Ein Artikel von Carsten Bringmann, Noerr Partnergesellschaft mbB
Im Rahmen der Innenministerkonferenz vom 19. bis 21. Juni 2024 haben die Innenminister der Länder den Zwischenbericht zur Evaluierung des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland („GlüStV 2021“) (nachfolgend „Zwischenbericht“) zur Kenntnis genommen und damit zur Veröffentlichung freigegeben. Der Zwischenbericht stellt eine vorläufige erste Bewertung der Neuregulierung des GlüStV 2021 aus Sicht der Glücksspielaufsichtsbehörden dar. Mit entsprechender Spannung wurde der Bericht in der Branche erwartet.
Die Neuregulierung unter dem GlüStV 2021 hat sich vornehmlich zum Ziel gesetzt, durch die weitere Öffnung des Online-Glücksspielmarktes illegale Glücksspielangebote im Internet zu unterbinden und den (Online-)Schwarzmarkt zu bekämpfen.1 Der sich neben der strikten Regulierung eines Glücksspielangebots im Internet gebildete Schwarzmarkt stand und steht im Widerspruch zu dem Ziel einer Kanalisierung, bei der spielwillige Personen in den regulierten Markt gelenkt werden sollen. Um die Kanalisierung sicherzustellen, bedarf es eines hinreichend attraktiven regulierten Glücksspielangebotes als legale Alternative zu illegalen Angeboten.2 Dieser von den Ländern vorgesehene Wirkmechanismus zur Bekämpfung von Schwarzmärkten durch ein reguliertes Online-Spiel ist nur ein Beispiel dafür, wie ein neuerlicher Regulierungsansatz im GlüStV 2021 der Erreichung der staatsvertraglichen Zielvorgaben in § 1 GlüStV 2021 Vorschub leisten soll. Ob diese Zielvorgaben erreicht werden, ist vor allem in der Retrospektive zu beurteilen. An dieser Stelle setzt die in § 32 GlüStV 2021 vorgesehene Evaluierung des GlüStV 2021 an, die nahtlos an die Evaluierungen der Vorgängerregelungen aus den Jahren 2008 und 2012 anknüpft.3
Der vorliegende Beitrag soll die bei der Evaluierung des GlüStV 2021 von den Glücksspielaufsichtsbehörden gewonnenen wesentlichen Erkenntnisse beleuchten. Hierzu werden zunächst der wesentliche Gegenstand und Inhalt des Zwischenberichts dargestellt (dazu Ziffer I). Anschließend wird der von den Glücksspielaufsichtsbehörden identifizierte dringende Handlungsbedarf wiedergegeben (dazu Ziffer II), bevor abschließend ein Ausblick gewagt wird (dazu Ziffer III).
I. Wesentlicher Gegenstand und Inhalt des Zwischenberichts
Gemäß § 32 Satz 1 GlüStV 2021 sind die Auswirkungen des Staatsvertrages, insbesondere der §§ 4 Abs. 4 und 5, 4a bis 4d, 6a bis 6j, 9, 9a, 21, 22a, 22b und 22c auf die Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten von den Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder unter Mitwirkung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder („GGL“) und des Fachbeirats zu evaluieren. Die Länder haben insoweit beabsichtigt, dass die Glücksspielaufsichtsbehörden im Rahmen der Evaluierung ein umfassendes Bild zum GlüStV 2021 zeichnen. Das Ergebnis dieser Evaluierung ist nunmehr von den Ländern als Zwischenbericht nach Maßgabe von § 32 Satz 2 GlüStV 2021 mit etwas zeitlichen Verzug4 veröffentlicht worden. Der 76 Seiten lange Zwischenbericht begründet den Auftakt zu einer fortwährenden Evaluierung des GlüStV 2021, der gemäß § 32 Satz 2 GlüStV 2021 erstmals zum 31. Dezember 2026 und nachfolgend im Fünf-Jahres-Takt per zusammenfassendem Bericht zu evaluieren ist.
