Erläuterung kontrovers diskutierter Rechtsfragen zum Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein

Rechtsanwalt Dr. Jörg Hofmann

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Das am 14.09.2011 im Landtag Schleswig-Holstein verabschiedete Glücksspielgesetz für Schleswig-Holstein hat beachtliche Diskussionen ausgelöst. Insbesondere Analysten aus dem Ausland, die den deutschen Glücksspielmarkt beobachten, stoßen auf missverständliche Interpretationen. Vor allem die folgenden drei Aspekte werden unterschiedlich ausgelegt:

1. Geltungsbereich der in Schleswig-Holstein erteilten Lizenz,

2. die von einer Glücksspiel-Lizenz erfassten Online-Spielangebote,

3. die Verbindlichkeit des Gesetzes im Rahmen der Übergangsregelung.

Die folgenden Ausführungen dienen der Klarstellung.

1. § 35 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes lautet:

„Glücksspiele gelten als im Geltungsbereich dieses Gesetzes vertrieben, sofern sie über diesen Geltungsbereich hinaus durch einen Genehmigungsinhaber nach diesem Gesetz Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, bestimmungsgemäß zugänglich gemacht werden. Ein Vertrieb in diesem Sinne liegt auch vor, wenn ein genehmigungspflichtiges Glücksspiel ohne erforderliche Genehmigung bestimmungsgemäß zugänglich gemacht wird.“

Aus diesem Wortlaut wird zuweilen geschlossen, dass die in Schleswig-Holstein erteilte Lizenz den Vertrieb von Glücksspielangeboten auch in anderen Bundesländern gestattet. Dies trifft nicht zu. Die zitierte Vorschrift regelt einen Steuertatbestand und stellt klar, dass der in Schleswig-Holstein lizensierte Anbieter alle in Deutschland über seine Seite generierten Bruttospielerträge der Glücksspielabgabe unterwerfen muss, unabhängig davon, ob diese im Rahmen einer geltenden Erlaubnis oder illegal erworben werden. Dies ist nichts Neues, denn das Steuerrecht sieht grundsätzlich eine einheitliche Besteuerungspflicht für legale und illegale Glücksspielangebote vor (vgl. § 40 AO). Die Klausel verbietet nicht die Annahme von Spieleinsätzen aus anderen Ländern; sie gestattet sie allerdings auch nicht. Was außerhalb von Schleswig Holstein erlaubt ist, ist den in anderen Ländern geltenden Regelungen zu entnehmen.

Die relativ unklare und leicht missverständliche Formulierung im schleswig-holsteinischen Gesetz wird Glücksspielanbieter dazu veranlassen, den § 35 Abs. 2 Glücksspielgesetz entgegen den vorstehenden Ausführungen unter Berufung auf seinen Wortlaut als taugliche Rechtsgrundlage für ein über Schleswig-Holstein hinaus gehendes Glücksspielangebot im Internet anzusehen. Das ist durchaus nicht unrealistisch, weil die sich darin anschließenden Gerichtsverfahren sehr schnell eine Prüfung der in diesem Konflikt geltenden Erlaubnis- und Untersagungsgrundlagen vornehmen müssten. Darin steckt auf mittlere Sicht ein nicht zu unterschätzendes Angriffspotential gegenüber möglicherweise verfassungs- bzw. europarechtswidrigen Normen vor allem im restlichen Deutschland und kann letztlich zu einer weiteren Marktöffnung führen.

2. § 2 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes hat folgenden Wortlaut:

Dr. Jörg Hofmann, MELCHERS Rechtsanwälte, Heidelberg
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„Für Spielbanken gelten, soweit sie ortsgebunden sind (Präsenz-Spielbanken), nur die §§ 1 bis 5, 17 sowie 25 bis 27. Soweit in diesem Gesetz keine Regelung enthalten ist, bestimmen sich die Anforderungen an die Zulassung und den Betrieb von Präsenz-Spielbanken nach geltenden Landesrecht. Das Verfahren und die Anforderungen für die Erteilung der Genehmigung richten sich bei Casinospielen mit Bankhalter (Black Jack, Roulette, Baccara) nach dem Spielgesetz des Landes Schleswig-Holstein.“

