Verwaltungsgericht Hamburg entscheidet zugunsten von Sportwettvermittlern

Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat in vier von der Kanzlei Kuentzle Rechtsanwälte geführten Eilverfahren die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen, die Sportwettvermittler gegen Anfang 2012 erlassene Untersagungsverfügungen der hamburgischen Behörde für Inneres und Sport erhoben hatten, angeordnet. Der Beschluß des VG Hamburg vom 29.4.2013 (4 E 331/12) ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden, nachdem die Behörde für Inneres und Sport keine Beschwerde eingelegt hat.

Nachdem in Hamburg im Gefolge der Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 8.9.2010 über mehr als ein Jahr die Vermittlung privater Sportwetten geduldet worden war, ergingen am 6. Januar 2012 einige Untersagungsverfügungen der Behörde für Inneres und Sport, die sich auf die fehlende Erlaubnis der jeweiligen Vermittler sowie der Wettunternehmen gestützt hatten. Die Untersagung betraf das gesamte Hamburger Stadtgebiet, nicht bloß den konkreten Vermittlungsstandort. Später hat sich die Behörde für Inneres und Sport darauf berufen, die Vermittlung sei materiell nicht erlaubnisfähig, da die Vermittler unerlaubte Live-Wetten vermittelten bzw. die Wetten unerlaubterweise in Spielhallen vermittelten.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg rechtfertigt die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland zugelassene Wettanbieter derzeit keine landesweite Volluntersagung. Das Handeln der Vermittler sei nicht als unerlaubtes Glücksspiel, das eine vollständige Untersagung der Vermittlungstätigkeit rechtfertigen würde, zu verstehen. Weder das Fehlen der Vermittlungserlaubnis, noch die fehlende Konzessionierung des Wetthalters, noch die geltend gemachten Verstöße gegen das Live-Wetten- und Ereigniswettenverbot oder gegen das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV vermöchten die Untersagungsverfügungen zu tragen.

Das Fehlen der Erlaubnis könne eine Untersagungsverfügung nur rechtfertigen, wenn eine Erlaubnis für den Betroffenen nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich erreichbar sei. Dies ist jedoch, wie das VG Hamburg zutreffend feststellt, im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Konzessionierungsverfahren derzeit nicht gegeben. Die abstrakte Konzessionierungsmöglichkeit genüge, so das VG Hamburg, noch nicht, um den Erlaubnisvorbehalt durchsetzen zu können. Vielmehr würden die Grundfreiheiten des AEU-Vertrags nur gewahrt, wenn ihre Gewährleistungen sich in der Praxis tatsächlich bewährten:

„Nähme man das Fehlen einer Erlaubnis während des laufenden Konzessionsverfahren zum Anlass, die Vermittlungstätigkeit zu untersagen, würde faktisch der europarechtswidrige Monopolzustand für die Dauer des Konzessionsverfahrens perpetuiert, obwohl es nicht in der Gestaltungsmacht der Antragstellerin oder des Wetthalters liegt, das Konzessionsverfahren und das anschließende Erlaubnisverfahren für die Wettvermittlung zu beschleunigen. Die Antragstellerin wäre damit gegenüber den staatlichen Sportwetten-Anbietern und ihren Vermittlern ohne sachlichen Grund, der den Maßstab der Dienstleistungsfreiheit genügen müsste, benachteiligt“. (S. 16)

Das Verwaltungsgericht verweist insoweit auf § 29 Abs. 1 S. 3 GlüStV, wonach staatliche Monopolunternehmen bis zu einem Jahr nach Erteilung der Konzessionen selbst vom Konzessionserfordernis freigestellt und bereits mit einer „normalen“ Erlaubnis in der Lage sind, das Wettangebot ODDSET weiterhin legal anzubieten. Hierzu das VG Hamburg wörtlich:

„Sind danach die staatlichen Sportwetten-Veranstalter und ihre Vermittler berechtigt ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, muss dies auch für die Antragstellerin gelten. Andernfalls hätte das Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages, der im Hinblick auf das Konzessionsverfahren bei Sportwetten ein europarechtswidriges Monopol beseitigen sollte, eine Verschlechterung der Rechtsposition der Antragstellerin zur Folge. Denn vor Inkrafttreten der neuen Rechtslage war die Antragstellerin nach der Rechtsprechung der Kammer und der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die europarechtliche Unanwendbarkeit des Sportwettenmonopols zur Vermittlung von Sportwetten berechtigt. Während des laufenden Konzessionsverfahrens kann die Antragstellerin im Hinblick auf ihre Dienstleistungsfreiheit nicht schlechter stehen“. (S. 16 f.)

Das Verwaltungsgericht befaßt sich auch mit dem Argument, angeblich sei die Behörde für Inneres und Sport in der Vergangenheit (d.h. vor dem 1.7.2012) bereit gewesen, Veranstaltungs- und Vermittlungserlaubnisse für private Sportwetten im Widerspruch zu geschriebenem nationalem Recht zu erteilen. Das Verwaltungsgericht läßt ausdrücklich offen, ob eine solche Bereitschaft tatsächlich bestanden hat, und verweist darauf, daß solche Erlaubnisse allenfalls befristet bis zum 30.6.2012 erteilt worden wären, nicht aber auch mit Wirkung für die neue Rechtslage.