Die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder haben den Zwischenbericht in vier Abschnitte unterteilt, an denen sich auch die folgende Darstellung orientieren soll: Zunächst haben die Glücksspielaufsichtsbehörden ausgewählte allgemeine, d.h. von der Glücksspielform unabhängige Vorschriften des GlüStV 2021 evaluiert (dazu Ziffer 1). Im Anschluss daran wurden besondere Vorschriften zu den einzelnen Glücksspielformen in den Blick genommen (dazu Ziffer 2). Der Zwischenbericht enthält darüber hinaus eine Evaluierung der unter dem GlüStV 2021 neu errichteten GGL (dazu Ziffer 3). Schließlich endet der Zwischenbericht mit dem identifizierten dringenden Handlungsbedarf zum GlüStV 2021 (dazu Ziffer 4). Hierzu im Einzelnen:
1. Evaluierung ausgewählter allgemeiner Vorschriften
Vor dem Hintergrund, dass die dem GlüStV 2021 immanente Liberalisierung des Glücksspielmarktes primär dem Kanalisierungszweck (§ 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021) zu dienen bestimmt ist, haben die Glücksspielaufsichtsbehörden zunächst die Erreichung der staatsvertraglichen Ziele gemäß § 1 GlüStV 2021 – konkret der Zielvorgaben gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GlüStV 2021 (Gesundheitsschutz, Kanalisierung, Spieler- und Jugendschutz) – in den Blick genommen.5 Im Rahmen einer vorläufigen Bewertung und unter dem Zugeständnis, dass eine umfassende Marktanalyse noch nicht vorliegt, gelangen die Glücksspielaufsichtsbehörden zu dem Ergebnis, dass das Ziel der Transformation des (ehemals) bestehenden umfassenden Schwarzmarktes mit der Liberalisierung von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker „in einem ersten Zwischenschritt“ erreicht worden sei.6 Der noch bestehende Schwarzmarkt sei nunmehr insbesondere auf illegale Zweitlotterien zurückzuführen.7
In Bezug auf den Spielerschutz räumen die Glücksspielaufsichtsbehörden ein, dass sich die konkreten Wirkungen spezieller Vorschriften und Schutzinstrumentarien des GlüStV 2021 nur mit wissenschaftlicher Unterstützung evaluieren lassen.8 Entsprechende Erkenntnisse aus mittlerweile durch die GGL ausgeschriebenen Studien sollen in den am 31. Dezember 2026 vorzulegenden Evaluierungsbericht einfließen.
Des Weiteren haben die Glücksspielaufsichtsbehörden folgende allgemeine und von der Glücksspielform unabhängige Regelungen vorläufig evaluiert:
- Besondere Erlaubnisvoraussetzungen für Sportwetten, Online-Poker und virtuelle Automatenspiele (§§ 4a bis 4d GlüStV 2021);
- Glücksspielwerbung (§ 5 GlüStV 2021);
- Regulierung von Online-Angeboten (§§ 6a bis 6j GlüStV 2021);
- Sozialkonzept und Aufklärung (§§ 6, 7 GlüStV 2021);
- Spielersperrsystem (§§ 8 bis 8d GlüStV 2021);
- Glücksspielaufsicht (§ 9 GlüStV 2021).
