VG Halle: Reichweite eines Sportwetten-Verbots über das Internet

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Das VG Halle (Beschl. v. 19.05.2005 – Az.: 3 B 15/05 HAL) hatte über die Reichweite eines Sportwetten-Verbots über das Internet zu entscheiden.

Dem Antragsteller wurde verboten, in Sachsen-Anhalt Sportwetten über das Internet zu vermitteln. Daraufhin führte er bei seinen Online-Wetten eine Routinenachfrage ein, ob die wettende Partei aus Sachsen-Anhalt stammt. War dies der Fall, wurde die Wette abgelehnt. In allen anderen Fällen vermittelte der Antragsteller weiterhin seine Wetten online.

Hierin sah die Antragsgegnerin einen Verstoß gegen die Untersagung und drohte ein Zwangsgeld an bzw. setzte ein solches fest.

Hiergegen wehrte sich der Antragsteller vor dem VG Halle, da er meinte, alles technisch Mögliche und Zumutbare unternommen zu haben, um sich an das Verbot zu halten.

„Soweit (…) der Antragsteller hierzu darlegt, dass bei Abschluss des Wettgeschäfts nachgefragt wird (bei Internetgeschäften über das „Anklicken“ eines entsprechenden Passus), ob sich der Kunde bei Abschluss des Geschäfts gerade auf dem Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt aufhält, hat er/sie alles Zumutbare getan, um der hier gegenständlichen Untersagungsverfügung nachzukommen.

Ein vollkommener Nachweis der Beachtung der Untersagungsverfügung wäre nur mit der völligen Einstellung des Wettgeschäfts erbracht. Dies kann der Antragsgegner allerdings nicht verlangen.

Im Rahmen von Art. 20 Abs. 1 GG ist von der Rechtsordnung des Landes Sachsen-Anhalt die Rechtsordnung der übrigen Bundesländer zu respektieren. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Rechtsstand würde der Zwang, das Wettgeschäft völlig einzustellen, bedeuten, dass (…) der Antragsteller von der gegenwärtig (vorläufig) eröffneten Möglichkeit Wettgeschäfte mit Kunden aus anderen Bundesländern Wettgeschäfte abschließen zu dürfen, wegen der divergierenden Rechtslage in einzelnen Bundesländern keinen Gebrauch mehr machen könnte.

Ein Eingriff in das genannte Grundrecht wäre aber unausweichlich. Denn es steht bei Abschluss des Wettgeschäfts keine sichere Möglichkeit zur Verfügung, Kunden festzustellen, die sich gerade zu diesem Zeitpunkt in Sachsen-Anhalt aufhalten, es sei denn, sie beantworten die sog. „Sachsen-Anhalt-Frage“ mit „Ja“.

Wird diese Frage jedoch wahrheitswidrig verneint, so sind die Möglichkeiten (…) der Antragstellerin, sofern keine positive Kenntnis von diesem Umstand vorhanden ist, sich entsprechend der Untersagungsverfügung zu verhalten, erschöpft.“

Das VG Halle beweist im folgenden ausgezeichnete Kenntnisse der technischen Zusammenhänge, wenn es ausführt:

„Die gegenwärtigen Möglichkeiten des Internet, über das die Geschäfte im Wesentlichen abgewickelt werden, lassen eine eindeutige und der Wahrheit entsprechende Lokalisierung von Wettkunden nicht zu.

Denkbar ist allein, die Möglichkeit, von Wettkunden die Angabe einer Festnetztelefonnummer zu verlangen. Über eine sog. „Rückwärtssuche“ könnten sodann der Anschlussinhaber und dessen Adresse über eines der zahlreichen Telefonsuchprogramme ermittelt werden.

Abgesehen davon, dass diese Möglichkeit bei ISDN-Anschlüssen durch Rufumleitung umgangen werden kann und bei Mobilnetznummern leer läuft, darf nicht übersehen werden, dass die hier gegenständlichen Wetten Massengeschäfte sind und solche Kontrollrückfragen das zumutbare Maß schnell überschreiten würden.

Aber auch über das Internet selbst sind in den meisten Fällen keine zuverlässigen Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort des Wettkunden bei Abschluss des Wettgeschäfts möglich: Möglich wäre dies nur bei einem System, das mit festen IP-Adressen arbeitet. (…) In Europa werden aber fast alle Internet-Aktivitäten über sog. Provider wie T-Online, AOL etc. abgewickelt. Diese weisen IP-Adressen jedoch immer nur temporär oder dynamisch zu, d. h. bei Verlassen des Internet fällt die zugewiesene IP-Adresse zur erneuten Verteilung wieder in den Zentraltopf aller verfügbaren IP-Adressen zurück und wird von dort aus erneut (temporär) vergeben.

Darüber hinaus wäre es zwar möglich, über die Provider die IP-Adressenvergabe rückzuverfolgen, da die Vergabe für eine bestimmte Zeit protokolliert wird. Hiervon wird etwa im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen Gebrauch gemacht. Ad hoc-Recherchen im Sinne von massenhaft stattfindenden Überprüfungen sind unter den gegenwärtigen Bedingungen aber noch nicht möglich.

Schließlich kann jeder Internet-Benutzer seine dynamische oder feste IP-Adresse durchaus verschleiern. Hierfür stehen Freeware-Programme und relativ preiswerte bessere Programme (z.B. Steganos – Internet-Anonym) zur Verfügung. Der Empfängerseite wird mit Hilfe solcher Programme beim Internetkontakt vorgespiegelt, dass die IP-Adresse der Absenderseite einem Benutzer aus z. B. der Schweiz (dynamisch) zugewiesen ist.“

Das VG Halle kommt somit zu dem Ergebnis, dass es für die Einhaltung einer Untersagungsverfügung ausreichend ist, wenn mittels sachlicher Nachfrage vor Online-Vertragsschluss wettende Personen aus Sachsen-Anhalt ausgefiltert werden. Der Urteilsspruch überzeugt insbesondere deswegen, weil der länderübergreifende, internationale Charakter des Internets angemessen Berücksichtigung findet.