Im Hinblick auf angebliche materiell illegale Vermittlungstätigkeiten bestätigt das Verwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung und verlangt insoweit konkrete, auf die Person des jeweiligen Vermittlers bezogene Nachweise für angebliche Gesetzesverstöße. Der pauschale Verweis auf Live-Wetten sei nicht ausreichend, da Live-Wetten inzwischen eingeschränkt erlaubnisfähig sind. Eine Zurechnung des Internetangebots des Wetthalters an den Vermittler lehnt das VG Hamburg in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung weiterhin ab. In der Vergangenheit hatten andere Gerichte häufig die Vermittlung von Sportwetten allein deshalb als erlaubnisunfähig bewertet, weil der Wetthalter eine nicht gesetzeskonforme Internetpräsenz betrieben habe, womit die Vermittler letztlich als Sündenböcke für Geschäftsmodelle Dritter herhalten mußten.

Selbst wenn tatsächlich Verstöße gegen materielle Vorgaben des GlüStV nachgewiesen seien (konkret etwa eine Vermittlung in einer Spielhalle entgegen § 21 Abs. 2 GlüStV, wobei das VG Hamburg die Verfassungs- und Europarechtskonformität dieser Regelung offengelassen hat), rechtfertige dies keine Volluntersagung, da als milderes Mittel die isolierte Unterbindung der illegalen Praktiken, konkret also z.B. der Vermittlung unzulässiger Ereigniswetten oder der Vermittlung in einer Spielhalle, in Betracht gekommen wäre. Dem stehe auch nicht die angeblich fehlende Kontrollierbarkeit eines auf Wetten, die ihrer Art nach unerlaubt sind, beschränkten Verbots entgegen. Ein solches Verbot könnte durch unangekündigte Gewerbekontrollen ohne weiteres kontrolliert werden:

„Die Kontrollsituation unterscheidet sich insoweit nicht in entscheidungserheblichem Maße von der Kontrolle anderer Wirtschaftsunternehmen, etwa im Bereich der Lebensmittel- oder Gaststättenkontrolle. Auch soweit dort verbotswidriges Verhalten festgestellt wird, rechtfertigt dies nicht sogleich die Schließung des jeweiligen Betriebes (…) Wenn danach die Durchsetzung der jeweiligen Verbotsverfügung ohnehin Gewerbekontrollen erforderlich macht, fällt es nicht in relevantem Maße ins Gewicht, ob bei der Nachschau die vollständige Schließung der Wettannahmestelle oder das bloße Nichtanbieten unzulässiger Live-Wetten kontrolliert wird“. (S. 20 f.)

Damit distanziert sich das VG Hamburg ausdrücklich vom OVG Saarland, das im Beschluß vom 6.12.2012 (3 W 268/12) den Sofortvollzug einer landesweiten Untersagung allein mit angeblichen Mißständen an einzelnen Standorten sowie der angeblich fehlenden Kontrollierbarkeit einer Beschränkung auf erlaubnisfähige Wetten gerechtfertigt hatte, was zur Folge hatte, daß die betroffene Vermittlerin die Sportwettvermittlung komplett aufgeben mußte, d.h. auch eine materiell erlaubnisfähige Wettvermittlung für sie nicht mehr möglich war. Demgegenüber hat das VG Hamburg Eilanträgen selbst dann vollumfänglich stattgegeben, wenn die bisher festgestellte Vermittlungstätigkeit ausschließlich in Spielhallen stattgefunden hat. Eine geltungserhaltende Reduktion der Verfügung, die das Verbot beschränkt hätte auf bestimmte Wettarten oder Lokalitäten wie z.B. eine bestimmte Spielhalle, lehnt das VG Hamburg ab:

„Wäre es in dieser Situation zulässig, den Verfügungsgehalt auf das zulässige Maß zurückzuführen, käme dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Regelfall keine verwaltungslenkende Bedeutung mehr zu, da die Verwaltungsbehörde ohne ersichtliches Risiko zunächst schärfere Maßnahmen ergreifen könnte, als durch das Übermaßverbot legitimiert“. (S. 22)

Bei den Beschlüssen des VG Hamburg handelt es sich nach Einschätzung des Verfassers um die bislang sorgfältigste gerichtliche Auseinandersetzung mit der seit dem 1.7.2012 geltenden neuen Rechtslage im Sportwettenbereich, die bundesweit für weitere Verfahren Maßstäbe setzt. Besondere Beachtung verdient die konsequente Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die gerade in Sportwettverfahren ansonsten leider oft vermißt wird.

Die Behörde für Inneres und Sport hat zwischenzeitlich übrigens alle vier Untersagungsverfügungen aufgehoben.

Kontakt:
Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes
Kuentzle Rechtsanwälte
An der Raumfabrik 29
76227 Karlsruhe
Tel: 0721-46471612
Fax: 0721-46471620
E-Mail: drose@kuentzle-rechtsanwaelte.de