Anbieterseitig dürften insbesondere die Erkenntnisse zur Werberegulierung von Interesse sein. Die Glücksspielaufsichtsbehörden räumen insoweit Schwierigkeiten im Umgang mit einzelnen Konstellationen, etwa dem Vollzug in Bezug auf die Embargozeit nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2021 ein, wonach Werbung für virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele im Rundfunk und Internet zwischen 6:00 Uhr und 21:00 Uhr verboten ist.9 Zudem kündigen die Glücksspielaufsichtsbehörden an, sich im weiteren Verlauf der Evaluierung auch eingehender mit dem Einsatz neuer Medien im Bereich der Werbung für öffentliches Glücksspiel zu befassen und erforderlichenfalls Regelungen insbesondere zum Umgang mit Werbung in sozialen Medien zu prüfen.10 Insgesamt entsteht nach dem Zwischenbericht der Eindruck, dass die Glücksspielaufsicht an den vorhandenen Werbebeschränkungen – die flankierend zu § 5 GlüStV 2021 auf Grundlage behördlicher Musternebenbestimmungen in den Veranstaltererlaubnissen der Anbieter enthalten sind – festhalten und künftig mit weiteren Regelungen ggf. nachschärfen möchten. Schließlich fordern die Glücksspielaufsichtsbehörden im Zwischenbericht, dass sich der GlüStV 2021 künftig eindeutig und ausdrücklich dazu verhalten solle, dass und in welchem Umfang Sponsoring von den Werbevorgaben nach § 5 GlüStV 2021 erfasst ist.11 Dieser Frage dürfte hohe praktische Relevanz zukommen, da Sponsoring mittlerweile eine zentrale Finanzierungsquelle des deutschen Sports darstellt.12 Die Länder scheinen sich indes bei der Frage nach der glücksspielrechtlichen Regulierung von Sponsoring nicht einig zu sein: Aus einer Protokollnotiz zum Beschluss der Innenministerkonferenz geht hervor, dass das Land Hessen der im Zwischenbericht formulierten Forderung nicht zustimmt. Aus hessischer Sicht differenziere der GlüStV 2021 bereits klar zwischen Werbung und Sponsoring, wobei Sponsoring im Vergleich zur Werbung privilegiert sei, da es lediglich für unerlaubte Glücksspiele verboten, im Übrigen aber keinen weiteren Beschränkungen unterworfen sei.
2. Evaluierung der einzelnen Glücksspielformen
Der Evaluierung ausgewählter allgemeiner Vorschriften folgend haben die Glücksspielaufsichtsbehörden auch spezifische Vorschriften zu den einzelnen Glücksspielformen einer näheren Betrachtung unterzogen.13 Im Fokus stehen dabei insbesondere solche Vorschriften, die mit dem GlüStV 2021 neu eingeführt wurden oder jedenfalls eine (wesentliche) Änderung mit regulatorischen Implikationen erfahren haben. Aus diesem Grund wird den Lotterien im Veranstaltungsmonopol der Länder (§ 10 Abs. 1 bis 3 GlüStV 2021) ebenso wie den Lotterien nach dem Dritten Abschnitt des GlüStV 2021 (§§ 12 bis 17 GlüStV 2021) im Wesentlichen eine Bewährtheit der beschriebenen Wirkmechanismen attestiert. Vergleichbares gilt im Bereich der gewerblichen Spielvermittlung (§ 19 GlüStV 2021), die durch den GlüStV 2021 lediglich in den Bereichen Behördenzuständigkeit und Gebührenerhebung Anpassungen erfuhr sowie den Vorschriften zu Spielhallen (§§ 24 bis 26 GlüStV 2021) und Pferdewetten im Internet (§ 27 GlüStV 2021), die konzeptionell und inhaltlich überwiegend dem GlüStV 2012 entlehnt waren und dementsprechend wenig Raum für eine weitergehende Evaluierung boten.
