Werbung für (Online-)Glücksspiele in Deutschland – Aktuelle Entwicklungen

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Ein Artikel von Rechtsanwalt Yannick Skulski, Salary Partner bei Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Rechtsanwalt Yannick Skulski (Foto: Hambach & Hambach Rechtsanwälte)
Rechtsanwalt Yannick Skulski (Foto: Hambach & Hambach Rechtsanwälte)
Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 stellt einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Regulierung der Werbung für Glücksspiele dar und hat das grundsätzliche Werbeverbot und den gesonderten Erlaubnisvorbehalt des Vorgängerstaatsvertrags abgeschafft. Stattdessen ist die Werbung für genehmigte Glücksspielangebote erlaubt. Die Erreichung der Ziele des Staatsvertrags -insbesondere der Spieler- und Jugendschutz, aber auch die Kanalisierung des Spieltriebs in geordnete Bahnen – sollen dabei durch die gesetzliche Regelung des § 5 GlüStV 2021 und den Werbe-Nebenbestimmungen der Erlaubnis sichergestellt werden. Bei Übertretungen der Erlaubnisinhaber kann die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) aufsichtsrechtliche Maßnahmen und Bußgelder gegen die Erlaubnisinhaber verhängen.Vor diesem Hintergrund soll der folgende Beitrag einen Einblick in die neusten Entwicklungen geben.

Bußgeld gegen Erlaubnisinhaber wegen Affiliate-Marketings

Unter Affiliate-Marketing wird eine Art des Online-Marketings verstanden, bei der Unternehmen ihre Dienstleistungen (oder Produkte) über Partner, die sogenannten "Affiliates", bewerben. Dabei wird eine Provision an den Partner gezahlt, wenn dieser einen Kauf oder eine andere gewünschte Handlung durch den Kunden vermittelt. Dies funktioniert in der Regel folgendermaßen: Der Partner bewirbt das Produkt oder die Dienstleistung des Unternehmens auf seiner eigenen Website, seinem Social-Media-Kanal oder in anderen Online-Kanälen. Dabei platziert er einen speziellen Link oder ein Werbebanner auf seiner Seite, der den Nutzer zum Angebot des Unternehmens weiterleitet. Wenn der Nutzer über diesen Link auf die Seite des Unternehmens gelangt und eine gewünschte Handlung ausführt (in der Regel die Registrierung bei dem Glücksspielanbieter), erhält der Partner eine vorher vereinbarte Vergütung.

Genau hier setzt § 5 Abs. 6 S. 1 GlüStV an:

„Für Werbung für Glücksspiele, an denen gesperrte Spieler nach § 8 Absatz 2 nicht teilnehmen dürfen, im Internet, insbesondere in Form von Affiliate-Links, darf keine variable, insbesondere umsatz-, einzahlungs- oder einsatzabhängige, Vergütung vereinbart oder gezahlt werden.“

Die tatsächliche Ausgestaltung des Affiliate-Marketings wird in den Nebenbestimmungen zu den Veranstalter-Erlaubnissen näher geregelt. Dort heißt es:

„Die mit der Werbung beauftragten Dritten sind - insbesondere auch für den Fall der Online-Werbung auf Drittseiten - auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Bestimmungen dieses Bescheids zu verpflichten. Die Verpflichtungen sind - vor allem beim Affiliate-Marketing - an die für die einzelne Werbung Verantwortlichen weiterzureichen.“

„Sämtliche Werbeinhalte (Text, Bild, Ton, Bewegtbilder) der Erlaubnisinhaberin auf Internetseiten von Afflliate-Partnern müssen deutlich als solche gekennzeichnet sein. Dies gilt nicht für eigenverantwortlich erstellte redaktionelle Inhalte des Affiliate, wie Erfahrungsberichte auf Vergleichsportalen. Beim Aufrufen der Internetseite hat ein Hinweis auf die Vergütung des Affiliate im Falle der Registrierung bei den dargestellten Glücksspielanbietern in deutlicher, gut wahrnehmbarer

Form und Größe zu erscheinen. Die Dauer der Einblendung des Hinweises muss so bemessen sein, dass ein durchschnittlicher Nutzer in der Lage ist, diese Information vollständig aufzunehmen.“

und

„Affiliate-Marketing ist nur unter der Maßgabe statthaft, dass auf der Internetseite des Affiliate ausschließlich Glücksspielangebote von Veranstaltern verlinkt werden, die im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 sind.“

Auf eine Verletzung der zuletzt genannten Nebenbestimmung beruft sich die GGL als sie erstmalig ein Bußgeld gegen einen Erlaubnisinhaber verhängt hat.

Die Thematik wirft ein interessantes Schlaglicht auf die Frage, wo die Erlaubnisinhaber am besten auf ihre Angebote aufmerksam machen können. Nach Auffassung der GGL sei es die Intention des Glücksspielstaatsvertrags „durch eine strikte Trennung der legalen von den illegalen Angeboten den Spielerschutz zu gewährleisten.“. Auf der anderen Seite dürften die Anbieter der Auffassung sein, dass die bereits an Glücksspielen interessierten Spieler sich auf eben diesen Affiliate-Seiten und Vergleichsportalen informieren und diese Webseiten daher besonders gut dazu geeignet sind, auf die Angebote erlaubter Anbieter aufmerksam zu machen.

