Mein schlimmster Bad Beat – 4

Juli 2006. An diesem Samstag stehe ich spät auf, da ich mir die vergangene drückend schwüle Nacht mit einigen kühlen Blonden erträglich gemacht habe. Meine erste Handlung des Tages: Kaffeewasser aufsetzen und den Computer anschmeißen. Und dann in den Cardroom, um Poker zu spielen, so wie jeden Vormittag.

Der Poker-Boom in Deutschland war auch an mir nicht vorübergegangen. Angesteckt mit diesem neuen Fieber wurde ich durch Poker-Übertragungen in einem Sportsender. Ich war von diesem faszinierenden Spiel hingerissen und musste es sofort erlernen. Das geschah dann auch, und zwar gründlich. Ich verbesserte recht schnell meine Spielstärke. Und jetzt, ca. drei Monate danach, fühlte ich mich schon stark genug, um regelmäßig an den Cash Tables einer der großen Pokerseiten zu spielen. Begonnen hatte ich mit kleinen Mindesteinsätzen: 0,05/0,10USD, dann 0,25/0,50. Und als es wider Erwarten sofort gut lief, habe ich mich langsam nach oben gewagt. Inzwischen spielte ich No Limit Holdem 5/10 USD, manchmal sogar mit 10/20 USD. Seit einer Woche lagen meine durchschnittlichen Tagesgewinne auf diesem Level so zwischen 50 und 100 USD am Tag. Ich hielt mich für einen guten Spieler und redete mir allen Ernstes ein, ich sei schon fast auf dem Weg zum Poker-Profi. So weit, so gut…

Mein Kaffee ist inzwischen fertig und – vor meinem Laptop sitzend – schlürfe ich genüsslich vor mich hin, während ich einen freien Platz an einem Cash Table anklicke. Die ersten 10 Spiele habe ich nur Schrott auf der Hand, aber dann…

Das sieht doch schon mal gut aus, denke ich: Pik-König und Herz-König. Eine Super-Hand. Ich entschließe mich, in später Position zu erhöhen , und zwar auf das Vierfache des Big Blinds. Zwei Spieler callen. Dann der Flop: Herz-As, Kreuz-König, Caro-As. – Wahnsinn, zische ich vor mich hin, absoluter Wahnsinn! Ein Monsterblatt! Ich habe ein Full House, und zwar das zweithöchste überhaupt: Drei Könige und zwei Asse. Unglaublich, denke ich. Jetzt Ruhe bewahren! Jetzt nicht hektisch zu hoch anspielen. Ich will ja, dass der Pott sich füllt. Die anderen sollen keine Lunte riechen. Am besten checken, flüstere ich mir zu. Ja genau, nur checken und abwarten…

Die beiden anderen verbliebenen Spieler checken ebenfalls. Dann der Turn: Caro-Bube. Einer der beiden Spieler erhöht leicht. Der andere geht mit. Jetzt nur callen, sagt mir die innere Stimme. Erst nach dem River werde ich anziehen. Meine Gegner sollen noch nichts merken. Jetzt Ruhe bewahren…

Dann der River: Caro-Dame. Sehr gut, denke ich. Vielleicht hat jetzt einer der beiden eine Straße, falls er noch eine 10 auf der Hand hat. Dann könnte er denken, er hätte die Nuts und würde dementsprechend hoch reingehen. Auch ein Fush wäre möglich, wenn einer der beiden zwei Caro auf der Hand hat. Vielleicht geht er dann all-in, weil er meint, mit seinem Flush oder seiner Straße vorn zu liegen. Ausgezeichnet, überlege ich mir. Dann hätte ich meinen riesigen Pott, auf den ich aus bin. Ich erhöhe also, um mal anzutesten. Einer der beiden geht mit. Und der andere, wie erwartet, geht all-in. Jawollo, denke ich. Der hat wahrscheinlich eine 10 auf der Hand und freut sich jetzt über seine Straße. Vielleicht hat er auch ein As und freut sich über seinen Drilling. Der denkt, das Ding bekommt er. Aber nein, den Pott werde ich bekommen mit dem hohen Full House. Ist mir doch egal, ob der eine Straße oder einen Flush oder einen Drilling hat. Das wird für ihn nicht reichen. Und der Typ hat tatsächlich bei seinem All-in seine gesamten 250 USD gesetzt. Was für ein schöner Tagesgewinn für mich. Super. Ich calle natürlich: All-in.

Im Topf sind nun insgesamt mehr als 600 USD. Ich gewinne also mit diesem einen Pott mehr als 300 Kracher, rechne ich mir aus und freue mich schon wie der sprichwörtliche Schneekönig.

Dann der Showdown…

Baaaahhhh….Das gibt´s doch gar nicht! Das Geld wird zu meinem Gegner geschoben. Wie bitte???? Nein…

Ich traue meinen Augen nicht: Er hat tatsächlich zwei Asse auf der Hand. Also schlägt sein Vierling aus Assen mein Super-Full House aus drei Königen und zwei Assen. Unfassbar!!! Ich habe in diesem einen Spiel ca. 300 Dollar verpulvert. Vor Schrecken schwappt mir die Kaffeetasse über, weil meine linke Hand zittert. Unfassbar! zische ich.

Ich schlage mir an die Stirn. Aber wie konnte der Typ zwei Asse haben? Der hat sich doch gar nichts anmerken lassen und hat am Anfang nicht erhöht. Wie sollte man das ahnen???

Im Nachhinein kann ich sagen, dass mir dieses Spiel eine heilsame Lehre war. Seit dieser Poker-Lehrstunde, die ich erhielt, spiele ich wieder in etwas niedrigeren Geldstufen und in kleineren Turnieren mit relativ bescheidenen Einsätzen. Vor allem versuche ich, die Emotionen während des Spielens so weit wie möglich zurückzudrängen, denn sie können das Spiel negativ beeinflussen. Meinen Traum von der Profi-Karriere habe ich erst einmal ad acta gelegt. Statt dessen freue mich jetzt über kleinere, aber regelmäßige Gewinne und vielleicht kann ich meine Spielstärke auf die Dauer noch steigern.

Und für alle Poker-Freaks noch die einfache Moral meiner Geschichte: Es gibt eben kein noch so schönes Monsterblatt im Poker, das nicht schlagbar wäre. Bis auf Royal Flush bekanntlich. Aber den hatte ich in meinem Poker-Leben noch nie…