Erwartungsgemäß standen daher die Vorschriften für die Glücksspielformen Sportwetten (§§ 21, 21a GlüStV 2021), virtuelle Automatenspiele (§ 22a GlüStV 2021) und Online-Poker (§ 22b GlüStV 2021) im Fokus der Evaluierung. Die Glücksspielaufsichtsbehörden bewerten diese Glücksspielformen vorläufig wie folgt:
Das Wettprogramm der Sportwettanbieter stand und steht nach wie vor unter Erlaubnisvorbehalt (§ 21 Abs. 5 Satz 1 GlüStV 2021). Diese Absicherung der behördlichen Prüfungskompetenz hat sich aus Sicht der Glücksspielaufsicht ebenso bewährt, wie die Verfahrensregelungen zur Erlaubnis einzelner Wettarten (§ 21 Abs. 5 Satz 3 bis 6 GlüStV 2021), die Regulierung der Wettvermittlungsstellen (§ 21a GlüStV 2021) und die Bündelung der Zuständigkeit für Sportwetten bei der GGL.14 Hinsichtlich der Liberalisierung des zulässigen Wettprogramms in Gestalt von Ereigniswetten und erweiterten Möglichkeiten der Live-Wette (§ 21 Abs. 4 GlüStV 2021) fehle es zur Einschätzung der Auswirkungen auf die Ziele in § 1 GlüStV 2021 (noch) an einer hinreichenden Beurteilungsgrundlage. Die Glücksspielaufsicht räumt indessen ein, bei der Prüfung der staatsvertragskonformen Ausrichtung außereuropäischer Sportveranstaltungen an ihre Erkenntnisgrenzen zu stoßen. Abhilfe könnte eine Mitwirkungsverpflichtung der Anbieter schaffen, die derartige Veranstaltungen in ihr Wettprogramm aufnehmen wollen.15
In Ermangelung empirischer Befunde zu den Auswirkungen virtueller Automatenspiele insbesondere auf den Spielerschutz im Internet (§ 1 Satz 1 Nr. 3 GlüStV 2021) haben die Glücksspielaufsichtsbehörden vorwiegend das Verfahren der Erlaubniserteilung nach § 22a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 evaluiert und insoweit Nachbesserungsbedarf festgestellt.16 So soll das Erlaubnisverfahren für einzelne virtuelle Automatenspielen künftig ggf. auf die Entwicklerstudios ausgelagert werden, um so zugunsten der Anbieter virtueller Automatenspiele und der insoweit arbeitsausgelasteten GGL eine Beschleunigung zu erreichen.17
Im Erlaubnisverfahren für Online-Poker haben die Glücksspielaufsichtsbehörden hingegen keinen Handlungsbedarf identifiziert. Für diese Glücksspielform verweisen die Glücksspielaufsichtsbehörden im Wesentlichen pauschal darauf, dass Stu- dienergebnisse im Bereich Spielerschutz im Internet abzuwarten seien.18
Im Hinblick auf die ebenfalls neu unter dem GlüStV 2021 erlaubten Online-Casinospiele (§ 22c GlüStV 2021) konnten die Glücksspielaufsichtsbehörden noch keine Bewertung abgeben, da eine Vielzahl der Länder – auch knapp drei Jahre nach Inkrafttreten des GlüStV 2021 – noch keine entsprechende Landesregulierung für entsprechende Angebote geschaffen haben. Bislang werden Online-Casinospiele nur in Bayern durch die Staatliche Lotterie- und Spielbankverwaltung, die ihr Angebot im Frühjahr 2024 aufgenommen hat, angeboten.
