Schnelle Rückabwicklung des Glücksspielgesetzes in Schleswig-Holstein nicht möglich – Wolfgang Kubicki: Zweifel innerhalb der „Dänenampel“ wachsen

Von Ansgar Lange

Die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein macht ernst: Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und seine Koalitionäre wollen das liberale Glücksspielgesetz der schwarz-gelben Vorgängerregierung kippen. Wie die Kieler Senatskanzlei mitteilte, soll das Land so schnell wie möglich dem Staatsvertrag der übrigen 15 Länder beitreten, der nach Ansicht von Experten aber über gravierende Schwächen verfügt, die einer rechtlichen Prüfung auf Dauer nicht standhalten dürften.

Bereits in der August-Sitzung des Landtages soll hierüber in erster Lesung beraten werden. „Wir beginnen, das Minenfeld in der deutschen Glücksspielgesetzgebung zu räumen, das unsere Vorgänger den Schleswig-Holsteinern hinterlassen hat“, sagte Albig. „Schleswig-Holstein gibt wohl klein bei“, lautete ein erstes Fazit der Augsburger Allgemeinen.

Insbesondere der SPD-Fraktionsführer Stegner hatte sich in den letzten Monaten als Scharfmacher in Sachen Glücksspiel zu profilieren versucht. Nun stellt sich die Frage, ob Stegner und Co. die Uhren mit Erfolg wieder zurückdrehen können. „Ich gehe derzeit nicht davon aus, dass es eine schnelle Rückabwicklung des Glücksspielgesetzes geben wird, da mittlerweile auch innerhalb der Dänenampel-Koalition Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Staatsvertrages der 15 aufgekommen sind“, sagt der Kieler FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki, neben dem CDU-Politiker Hans-Jörn Arp einer der „Väter“ des liberalen Regulierungsmodells, das nun abgeschafft werden soll. „Es kann auch von keinem vernunftgeleiteten Politiker mehr ignoriert werden, dass der Glücksspielstaatsvertrag verglichen mit dem schleswig-holsteinischen Gesetz viele Nachteile und Fehler aufweist – wie dies jüngst noch einmal von der Monopolkommission der Bundesregierung nachdrücklich bestätigt wurde. Insbesondere für den Bereich der Suchtbekämpfung hat das Gutachten der Kommission der kruden Argumentation von Herrn Dr. Stegner den Boden entzogen. Der Beschluss der neuen Regierung, dem Glücksspielstaatsvertrag beizutreten, ist daher an Faktenignoranz kaum noch zu überbieten.“

Gegenüber dem Handelsblatt monierte Kubicki, die neue Regierung lenke das Land „in eine Sackgasse“. Sie gefährde nicht nur Hunderte Arbeitsplätze, sondern verstoße auch gegen geltendes EU-Recht.

FDP bleibt auch in der Opposition weiter am Ball

Die Liberalen sehen mit Sorge, dass die derzeitige Hängepartie für Verunsicherung bei der Industrie sorgt, die sich in Schleswig-Holstein um Lizenzen bemüht und nun um ihre Rechtssicherheit fürchtet. „Ich kann die Unsicherheit der Industrie gut nachvollziehen, zumal der heutige Ministerpräsident Albig vor wenigen Monaten noch als Kieler Oberbürgermeister eine diametral entgegengesetzte Position zu dieser Frage bezogen hat. Trotz der etwas aufgeheizten Diskussion möchte ich jedoch an alle Beteiligten appellieren, Ruhe zu bewahren. Die neue Regierungskoalition wird sich überlegen müssen, ob sie eventuelle – und berechtigte – Schadensersatzforderungen für einen Lizenzentzug in Kauf nehmen will. Zudem ist auch der neue Innenminister an Recht und Gesetz gebunden und muss weiterhin Lizenzen erteilen, wie er selbst öffentlich geäußert hat“, beruhigt Kubicki.

Die FDP-Fraktion werde sich jedenfalls auch in der Opposition weiter mit diesem Thema beschäftigen. „Wir halten den in der vergangenen Wahlperiode eingeschlagenen Weg für richtig und werden auch weiter für diesen Kurs werben“, gibt sich der FDP-Frontmann kämpferisch. Grundsätzlich bedarf es nach Ansicht Kubickis in den anderen Bundesländern noch erheblicher Überzeugungsarbeit für den schleswig-holsteinischen Kurs der christlich-liberalen Regierung. Das aktuelle Gutachten der Monopolkommission könne hierzu einen Beitrag leisten. „Ich bin allerdings skeptisch, ob meine Länder-Kollegen hierfür offen sind, denn leider habe ich in der Vergangenheit fast zu oft eine politische Argumentation nach dem Motto ‚Wir schlagen den Kurs ein, weil ihn alle anderen einschlagen’ gehört. Aber ich werde weiterhin für den vernünftigen Weg streiten“, so Kubicki.

Grüne geraten unter die Räder

Die Grünen machen derweil in Schleswig-Holstein eine mehr als unglückliche Figur. Während sie in anderen Ländern die Muskeln spielen lassen, ist die Aufgabenteilung von Koch (SPD) und Kellner (Grüne) an der Förde für jeden ersichtlich. Sie müssen sich beim Thema Glücksspiel von den beiden „Alphatieren“ Albig und Stegner dominiert fühlen, die den Takt vorgeben und die Schlagzeilen bestimmen. Die grüne Finanzministerin Monika Heinold dürfte die Suppe auslöffeln, die ihr die SPD-Herrenriege eingebrockt hat. Sie hatte immer wieder auf einem rechtssicheren Weg beharrt. Wenn sich Schleswig-Holstein nun aber dem Staatsvertrag der anderen 15 Länder anschließt, verlässt sie diesen rechtssicheren Weg. Nicht zuletzt das kürzlich vorgestellt Gutachten der Monopolkommission hatte den Vorbildcharakter des schwarz-gelben Glücksspielgesetzes betont und den Staatsvertrag scharf kritisiert.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung findet es derweil bemerkenswert, dass sich die neue Kieler Finanzministerin Heinold darüber freut, dass sie weniger Geld für ihr Land einnimmt. Dies gehöre „zu den vielen kuriosen Begleiterscheinungen, die der Kieler Liberalisierungsversuch mit sich brachte“. Zum Hintergrund: Im Staatsvertrag wurde beschlossen, dass die Sportwettenabgabe für ausländische wie inländische Anbieter vereinheitlicht und insgesamt auf fünf Prozent gesenkt wird. „Schwarz-Gelb wollte da gerade einmal zwei Prozent“, so die FAZ. „All das hat dazu geführt, dass die Einnahmen bei weitem nicht so hoch sind wie von Schwarz-Gelb erwartet.“ Zurzeit hat man aber nicht den Eindruck, als könnten die Grünen in Schleswig-Holstein gegenüber den ideologisch eingefahrenen Sozialdemokraten die Rolle eines ordnungs- und wettbewerbspolitischen Gewissens spielen. Dafür reicht ihre Kraft nicht aus.