Gerichtsverfahren gegen die Werbe-Nebenbestimmungen

2022 wurden die ersten Lizenzen für virtuelle Spielautomaten und Online-Poker erteilt. Darüber hinaus wurden "auf den letzten Drücker" neue Lizenzen für Sportwetten erteilt. Auch wenn die beiden Bereiche von Natur aus unterschiedlich sind, haben sie nun einen fast identischen umfangreichen Katalog von rund 30 verschiedenen Bestimmungen/Beschränkungen für die Werbung.

Es ist kein Geheimnis, dass die derzeitigen Werbebeschränkungen, wie sie in den Erlaubnissen für virtuelle Spielautomaten, Online-Poker und Sportwetten enthalten sind, kein Produkt der nun zuständigen GGL sind, sondern noch auf das Glücksspielkollegium zurückgehen.

Es ist noch ungewiss, wie sich die neue Aufsichtsbehörde langfristig positionieren wird und ob sie die Gelegenheit nutzen wird, die derzeitigen Werbebeschränkungen gegebenenfalls zu korrigieren. Offensichtlich war es der Wunsch des Glücksspielkollegiums, dass die GGL die aktuellen Nebenbestimmungen zur Werbung als wichtige Vorgestaltung bei der Auslegung des § 5 GlüStV für eine Entscheidungsrichtlinie zur Werbung versteht.

Insbesondere im Hinblick auf die derzeitigen Totalverbote bestimmter Werbeformen sind jedoch erhebliche Änderungen im Katalog der Werbebeschränkungen zu erwarten. Derzeit scheint es eine Aufgabe für die Gerichte zu sein, Regelungen wie das Totalverbot von Out-of-Home-Werbung, Werbung für Free-to-Play-Angebote, Influencer-Marketing und Kooperationen mit Streamern rechtlich zu bewerten. Im Falle des Influencer-Marketings gibt es bereits einen ersten Fingerzeig des Verwaltungsgericht Hamburg (Beschluss vom 20. Dezember 2022 - 14 E 3058/22). Zwar haben sich die Beteiligten auf die Erledigung des Verfahrens in diesem Punkt verständigt, das Gericht sah sich jedoch dazu gezwungen, im Rahmen der Kostenentscheidung hierzu Stellung zu nehmen.

Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Entscheidung ist sicherlich, dass die Aufsichtsbehörde anerkennen muss, dass es mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag einen grundlegenden Wandel im Glücksspielrecht gegeben hat: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 10. Mai 2022 – 3 K 4295/19) sprach in einer Entscheidung aus dem Jahr 2022 von einer Zäsur; das Verwaltungsgericht Hamburg spricht nun von einer "grundsystematischen Änderung der Werberegulierung".

Die aktuelle Entscheidung erging im Zusammenhang mit den Nebenbestimmungen einer Lizenz für eine Soziallotterie. Sie ist aber auch für Betreiber von virtuellen Spielautomaten, Online-Poker und Sportwetten von großer Bedeutung.

Denn die Werbebestimmung findet sich wortwörtlich auch in den aktuellen Lizenzen für Online‑Glücksspielanbieter wieder. Auch die dazugehörige Begründung ist identisch. Die Nebenbestimmung wird damit begründet, dass die Werbeinhalte nicht beeinflusst werden können. Damit ist es für den Betreiber nicht mehr gewährleistet, dass die Anforderungen an die Werbung im GlüStV und in den Nebenbestimmungen der entsprechenden Konzession eingehalten werden. Denn bei Influencern geht es nicht nur um die Erfüllung der vertraglich versprochenen Werbeinhalte, sondern in ganz erheblichem Ausmaß auch um die Erzielung von Aufmerksamkeit und Resonanz in Verbraucher- und Wirtschaftskreisen. Das Verbot des Influencer Marketings ist aus dem Begrenzungsgebot bzw. dem Übermaßverbot sowie dem Sachlichkeitsgebot nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GlüStV abzuleiten.

"Mit dem Ziel, insbesondere den Schutz Minderjähriger und den Schutz gefährdeter Spieler zu sichern, verfolgt die Nebenbestimmung Ziffer 5. n. zwar einen legitimen Zweck. Die Regelung ist jedoch aufgrund der mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 verbundenen „grundsystematischen Änderung der Werberegulierung“ – wie der Antragsgegner die Neuregelung zu Recht bezeichnet – zur Zweckerreichung nicht geeignet. Sie ist zudem zur Erreichung dieses Zwecks nicht erforderlich. [...]

Vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Werbung für erlaubtes Glücksspiel nach § 5 Abs. 2 GlüStV 2021 dürfte es – wie auch der Antragsgegner im Ergebnis vertritt – unverhältnismäßig sein, Werbung durch Influencer auch dann pauschal zu verbieten, wenn die Werbung von dem Inhaber der Erlaubnis, mithin hier der Antragsgegnerin, „geskriptet“ und kontrolliert wird und so unbeschränkt dem Erlaubnisinhaber zuzurechnen ist. Die Auffassung des Antragsgegners, dass der Begriff des „Influencer-Marketings“ enger als der Begriff des „populärwissenschaftlichen Begriff des Influencers“ sein sollte, erschließt sich dem Gericht nicht (vgl. Troge, Herausforderung: Influencer-Marketing, GRUR-Prax 2018, 87, 87; s.a. Henning-Bodewig, Influencer-Marketing – der „Wilde Westen des Werbens“, WRP 2017, 1415, 1415; Lehmann, Lauterkeitsrechtliche Risiken beim Influencer Marketing, WRP 2017, 772, 772f.; Mallick/Weller, Aktuelle Entwicklungen im Influencer Marketing – Ein Blick in die Praxis, WRP 2018, 155, 155f.). Eine begriffliche Unterscheidung des Influencers und des Influencer-Marketings auf Grundlage dessen, ob die Tätigkeit des Influencers auf einem Manuskript beruht, ist dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht zu entnehmen. Als sogenannte „Influencer“ werden Blogger in sozialen Netzwerken verstanden, die dank einer großen Anzahl sogenannter „Follower“ (Nutzer, die ihnen in dem jeweiligen Social-Media-Kanal folgen) eine große Reichweite haben und für Werbetreibende wegen ihrer Glaubwürdigkeit und ihres zielgruppengenauen Einflusses interessant sind (Troge, a.a.O., 87; s.a. Henning-Bodewig, a.a.O., 1415; Lehmann, a.a.O., 772f.; Mallick/Weller, a.a.O., 155f.).

[…]

Unabhängig von diesen „begrifflichen Missverständnissen“ dürfte die Nebenbestimmung Ziffer 5. k. auch – wie schon die Nebenbestimmung Ziffer 5. n. – aufgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GlüStV 2021 nicht erforderlich sein, da der Inhaber einer Erlaubnis nach § 4 GlüStV 2021 bereits kraft Gesetzes Dritte nur mit der Durchführung der Werbung, nicht aber mit der eigenmächtigen Gestaltung der Werbung beauftragen darf. Einer weiteren Nebenbestimmung, die im Ergebnis jedenfalls dieselbe Regelung treffen soll und Werbemaßnahmen mit Influencern nur zulässt, soweit diese auf einem vom Erlaubnisinhaber kontrollierten Manuskript beruhen, bedarf es darüber hinaus nicht."

Darüber hinaus entschied das Gericht über eine weitere Bestimmung, nämlich die Verpflichtung zur Weitergabe der Werbebeschränkungen an alle mit der Werbung beauftragten Dritten, insbesondere an verbundene Unternehmen.

Wenn es dem Erlaubnisinhaber schon nach dem GlüStV nicht gestattet sei, die Gestaltung der Werbung vollständig Dritten zu überlassen, weil sie dem Inhaber der Erlaubnis voll zuzurechnen sei, bestehe kein Bedarf für die fragliche Nebenbestimmung. Würde der Erlaubnisinhaber einem Dritten entgegen § 5 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 einen Gestaltungsspielraum bei der Werbung einräumen, kann die Glücksspielaufsichtsbehörde wirksam gegen den Erlaubnisinhaber vorgehen. Die streitige Nebenbestimmung sei daher bereits nicht geeignet, das Ziel der Förderung der Spielsuchtbekämpfung zu erreichen. Sie sei auch nicht erforderlich, da die Glücksspielaufsichtsbehörde - sollte der Erlaubnisinhaber entgegen § 5 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 dem beauftragten Dritten einen Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Werbung belassen - unabhängig von der Nebenbestimmung in der Erlaubnis die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall gegen den Erlaubnisinhaber gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 3 Nr. 2, 9a Abs. 2 Satz 1, 2 GlüStV erlassen könne, um rechtswidrigem Verhalten entgegenzuwirken.

Die Entscheidung ist nicht bindend für das Verwaltungsgericht Halle, wo die meisten Gerichtsverfahren von Online-Glücksspielbetreibern entschieden werden. Es ist jedoch ein starkes Indiz dafür, dass die Werbebeschränkungen in ihrer jetzigen Strenge nicht bestehen bleiben werden - dies gilt insbesondere für die undifferenzierten Totalverbote einiger Werbeformen.

Ausblick

Werbung wird auch in Zukunft ein besonderer Schwerpunkt der neuen Gemeinsamen Glücksspielbehörde sein - nicht nur bei der Durchsetzung gegen Werbung für unerlaubtes Glücksspiel, sondern auch bei der Aufsicht über die konzessionierten Angebote. Die derzeitigen Totalverbote für bestimmte Werbemittel stehen bereits unter schlechten Vorzeichen, wie die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg zeigt.

Besonders interessant wird sein, wie sich die GGL zur Aufsicht über die Werbung für erlaubte Glücksspielangebote weiter positionieren wird. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Gerichte im Laufe des Jahres 2023 erste Urteile zur Rechtmäßigkeit der Werbe-Nebenbestimmungen fällen werden.