Hieraus wurde in der öffentlichen Diskussion gefolgert, dass Roulette, Black Jack und Baccara aus einer Lizenz für das Veranstalten von Internet Casinospielen herausgenommen ist. Dies trifft im Wesentlichen zu. Die Vorschrift erschließt sich, wenn man dem Verweis auf das Spielbankgesetz Schleswig-Holstein folgt. Die Erlaubnis für die Veranstaltung von Roulette, Black Jack und Baccara ist vorrangig im Spielbankgesetz geregelt. Nach § 1 Abs. 2 des Spielbankgesetzes kann Erlaubnisinhaber nur eine Gesellschaft in privater Rechtsform sein, deren Anteile überwiegend im Landesbesitz sind. Das ist derzeit die Spielbank SH GmbH  mit Sitz in Kiel, welche die Präsenz-Spielbanken in Schleswig-Holstein betreibt. Folglich darf die Spielbank SH GmbH  die genannten Casinospiele mit Bankhalter im Internet anbieten. Andere Glücksspielanbieter dürfen es nicht. Allerdings muss für die Veranstaltung der Internetspiele voraussichtlich das Spielbankgesetz nach angepasst werden, da Internetglücksspiele in der aktuellen Fassung noch nicht erlaubt sind.

Die Casinolizenz für Onlineangebote Dritter, erfasst demzufolge insbesondere Online-Poker und Slot-Games. Die schleswig-holsteinische Landesregierung wird allerdings eine stichhaltige Begründung für diese Differenzierung zugunsten der terrestrischen Spielbankgesellschaft vorliegen müssen, da diese Regelungen ansonsten mit Europarecht nicht in Einklang zu bringen ist. Sie verstößt sonst eindeutig gegen die Niederlassungsfreiheit, da Unternehmen aus dem Ausland auf Basis dieser Regelung gezwungen wären, für das Internetangebot der drei genannten Glücksspiele ihren Sitz in Schleswig-Holstein zu nehmen und zudem dort eine – nicht verfügbare – Spielbanklizenz zu beantragen. Genau dies hat die europäische Kommission in ihrer „Detailed Opinion“ gegenüber dem in wesentlich weitergehenden Bereichen stark beanstandeten Änderungsentwurf zum Glücksspielstaatsvertrag der anderen Länder (E-15) beanstandet.

3. § 48 Satz 1 und 2 des Glücksspielgesetzes hat folgenden Wortlaut:

„Genehmigungen nach diesem Gesetz dürfen erst mit Wirkung ab dem 1. März 2012 erteilt werden. Die Glücksspielabgabe nach diesem Gesetz wird ab dem 1. März 2012 erhoben.“

Die in § 48 enthaltene Übergangsregelung und Ankündigungen der Landesregierung im Vorfeld, nach denen auf Basis des Glücksspielgesetzes erteilte Lizenzen erst ab März 2011 gültig sind und das Land Schleswig-Holstein sich bis dahin offen hält, mit den anderen Ländern noch eine Gesamtlösung anzustreben, bedeutet nicht, dass das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz unverbindliche Makulatur ist. Vielmehr zeigt es die parallel bestehende, politische Bereitschaft, bei Vorliegen eines akzeptablen – und damit einem sehr weitgehend dem schleswig-holsteinischen Modell angenäherten – Glücksspielstaatsvertragsentwurfs der anderen Länder letztlich doch eine Gesamtlösung mitzutragen. Das setzt aber voraus, dass der aktuelle E 15-Entwurf tatsächlich erheblich geändert wird, was zudem in zeitlicher Nähe bis zum Jahresende vollzogen sein sollte.

Ansonsten wird im Januar eine Verordnung in Kraft treten, welche die regulatorischen und technischen Anforderungen für die Bewerber um eine Glücksspiellizenz in Schleswig-Holstein regeln wird. Wenn erste Lizenzen erteilt sind, dürfte es für signifikante Änderungen eng werden. Schleswig-Holstein hat sich für ein der Anzahl nach unbeschränktes Lizenzmodell entschieden. Der Entwurf der anderen Bundesländer beschränkt dagegen die Zahl der Lizenzen und die Kategorien der Glücksspielangebote.

Schleswig-Holstein folgt damit den positiven Erfahrungen anderer europäischer Staaten, die darauf vertrauen, dass nur eine geöffnete Regelung des Marktes mit freiem aber reguliertem Wettbewerb und dem Privileg der Werbung nur für den Lizensierten eine wirksame Bekämpfung und Eindämmung des Schwarzmarktes erreicht und zugleich die Ideale des Spielerschutzes und der Generierung staatlicher Einnahmen optimal miteinander verbindet. Praktische Erfahrungen aus Italien, Frankreich und Großbritannien belegen dies. Weiter entwickelte konzeptionelle Regulierungsansätze aus Dänemark und Spanien sprechen ebenfalls für dieses Modell. Der aktuelle Entwurf der Länder sieht sich demgegenüber erheblichen europarechtlichen Bedenken ausgesetzt und liegt in seiner derzeitigen Gestaltung weiter hinter dem mittlerweile erreichten Standard führender Regulierungssysteme in Europa zurück. Es wird daher spannend, die Entwicklung der nächsten Wochen zu verfolgen.