3. Evaluierung der GGL
Im dritten Abschnitt des Zwischenberichts widmeten sich die Glücksspielaufsichtsbehörden der neu unter dem GlüStV 2021 eingerichteten GGL, die als zentrale Glücksspielaufsichtsbehörde aller Länder die materiellregulatorischen Neuerungen des GlüStV 2021 überwachen soll.19
Sinn und Zweck dieser Verwaltungskooperation der Länder ist der effektive Vollzug der Glücksspielregulierung auch über die Ländergrenzen hinweg.20 Es handelt sich mithin um eine seltene Form staatlicher Verwaltungsorganisation, die nicht nur als neuer Akteur auf dem Gebiet des Glücksspielrechts agiert, sondern darüber hinaus auch ein bislang in dieser Breite nicht dagewesenes Regulierungsregime anwenden soll. Der Evaluationsbedarf der §§ 27a bis 27p GlüStV 2021 und ihrer praktischen Umsetzung in Aufbau und Arbeitsweise der GGL erklärt sich danach von selbst.21
Im Ergebnis bezeichnen die Glücksspielaufsichtsbehörden den Aufbau der GGL als „erfolgreich“, räumen zugleich jedoch auch ein, dass eine zügige Besetzung der noch offenen Personalstellen als notwendig für eine effiziente umfassende Aufgabenwahrnehmung angesehen werde.22 Von den geplanten 104 Vollzeitäquivalenten seien derzeit nur ca. 80 Stellen besetzt.23
4. Identifizierter dringender Handlungsbedarf
Die Glücksspielaufsichtsbehörden haben sich dazu entschieden, im vierten und letzten Teil ihres Zwischenberichts den im Rahmen der (vorläufigen) Evaluierung identifizierten dringenden Handlungsbedarf zusammenzufassen.24 Die Aufsichtsbehörden haben an dieser Stelle die Schwachstellen der Regulierung unter dem GlüStV 2021, die im Rahmen der Einzelevaluierung der Vorschriften mit besonderer Dringlichkeit festgestellt wurden. Im Rahmen der Innenministerkonferenz am 20. Juni 2024 wurde der ständige Arbeitskreis I der Innenministerkonferenz25 beauftragt, den identifizierten dringenden Handlungsbedarf einer detaillierten, weitergehenden Prüfung zu unterziehen und – sofern erforderlich – einen Änderungsstaatsvertrag zu erarbeiten. Die Zusammenfassung des dringenden Handlungsbedarfs stellt damit das Kernstück des Evaluierungsberichts dar und soll im Folgenden näher untersucht werden.
II. Dringender Handlungsbedarf aus Sicht der Glücksspielaufsichtsbehörden
Auf Grundlage der bislang vorhandenen Erkenntnisse haben die Glücksspielaufsichtsbehörden „Änderungsbedarfe mit hoher Priorität“ identifiziert, für die dringender (regulatorischer) Handlungsbedarf bestehe. Thematisch erfassen die Änderungsbedarfe Erweiterungen bei den bestehenden Kompetenzen der Glücksspielaufsicht (dazu Ziffer 1) und Nachschärfungen beim IP-Blocking (dazu Ziffer 2). Daneben soll auch bei dem Erlaubnisverfahren im Bereich der virtueller Automatenspielen nachgebessert werden (dazu Ziffer 3). Im Einzelnen:
1. Aufsichtsrechtliche Kompetenzerweiterungen
Die Glücksspielaufsichtsbehörden bemängeln im Wesentlichen, dass die GGL als zuständige Erlaubnisbehörde für Sportwetten, Online-Poker und virtuelle Automatenspiele auf Grundlage des § 4b Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021 derzeit nur befugt ist, Erkenntnisse über antragstellende Glücksspielanbieter bei inländischen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder abzufragen.26 Erkenntnisse aus dem EU-Ausland, in dem die überwiegende Anzahl der Veranstalter des erlaubnisfähigen (Online-)Glücksspiels ihren Sitz haben, seien nach Angabe der Glücksspielaufsichtsbehörden in aller Regel nur aus der Presse oder dem Internet zu gewinnen.27 Die Glücksspielaufsichtsbehörden sprechen sich daher für eine erweiterte Ermächtigung zur Abfrage von anbieterbezogenen Erkenntnissen bei ausländischen Sicherheitsbehörden aus.28
Darüber hinaus empfehlen die Glücksspielaufsichtsbehörden, eine dem § 4b Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021 nachgebildete Ermächtigung zur behördlichen Abfrage bei – perspektivisch in- und ausländischen – Sicherheitsbehörden für alle Glücksspielaufsichtsbehörden einzuführen. Hierzu sollen die allgemeinen Aufsichtsbefugnisse in § 9 GlüStV 2021 erweitert werden.29 Hierdurch würde den für das terrestrische Glücksspiel zuständigen Behörden ermöglicht werden, v.a. strafrechtlich relevante Erkenntnisse über Anbieter bzw. Antragsteller, die eine Glücksspielerlaubnis begehren, zu erhalten. Im Zuge dieser Erweiterung soll den Glücksspielaufsichtsbehörden zugleich auch die Befugnis eingeräumt werden, Erkenntnisse bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit – „FIU“) einzuholen, um auch geldwäscherechtlich relevante Erkenntnisse über Anbieter bzw. Antragsteller einer Glücksspielerlaubnis einholen zu können.30
2. Nachschärfungen beim IP-Blocking
Der Gesetzgeber hat mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 die Ermächtigungsgrundlage zum sog. IP-Blocking wieder eingeführt. Die Vorschrift erlaubt es den Aufsichtsbehörden, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen verantwortliche Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes („TMG“), insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, zu ergreifen. Gegenstand solcher Maßnahmen ist regelmäßig die Sperrung von Online-Diensten der Diensteanbieter.31 Voraus- setzung hierfür ist nur, dass Maßnahmen gegenüber dem Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspiels nicht möglich oder nicht erfolgsversprechend sind.
