr für Verstöße der staatlichen Lotteriegesellschaften. Gerade das Jahr 2008, das Jahr nach dem Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht zugestandenen Übergangs- und Bewährungszeit für eine gesetzliche Glücksspielstaatsmonopol-Lösung – und eine gerichtlich festgestellte Wettbewerbswidrigkeit jagt die nächste.
Die Münchener Ziviljustiz bescheinigte der staatlichen bayerischen Lotterieverwaltung mehrfache Verstöße gegen das Lauterkeitsrecht. Von anreizender Jackpotwerbung über verschiedene Fälle verbotener Internet-Werbung reicht das Spektrum der gerichtlich untersagten Verletzungen des Glücksspielstaatsvertrags. Aber auch schon in der Übergangszeit begangene und auch heute noch verbotene Wettbewerbsverstöße des staatlichen Lottoveranstalters stellte das OLG München jüngst fest. Maßnahmen der bayerischen Glücksspielaufsicht, sollten solche überhaupt erfolgt sein, sind nicht erkennbar. Man hat dort offenbar zu viel zu tun mit dem (bis jetzt allerdings erfolglosen) Kampf gegen private Glücksspielwerbung im Internet.
Etwas anders in Hessen. Auch dort entschied das Landgericht Frankfurt/Main, dass der Lottoveranstalter gegen die Werbevorschriften des Glücksspielrechts verstieß, wenn die Annahmestellen mit den Jackpot-Aufsteller vor dem Laden auf Kundenfang gingen. Dies alarmierte offenbar die als besonders monopolgläubig bekannte Lotterieverwaltung des hessischen Innenministeriums, und Lotto Hessen verbannte die Blickfangwerbung von den Straßen, schaltete sogar zeitweise die Internetseite für eine grundlegende Überarbeitung ab, da weitere Beanstandungen des werblichen Verhaltens im Internet ebenfalls zu Verbotsaussprüchen des Landgerichts Frankfurt/Main führten.
Auch der niedersächsischen Lotteriegesellschaft fallen Werbeverstöße im Internet zur Last. Werbeaktionen für Sonderauslosungen, Jackpotwerbung sonstige Produktwerbung gaben Anlass für wettbewerbliche Abmahnungen. Soweit Unterlassungserklärungen nicht abgegeben worden waren, entschied das LG Oldenburg, dass die Werbung für das LOTTO-Superding, eine Umsatz- und Bearbeitungsgebühren erzeugende Sonderveranstaltung, nicht wiederholt werden dürfe und bestimmte Jackpot- und Glücksspiralen-Sonderauslosungswerbung aus dem Internetauftritt genommen werden müsse. Weitere Gerichte sind mit dem Vorwurf massiver Werbeverstöße der staatlichen Lotteriegesellschaften beschäftigt.
Alles Beispiele für den stattfindenden Stellungsabwehrkrieg der Blockgesellschaften. Nur was ausdrücklich verboten wird, wird allenfalls geändert – sicherlich alles unter dem Monopol-Motto des Lottoblocks Keine Kommerzialisierung des Glücksspiels.
Die Jackpotaufsteller in Bayern säumen trotz vollstreckbarer Entscheidungen des OLG Münchens immer noch die Straßen. Offenbar denkt man wirtschaftlich: Es drohen wohl erstmal nur Ordnungsgelder bis 250.000 €, und die bleiben auch noch in der eigenen Tasche – Umbuchen von Lotterieverwaltung auf Justizverwaltung. Der Verzicht auf Jackpotwerbung ist jedenfalls viel teurer. Der Staat und er selbst. Eine immer wiederkehrende Geschichte, die immer neue Blüten treibt: Das rote Kleeblatt auf gelbem Grund.
Doch sind es tatsächlich nur die die kleinen werblichen Grenzüberschreitungen bei der Werbung, die sich im Rahmen einer Übergangszeit nach der Übergangszeit einnivellieren? Wohl kaum, sagte sich eine Marktteilnehmerin, die vergangene Woche eine Landeslotteriegesellschaft u.a. auch deswegen abgemahnt hat, weil der Glücksspielvertrieb in den Annahmestellen im Rahmen eines Mischwarenangebots, insbesondere eines Süßwarenangebots erfolgt. Weil der Gesetzgeber auch Lotto als Glücksspiel mit besonderem Gefährdungspotenzial eingestuft hat, müssen Vertrieb und Werbung von Lotto und anderen Glücksspielen gerade auch in den Lottoannahmestellen im Einklang mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags stehen. Diese gesetzliche Ausrichtung verbietet an sich den Vertrieb und die Werbung in einem Umfeld, das die vom Gesetz besonders geschützten Kreise, vor allem Jugendliche, anspricht. Diese werden aber so gezielt der auf den Verkaufsbildschirmen bunt präsentierten Werbung ausgesetzt, und es wird bei einer solchen Ladeneinteilung nicht gerade der Eindruck vermittelt, als sei das farbig präsentierte Glücksspiel das gesetzlich angenommene sozial schädliche Verhalten, welches es – dem gesetzlichen Auftrag nach – an sich zu unterbinden gilt.
Glücksspiel 2008 unter dem Glücksspielstaatsvertrag als allerorts verfügbares normales Gut des täglichen Lebens? Die Gerichte sagen Nein und viele sind auch irritiert. Mama, da steht Glücksspiel kann süchtig machen – warum machst Du so gefährliche Sachen wie Glücksspiel und sagst mir, Süßigkeiten darf ich nicht haben? Dass die gefährlich sind, steht doch da gar nicht drauf , sagte jüngst ein Schüler in Berlin. Gut festgestellt. Was die Jugend nicht versteht, sollte zu denken geben, sicherlich auch eine Aufgabe für den Ethikrat des Deutschen Lotto- und Totoblocks. Dass Süßigkeiten für die Ernährung überhaupt nicht erforderlich sind und Ursache für Volkskrankheiten wie Karies und Diabetes, ist übrigens unbestritten.
Kontakt:
Rechtsanwalt Boris Hoeller
HOELLER RECHTSANWÄLTE
Wittelsbacherring 1
53115 Bonn
Telefon: +49 228 90 820 0
Telefax: +49 228 90 820 999
E-Mail: kanzlei@hoeller.info
Internet: www.hoeller.info