Aufgrund der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8. September 2010 zu mehreren Vorlagen aus Deutschland sind fast alle Strafverfahren gegen Vermittler von Sportwetten eingestellt worden. Fast alle – im Allgäu wird von einer sehr motivierten Staatsanwaltschaft weiterhin – vor allem während laufender Champions League-Spielen und damit publikumswirksam – durchsucht und beschlagnahmt (sogar im privaten Schlafzimmer von Gastwirten). Selbst gegen Kunden von in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassenen Buchmachern wurden in mehreren Fällen Strafverfahren eingeleitet.
Begründet wurde dieses Vorgehen von der Staatsanwaltschaft Kempten mit der überraschenden (aber vom Landgericht Kempten gebilligten) Argumentation, dass angeblich „europarechtliche Vorgaben nur für den Gesetzgeber verbindlich“ seien und Vorgaben des EuGH keinerlei Bindungswirkung hinsichtlich der strafrechtlichen Beurteilung hätten. Diese Auffassung ist allerdings mit dem seit 50 Jahren in ständiger Rechtsprechung vertretenen Vorrang des Unionsrechts nicht zu vereinen.
Eine Strafbarkeit der für private Buchmacher (die vielfach in dem bereits seit über einen Jahr dauernden Konzessionierungsverfahren Anträge gestellt hatte) tätigen Vermittler wurde von der Staatsanwaltschaft mit dem sog. Erlaubnisvorbehalt (trotz tatsächlich nicht bestehenden Erlaubnismöglichkeit) zu begründen versucht. Der im Glücksspielstaatvertrag unter den „allgemeinen Vorschriften“ normierte Erlaubnisvorbehalt sei unabhängig vom (vielleicht unanwendbaren) Monopol.
Das Amtsgericht Sonthofen konnte dieser Argumentationslinie nicht folgen und hat in einem Strafverfahren gegen eine Sportwettenvermittlerin diese unionsrechtlich zu beurteilende Fragen gemäß Art. 267 AEUV dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az. 1 Ds 400 Js 17155/11). Neben der Vorlage des Bundesgerichtshofs, die der EuGH unter dem Aktenzeichen C-156/13 führt, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2013/06/vorlage-des-bgh-den-eugh-zur-koharenz.html, wird er voraussichtlich im kommenden Jahr auch die neue Sportwetten-Vorlage aus Deutschland bearbeiten dürfen.
Auch das Bundesverfassungsgericht wird sich in Kürze, ebenfalls in einem Strafverfahren, mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Bestrafung eines Sportwettenvermittlers in einem rechtlich nicht haltbaren Monopolsystem zu beschäftigen haben, siehe http://wettrecht.blogspot.de/2013/08/anstehende-entscheidung-des.html.