Nach Inkrafttreten dieser Regelung ergangene Gerichtsentscheidungen haben § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 in der derzeitigen Ausgestaltung als unzureichende, da unklare und unbestimmte Rechtsgrundlage eingestuft.32 Hintergrund dieser gerichtlichen Einordnung ist, dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 ausdrücklich auf verantwortliche Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG abstellt. Nach der Rechtsprechung hat dies zur Folge, dass das Verantwortlichkeitsregime der §§ 8 bis 10 TMG auch für die glücksspielrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter heranzuziehen ist.33 Die §§ 8 bis 10 TMG sehen indessen gerade Ausnahmen von der Verantwortlichkeit für Diensteanbieter vor, sofern sie lediglich fremde Informationen verarbeiten und keine eigenen.34 Bei der Verbreitung unerlaubter Glücksspiele wird praktisch jedoch immer die Verbreitung unerlaubter Glücksspiele im Fokus stehen. Um diese rechtlichen Defizite zu beheben, raten die Glücksspielaufsichtsbehörden in ihrem Zwischenbericht zu einer rechtskonformen Anpassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021.35 In diesem Zusammenhang stellen die Glücksspielaufsichtsbehörden auch ein künftiges Vorgehen gegen Werbung für illegale Angebote über Netzsperren in Aussicht.36
3. Nachbesserung bei der Einzelzulassung von virtuellen Automatenspielen
Im Bereich virtueller Automatenspiele besteht derzeit angesichts der Regelung in § 22a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 ein doppelter Erlaubnisvorbehalt: Neben der (generellen) Veranstaltung von virtuellen Automatenspielen bedarf auch jedes einzelne Automatenspiel einer Erlaubnis der GGL. Die Glücksspielaufsichtsbehörden haben erkannt, dass sich dieses zweistufige Vorgehen als besonders aufwändig und personalintensiv gestaltet.37
In der Praxis werden die – nach § 22a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 gesondert zu erlaubenden – Spiele von auf die Spieleentwicklung spezialisierten Spieleherstellern bzw. Entwicklerstudios produziert und den Anbietern über Lizenzvereinbarungen zur Verfügung gestellt. Das Erlaubnisverfahren wird jedoch nur anbieterseitig geführt; die Entwicklerstudios sind weder antragsberechtigt gemäß § 22a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 noch Teil des Erlaubnisverfahrens. Hierdurch entstehen in der Praxis häufig Verzögerungen bei der Erlaubniserteilung, zumal die Anbieter teilweise voneinander abweichende Versionen ein und desselben virtuellen Automatenspiels beantragen.
