Rechtsanwalt Wulf Hambach: Staatsvertrag contra Wettbewerbsfreiheit

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Die Schlacht für Wettbewerbsfreiheit und Freizügigkeit im Sportwettenmarkt ist noch längst nicht gewonnen. Zum einen sollen auch nach der Gambelli-Entscheidung negative, die Strafbarkeit nach § 284 StGB bejahende Entscheidungen deutscher Gerichte ergangen sein.

Zum anderen wollen die deutschen Bundesländer trotz der Gambelli-Entscheidung den Markt abschotten und unter sich aufteilen. Dies ist aus unserer Sicht weder europarechtlich noch verfassungsrechtlich haltbar. Der Leitartikel von Rechtsanwalt Wulf Hambach beleuchtet daher die rechtlichen Probleme des von den deutschen Bundesländern angestrebten Staatsvertrags zum Lotteriewesen.

In unserem letzten Newsletter haben wir auf das aus unserer Sicht europarechtswidrige Verhalten der Bundesrepublik Deutschland in Sachen „Zugang zum deutschen Sportwettenmarkt“ hingewiesen. Im diesem Beitrag wird der „Entwurf des Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland“ unter die Lupe genommen, mit dem die Bundesländer den Markt noch weiter abschotten wollen.

In der Pressemitteilung der Bayerischen Staatskanzlei zur Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten, die im November 2003 in der Münchner Residenz stattfand, heißt es zum Entwurf des Staatsvertrages trocken: „Die Regierungschefs der Länder haben dem Entwurf des Staatsvertrages (Anm. d. Red.: vom 10.6.2003) zugestimmt. Die Veranstaltung von Jackpott-Lotterien, Lotterien mit einem Höchstgewinn von mehr als einer Millionen Euro oder Sportwetten bleibt dem Staat vorbehalten. (…) Hintergrund des Staatsvertrages sind verschiedene Urteile von Verwaltungsgerichten. Dies lies eine vollständige Liberalisierung des Lottomarktes befürchten.“

Im Entwurf des Staatsvertrages selbst heißt es zur Zielsetzung in § 1 deutlich: „Ziel des Staatsvertrages ist es 1. den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern, 2. übermäßige Spielreize zu verhindern, 3. eine Ausnutzung des Spielbetriebs zu privaten Gewinnzwecken auszuschließen, 4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß und nachvollziehbar durchgeführt werden.“

Der bayerische Finanzminister kommentierte den Sinn und Zweck des noch zu ratifizierenden Vertrages wie folgt: „Größtmögliche Einwirkungs- und Überwachungsmöglichkeiten haben wir einfach dann, wenn der Staat die Veranstaltung von Glücksspielen nicht von vornherein Privaten überlässt, sondern sich selbst als Veranstalter betätigt“ (vgl. Handelsblatt vom 19.12.2003: „Länder schützen ihr Lotto-Monopol“).

Um auszuloten, was die privatwirtschaftlichen Unternehmen – insbesondere private ausländische Wettunternehmen – von diesem Vertragsentwurf halten, braucht es keiner besonders großen Vorstellungskraft. Auf diese Position wird daher an dieser Stelle nicht näher eingegangen.

Interessant ist jedoch die Frage, wie die Lehre bzw. die Rechtswissenschaft den Staatsvertrag einschätzt, denn sie sieht den Vertrag mangels Eigeninteressenkollision aus einer neutralen – wissenschaftlichen – Sicht. Zudem hat die Lehre einen nicht zu verachtenden Einfluss auf die deutsche Rechtsprechung.

Wie schätzt sie das Konstrukt ein? Schließen sich die Professoren, die sich dieses Themas angenommen haben, der Meinung des bayerischen Finanzministers und damit dessen ordnungspolischen Gedanken an oder favorisieren sie die Lösung, das Monopol zugunsten einer Liberalisierung des Wettmarktes, also zugunsten einer Wettbewerbsfreiheit aufzuheben?

