Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erfolgreich: Verfassungsgerichtshof ermöglicht vorläufigen Weiterbetrieb einer Spielhalle in Karlsruhe

Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 06.09.2022

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat mit soeben den Beteiligten bekanntgegebenem Beschluss (1 VB 63/22) einem Antrag einer Spielhallenbetreiberin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entsprochen und den vorläufigen Weiterbetrieb einer Spielhalle ermöglicht.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in einem auf vorläufige Duldung einer Spielhalle gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren und begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch den Verfassungsgerichtshof. Sie betrieb bis vor Kurzem zwei kleine Spielhallen in Karlsruhe, in deren näheren Umkreis sich unter anderem mehrere Gymnasien sowie zahlreiche Spielhallen anderer Betreiberinnen befinden.

Im April 2021 beantragte die Beschwerdeführerin für die hier verfahrensgegenständliche Spielhalle (erneut) die Erteilung einer Betriebserlaubnis ab dem 1. Juli 2021; zuvor war ihr eine bis zum 30. Juni 2021 befristete Erlaubnis erteilt worden. Den Antrag lehnte die Stadt Karlsruhe nach Durchführung eines Auswahlverfahrens zwischen konkurrierenden Betreiberinnen ab und ordnete die Schließung der Spielhalle an; gleichzeitig erteilte sie für eine nahe gelegenen Spielhalle eine glücksspielrechtliche Erlaubnis.

Die Beschwerdeführerin erstrebte vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe die Erteilung einer einstweiligen Duldung des Weiterbetriebs ihrer Spielhalle. Dies lehnte das Gericht mit Beschluss vom 21.März 2022 ab. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 9. August 2022 die dagegen erhobene Beschwerde zurück. Der begehrten Erteilung einer Erlaubnis stehe jedenfalls der Versagungsgrund des § 42 Abs. 3 LGlüG wegen der Nähe zu unter anderem mehreren Gymnasien entgegen. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG würden von der Spielhalle nach der im gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht erfüllt. Denn der Betrieb der Spielhalle sei nicht mehr von einer Erlaubnis gedeckt; eine „nahtlose Fortschreibung“ der Erlaubnis sei nicht mehr möglich. Denn der von § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG vermittelte Bestands- und Vertrauensschutz entfalle mit „Eintritt“ erlaubnisfreier Zeiten. Dies sei mit Ablauf der bis zum 30. Juni 2021 gültigen Erlaubnis der Fall gewesen. Der Betrieb sei auch nicht darüber hinaus aktiv geduldet worden. Gewähre die zuständige Behörde von sich aus keine aktive Duldung hinsichtlich des Weiterbetriebs einer Spielhalle, obliege es dem Antragsteller, eine dahingehende (vorläufige) Verpflichtung der Behörde vor Ablauf der Gültigkeit einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzustreben, da nur hierüber eine „nahtlose Fortschreibung“ der innegehabten Erlaubnis denklogisch möglich bleibe. Den entsprechenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes habe die Beschwerdeführerin jedoch erst deutlich nach Ablauf ihrer bis zum 30. Juni 2021 befristeten Erlaubnis gestellt.

Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs

Der Verfassungsgerichtshof hat die Stadt Karlsruhe im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Betrieb der Spielhalle durch die Beschwerdeführerin bis zur Entscheidung über das vorliegende Verfassungsbeschwerdeverfahren zu dulden.

1. Nach § 25 Abs. 1 VerfGHG kann der Verfassungsgerichtshof, wenn es zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grunde zum gemeinen Wohl dringend geboten ist, in einem anhängigen Verfahren einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Eilrechts-schutz hat jedoch keinen Erfolg, wenn eine Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Bei offenem Ausgang muss der Verfassungsgerichtshof die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.

2. Die vorliegende Verfassungsbeschwerde ist weder vornherein unzulässig, noch offensichtlich unbegründet. Sind somit deren Erfolgsaussichten offen, kommt es für den Erlass der einstweiligen Anordnung entscheidend auf die Folgenabwägung an.

Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr eines schweren Nachteils erforderlich ist. Ein weiterer Betrieb der Spielhalle ohne die mit dem vorliegenden Eilantrag erstrebte Duldung scheidet angesichts der Gefahr von ordnungswidrigkeiten- und/oder strafrechtlichen Konsequenzen aus. Ohne den begehrten Ausspruch der vorläufigen Duldung des Weiterbetriebs wäre die Beschwerdeführerin deshalb gezwungen, die Spielhalle weiterhin geschlossen zu lassen. Dies würde erhebliche wirtschaftliche Folgen bedeuten, die durch eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr (gänzlich) beseitigt werden könnten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin bis vor Kurzem nur noch die hier betroffene kleine Spielhalle betrieb und über keine nennenswerten weiteren Einnahmequellen verfügt. Die Beschwerdeführerin sieht sich ausweislich der vorgelegten Unterlagen derzeit erheblichen monatlichen finanziellen Verpflichtungen gegenüber, die sie ausschließlich aus ihrem noch vorhandenen Vermögen bestreitet. Ohne eine vorläufige Öffnung des Spielhallenbetriebs wäre dieses jedoch binnen kürzester Zeit aufgebraucht, so dass die weiterhin monatlich anfallenden Kosten durch die Beschwerdeführerin nicht mehr getragen werden könnten und diese dadurch konkret in ihrer Existenz gefährdet wäre. Demgegenüber erweisen sich die Folgen, die die Stadt Karlsruhe bei einem Erlass einer einstweiligen Anordnung zu tragen hätte, falls die Verfassungsbeschwerde später keinen Erfolg hätte, von geringerem Gewicht. Auch die Verwirklichung der aus Sicht des Gesetzgebers überragenden Ziele der Verhinderung der Spiel- und Wettsucht sowie des Jugendschutzes hat bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin zunächst zurückzutreten. Denn durch den vorläufigen Fortbetrieb der Spielhalle droht keine derart gravierende Gefährdung des Gemeinwohls, dass eine sofortige Einstellung des Spielhallenbetriebs erforderlich und eine vorläufige Fortführung nicht hinzunehmen wäre. Dies gilt umso mehr, als der Spielhallenbetrieb am bisherigen Standort seit vielen Jahren erfolgte, zuletzt aufgrund einer bis zum 30. Juni 2021 befristeten Erlaubnis, und seitens der Stadt auch nach Ablauf dieser Härtefallerlaubnis zunächst keine intensiven Schließungsbemühungen zu erkennen waren.

Ausblick

Wann mit einer Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen ist, lässt sich derzeit noch nicht absehen.

Anhang: Auszug aus dem Landesglücksspielgesetz (LGlüG) vom 20. November 2012

§ 41 LGlüG
(1) Der Betrieb einer Spielhalle bedarf der Erlaubnis nach diesem Gesetz, die die Erlaubnis nach § 33i der Gewerbeordnung ersetzt und die Erlaubnis nach Artikel 1 § 24 Absatz 1 Erster GlüÄndStV mit umfasst...
(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn ...
1. ...
2. die Voraussetzungen nach § 42 nicht erfüllt sind, ...

§ 42 LGlüG
(1) Spielhallen müssen einen Abstand von mindestens 500 m Luftlinie, gemessen von Eingangstür zu Eingangstür, untereinander haben.
(2) ...
(3) Zu einer bestehenden Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen ist ein Mindestabstand von 500 m Luftlinie, gemessen von Eingangstür zu Eingangstür, einzuhalten.

§ 51 LGlüG
...
(3) § 33i der Gewerbeordnung ist für die Erteilung von Erlaubnissen für Unternehmen nach § 40 Satz 1 letztmals bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden. ...
(4) Für den Betrieb einer bestehenden Spielhalle, für die bis zum 18. November 2011 eine Erlaubnis nach § 33i der Gewerbeordnung beantragt und in der Folge erteilt wurde, ist nach dem 30. Juni 2017 zusätzlich eine Erlaubnis nach § 41 erforderlich. ...
(5) ... § 42 Abs. 3 gilt nur für Spielhallen, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes eine Erlaubnis nach § 33i der Gewerbeordnung noch nicht erteilt worden ist.