Um die Erlaubnisverfahren zu beschleunigen und die GGL zu entlasten, schlagen die Glücksspielaufsichtsbehörden in ihrem Zwischenbericht vor, das Erlaubnisverfahren für einzelne Spiele aus dem Erlaubnisverfahren der Anbieter herauszulösen. Stattdessen sprechen sich die Aufsichtsbehörden für ein isoliertes Produktgenehmigungsverfahren aus, das ggf. auch mit einer eigenen Antragsbefugnis der Entwicklerstudios und entsprechenden Pflichten für diese einhergeht.38 Die GGL könnte auf diese Weise direkt an die Entwicklerstudios herantreten und mit ihnen die rechtskonforme Umsetzung der virtuellen Automatenspiele erarbeiten oder jedenfalls die üblichen Mängel aufzeigen, um zukünftige Rechtsverstöße zu vermeiden.
III. Ausblick
§ 32 Satz 1 GlüStV 2021 verpflichtet die Glücksspielaufsichtsbehörden zu einer laufenden Evaluierung der Auswirkungen der Regelungen des GlüStV 2021. Der Zwischenbericht ist nach knapp drei Jahren Geltungsdauer des GlüStV 2021 die erste Bestandsaufnahme neuer oder geänderter Regulierungsmechanismen. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Länder mit den gefundenen Ergebnissen umgehen werden. Zumindest in Bezug auf den identifizierten dringenden Handlungsbedarf streben die Länder offenbar eine rasche Umsetzung an: Nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz wurde deren Arbeitskreis I damit beauftragt, den im Zwischenbericht aufgezeigten und als dringend angesehenen Änderungsbedarf eingehend weiter zu prüfen und, soweit die Prüfung die Notwendigkeit einer Änderung des GlüStV 2021 ergibt, einen Änderungsstaatsvertrag zu erarbeiten.
Ungeachtet eines solchen Änderungsstaatsvertrags ist der nächste große Meilenstein die für den 31. Dezember 2026 vorgesehene Veröffentlichung des zusammenfassenden Evaluierungsberichts. Bis zu diesem Datum dürften erweiterte Erkenntnisse vorliegen, die die Glücksspielaufsichtsbehörden in ihre Evaluierung einbeziehen müssen. So dürften insbesondere auch weitere Bundesländer ihre Glücksspielmärkte für Online-Casinospiele entsprechend der Umsetzungsvorgabe in § 22c GlüStV 2021 geöffnet haben, sodass auch Online-Casinospiele künftig einer Evaluierung unterzogen werden können. Erkenntnisse hieraus dürften für den gesamten Online-Bereich relevant sein.
Ferner dürften bis Ende 2026 auch (rechtskräftige) Hauptsacheentscheidungen in zahlreichen von Seiten der Anbieter gegen die Glücksspielaufsichtsbehörden geführten Gerichtsverfahren vorliegen. Vor allem im Bereich werberechtlicher Nebenbestimmungen in den von der GGL erteilten Veranstaltererlaubnissen zu diversen Glücksspielformen werden mit Spannung erwartet.
Schließlich ist zu erwarten, dass bis zur Veröffentlichung des ersten zusammenfassenden Evaluierungsberichts auch erste evidenzbasierte Erkenntnisse auf Grundlage breit angelegter Studien vorliegen. Aufgrund von wissenschaftlichen Studien lässt sich die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Regulierungsmechanismen des GlüStV 2021 empirisch messen. Aus diesem Grund hat die GGL eine Studie zur Wirksamkeit des neuen Internetschutz-Instrumentariums (v.a. §§ 6a ff. GlüStV 2021) in Auftrag gegeben. Sie beauftragte zudem zuletzt eine Studie zur Glücksspielwerbung im Fernsehen und Internet, welche das Spannungsfeld zwischen Kanalisierung und Suchtprävention beleuchten soll. Angesichts der im Zwischenbericht identifizierten Schwierigkeiten im Umgang mit dem Werbebegriff und dem Thema Sponsoring, bei dem das Land Hessen eine liberalere Auffassung als die anderen Länder vertritt, dürften dieser Studie und der daraus abgeleiteten Maßnahmen weitreichende Bedeutung für die Branche zukommen. Weitere Studien dürften angesichts der Regulierungsbreite und -tiefe des GlüStV 2021 folgen. Vorhandene Studienerkenntnisse dürften auch den bis dahin gegebenenfalls schon erarbeiteten Änderungsstaatsvertrag beeinflussen.