Der angesehene Staatsrechtler und Professor für Staatsrecht der Uni Bonn (emeritiert) Prof. Dr. Fritz Ossenbühl nimmt zu dem Entwurf des Staatsvertrages eine klare Position ein: „Der Entwurf soll angeblich die Spielsucht eindämmen. In Wirklichkeit sichert er aber die dominierende Rolle der staatlichen Lotterieunternehmen zu Lasten der gemeinnützigen Unternehmen. Dieser Widerspruch ist auch bereits vom Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs in einer einschlägigen Sache (Anm. d. Red.: in der „Gambelli“-Entscheidung) kritisiert worden und führt zu meiner Überzeugung zu einer Verfassungswidrigkeit und zur Europa-Rechtswidrigkeit des Entwurfs in wesentlichen Punkten, (…)“ (Anm. d. Red.: vgl. www.wdr.de/tv/westpol/archiv/2003/04/27_6.html).

In einem Telefonat, das der Verfasser mit Prof. Dr. Andreas Voßkuhle (Leiter des Instituts für Staatslehre in Freiburg, wo er auch einen Lehrstuhl an der Universität innehat) gestern führte, nahm der Professor für Staatslehre eine ähnlich kritische Stellung zum Entwurf des Staatsvertrages ein, die sich auch in seinem im Jahr 2002 veröffentlichtem Werk „Rechtsfragen der Sportwette“ widerspiegelt.

Hierin bewertet Prof. Voßkuhle das in Deutschland vorherrschende Verbot der Veranstaltung von Sportwetten durch private Unternehmer. Dieses Verbot sei aus seiner Sicht weder mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch mit dem durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Gleichbehandlungsgebot vereinbar: „Der private Wettanbieter besitzt einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Verwaltung über die Erteilung einer Erlaubnis bzw. Unbedenklichkeitbescheinigung. Die Erteilung der Erlaubnis darf weder auf den Hinweis auf ein fehlendes Bedürfnis noch wegen des fehlenden gemeinwohlbezogenen Verwaltungszwecks abgelehnt werden.“

Vor dem Hintergrund einer verfassungsrechtlichen Bewertung des Entwurfs des Staatsvertrages ist noch ein weiterer wesentlicher Punkt zu beachten. In nächster Zeit ergeht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), die die Wirksamkeit des bis dahin wohl verabschiedeten Staatsvertrags wesentlich beeinflussen könnte. Nach Auskunft des BVerfG sind bei Gericht seit 1999 mehrere Verfassungsbeschwerden in Sachen Oddset-Wetten anhängig. Es sei jedoch noch nicht sicher, wann eine Entscheidung zur erwarten sei. Wir halten unsere Leser diesbezüglich selbstverständlich auf dem Laufenden.

In dieser anstehenden Entscheidung wird sich aller Voraussicht nach zeigen, ob die Verfassungsrichter Bereitschaft signalisieren, das Lotteriewesen und den Glücksspielmarkt „den staatlichen Händen“ zu entreißen.

Demnach steht und fällt wohl mit der ausstehenden Entscheidung des BVerfG auch das Schicksal des Staatvertrages.

Vor dem Hintergrund dieser anstehenden Entscheidung und der Zielsetzung des Staatsvertrages, eine einheitliche Länderstrategie für die Beibehaltung des monopolistisch geprägten Lotteriewesens festzulegen, wird es die Losung der Länder sein, Zeit zu gewinnen. Jeder Tag zählt und spült neues Wettgeld in die chronisch leeren Länderhaushaltskassen. Über eines sollten sich die Länder aber bereits heute im Klaren sein: das Glückspielmonopol wird – nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht – nicht zu halten sei. Wann es fällt, ist nur noch eine Frage der Zeit.

Man darf insgesamt gespannt sein, inwieweit das Verfassungsgericht diese klaren Positionen der Rechtsgelehrten in seinem Urteil berücksichtigen wird.

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