Kroatien hat ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Regulierung des Online-Glücksspielmarktes verabschiedet und damit eine heftige Debatte innerhalb der Branche ausgelöst. Die Regierung unter Ministerpräsident Andrej Plenković führt ein nationales Sperrsystem nach deutschem Vorbild ein, verschärft Werbebeschränkungen massiv und erhöht die Lizenzgebühren auf fast 400.000 Euro. Zudem werden prominente Persönlichkeiten und Sportler vollständig aus der Glücksspielwerbung verbannt.
Die Regierung begründet den Schritt mit dem Schutz gefährdeter Spieler. Daten der European Union Drug Agency zeigen, dass 12,9 Prozent der kroatischen Schüler ein riskantes Glücksspielverhalten aufweisen. Nach Informationen des Senders HRT gelten rund 50.000 Menschen im Land als spielsuchtgefährdet – bei gleichzeitig langen Wartezeiten für therapeutische Angebote.
Konflikt mit der EU bahnt sich an
Während die Regierung ihre Reform als notwendigen Schritt für mehr Verbraucherschutz darstellt, warnt der europäische Branchenverband Euromat vor einem drohenden Rechtsstreit mit Brüssel. In einer Beschwerde bei der Europäischen Kommission wirft der Verband Kroatien vor, die neue Regulierung nicht gemäß der TRIS-Richtlinie notifiziert zu haben.
Eine fehlende Notifizierung kann weitreichende Folgen haben: In der Vergangenheit führte sie bereits in mehreren EU-Staaten – darunter Litauen – zur Ungültigkeit ganzer Gesetzespakete. Sollte die Kommission einschreiten, könnte das kroatische Reformpaket ganz oder teilweise aufgehoben werden.
Die neuen Regeln ähneln den deutschen Vorgaben aus dem Glücksspielstaatsvertrag, gehen stellenweise jedoch darüber hinaus. Besonders das geplante Sperrsystem orientiert sich am deutschen OASIS-Modell, das Spieler landesweit vom Glücksspiel ausschließen kann. In Deutschland hatte dieses System allerdings zur Abwanderung vieler Nutzer auf nicht regulierte Anbieter geführt – ein Risiko, das nun auch in Kroatien gesehen wird.
Auswirkungen auf Touristen und lokale Anbieter
Für deutsche Urlauber, die Kroatien als eines der beliebtesten Reiseziele ansteuern, könnten die neuen Sperrmechanismen spürbare Einschränkungen bedeuten. Wer im Urlaub Online-Glücksspielangebote nutzen möchte, könnte künftig aufgrund der landesweiten Identitätsprüfungen gesperrt werden.
Laut Branchenmeldungen warnen kroatische Glücksspielanbieter zudem vor einer zu strengen und kostenintensiven Regulierung, die legale Angebote unattraktiv machen und Spieler auf nicht lizenzierte Seiten drängen könnte. Bereits jetzt wurden über 900 Websites per IP-Blockierung unzugänglich gemacht.
Europäischer Präzedenzfall möglich
Der Fall Kroatien wirft grundlegende Fragen zur Regulierungshoheit im europäischen Binnenmarkt auf. Wie weit dürfen Mitgliedstaaten gehen, bevor EU-Recht verletzt wird? Und welche Anforderungen gelten für nationale Sperrsysteme, Werbeverbote oder Lizenzmodelle? Die Europäische Kommission hat sich bisher nicht offiziell geäußert. Beobachter rechnen jedoch damit, dass der kroatische Ansatz zu einem Präzedenzfall für den EU-Glücksspielsektor werden könnte – insbesondere im Hinblick auf Notifizierungsverfahren und die Vereinbarkeit strenger nationaler Regulierungen mit dem EU-Binnenmarkt.
Wie Brüssel reagieren wird, könnte nicht nur für Kroatien, sondern für die gesamte europäische Glücksspielbranche richtungsweisend sein.