Der Zwischenbericht konnte mit dieser Fülle an Erkenntnisquellen (erwartbar) noch nicht aufwarten. Das unterstreicht seinen Charakter als ersten Aufschlag der Evaluierung. Die tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen des Zwischenberichts dürften insoweit – zumindest für den Moment und vorbehaltlich der Vorlage eines Änderungsstaatsvertrags – überschaubar bleiben.
Endnoten
1 Hessischer Landtag, Drs. 20/3989, 1; vgl. dazu auch Pagenkopf, Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 – Das Tor ist weit geöffnet, NJW 2021, 2152 f.
2 Hessischer Landtag, Drs. 20/3989, S. 5.
3 Vgl. § 27 GlüStV 2008 und § 32 GlüStV 2012.
4 Nach § 32 Satz 2 GlüStV 2021 sollte der Zwischenbericht bis zum 31. Dezember 2023 vorgelegt werden.
5 Zwischenbericht, S. 8 ff.
6 Zwischenbericht, S. 17 f.
7 Zwischenbericht, S. 17 f.
8 Zwischenbericht, S. 17 f.
9 Zwischenbericht, S. 28 f.
10 Zwischenbericht, S. 30.
11 Zwischenbericht, S. 28.
12 Die hohe Bedeutung des Sponsoring für den deutschen Sport wurde zuletzt auch intensiv im Sportausschuss des Deutschen Bundestags diskutiert (vgl. insbesondere Deutscher Bundestag, Ausschussdrucksache 20(5)277 (neu), Stellungnahme „Sponsoring im Sport“).
13 Zwischenbericht, S. 54 ff.
14 Zwischenbericht, S. 57 ff.
15 Zwischenbericht, S.57 ff.
16 Zwischenbericht, S. 66.
17 Siehe hierzu auch sogleich unter III. 3.
18 Zwischenbericht, S. 68.
19 Vgl. Reeckmann, Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021), ZfWG 2020, 345, 349.
20 Ogorek, in: Dünchheim (Hrsg.), Glücksspielrecht, 1. Aufl. 2022, § 27a GlüStV 2021 Rn. 3; Schwanke/Benter, Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL), ZfWG 2022, 253, 254 f.
21 Zwischenbericht, S. 73 ff.
22 Zwischenbericht, S. 75.
23 Zwischenbericht, S. 74.
24 Zwischenbericht, S. 76.
25 Arbeitskreis I – Staatsrecht, Verwaltung und Zuwanderung (unter anderem Verfassungsrecht, Ausländerrecht, Datenschutz, Verwaltungsrecht).
26 Zwischenbericht, S. 22.
27 Zwischenbericht, S. 22.
28 Zwischenbericht, S. 22 f.
29 Zwischenbericht, S. 50.
30 Zwischenbericht, S. 51
31 Vgl. VG Hannover, Urt. v. 15. August 2016, 10 A 2173/16, Tz. 36 nach juris.
32 Vgl. beispielhaft VGH München, Beschl. v. 23. März 2023, 23 CS 23.195, Tz. 20 nach juris.
33 OVG Koblenz, Beschl. v. 31. Januar 2023, 6 B 11175/22.OVG, Tz. 7 nach juris; VGH München, Beschl. v. 23. März 2023, 23 CS 23.195, Tz. 10 nach juris.
34 Vgl. dazu Dünchheim, in: ders. (Hrsg.), Glücksspielrecht, 1. Aufl. 2022, § 9 GlüStV 2021 Rn. 30.
35 Zwischenbericht, S. 50.
36 Zwischenbericht, S. 50.
37 Zwischenbericht, S. 66.
38 Zwischenbericht, S. 66.
Quelle: Gluecksspielwesen.de