Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. März 2022
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat mit soeben den Beteiligten bekanntgegebenem Beschluss einem Antrag einer Spielhallenbetreiberin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entsprochen und den vorläufigen Weiterbetrieb einer Spielhalle ermöglicht.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen in einem auf vorläufige Duldung einer Spielhalle gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren und begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch den Verfassungsgerichtshof. Sie betreibt in Mosbach eine Spielhalle, in deren nähren Umkreis sich ein Gymnasium sowie die Spielhalle einer anderen Betreiberin befinden.
Im April 2021 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Großen Kreisstadt Mosbach für ihre Spielhalle die Erteilung einer Betriebserlaubnis gemäß § 41 LGlüG ab dem 1. Juli 2021; zuvor war ihr eine bis zum 30. Juni 2021 befristete Erlaubnis erteilt worden. Den Antrag lehnte die Stadt Mosbach ab und erteilte gleichzeitig der nahe gelegenen Konkurrenzspielhalle eine glücksspielrechtliche Erlaubnis. Über die von der Beschwerdeführerin gegen beide Entscheidungen erhobenen Widersprüche ist bislang noch nicht entschieden.
Die Beschwerdeführerin erstrebte vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe die Erteilung einer einstweiligen Duldung des Weiterbetriebs ihrer Spielhalle im Wege des Eilrechtsschutzes. Dies lehnte das Gericht mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 23.August 2021 ab. Der Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg wies mit dem hier ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 7. Oktober 2021 die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurück. Der begehrten Erteilung einer Erlaubnis stehe jedenfalls der Versagungsgrund des § 42 Abs. 3 LGlüG wegen der Nähe zu einem Gymnasium entgegen. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG würden von der Spielhalle der Beschwerdeführerin nach der im gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht erfüllt. Denn der Betrieb der Spielhalle sei nicht mehr von einer Erlaubnis gedeckt; eine „nahtlose Fortschreibung“ der Erlaubnis sei nicht mehr möglich. Denn der von § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG vermittelte Bestands- und Vertrauensschutz entfalle mit „Eintritt“ erlaubnisfreier Zeiten. Dies sei mit Ablauf der bis zum 30. Juni 2021 gültigen Erlaubnis der Fall gewesen. Der Betrieb sei auch nicht darüber hinaus aktiv geduldet worden. Gewähre die zuständige Behörde von sich aus keine aktive Duldung hinsichtlich des Weiterbetriebs einer Spielhalle, obliege es dem Antragsteller, eine dahingehende (vorläufige) Verpflichtung der Behörde vor Ablauf der Gültigkeit einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzustreben, da nur hierüber eine „nahtlose Fortschreibung“ der innegehabten Erlaubnis denklogisch möglich bleibe. Den entsprechenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes habe die Beschwerdeführerin jedoch erst (kurz) nach Ablauf ihrer bis zum 30. Juni 2021 befristeten Erlaubnis gestellt. Sei die Legalisierung des Spielhallenbetriebs mittels einer Erlaubnis unterbrochen und liege damit keine „nahtlose Fortschreibung“ der Erlaubnis nach § 33i GewO vor, bedürfe es für den Wiederbetrieb der zwischenzeitlich eingestellten Spielhalle einer neuen Erlaubnis, in deren Rahmen § 42 Abs. 3 LGlüG ungeschmälert zur Anwendung komme.
Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs
Der Verfassungsgerichtshof hat die Große Kreisstadt Mosbach im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Betrieb der Spielhalle durch die Beschwerdeführerin bis zur Entscheidung über das vorliegende Verfassungsbeschwerdeverfahren zu dulden.
Nach § 25 Abs. 1 VerfGHG kann der Verfassungsgerichtshof, wenn es zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grunde zum gemeinen Wohl dringend geboten ist, in einem anhängigen Verfahren einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Eilrechts-schutz hat jedoch keinen Erfolg, wenn eine Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Bei offenem Ausgang muss der Verfassungsgerichtshof die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.
Die vorliegende Verfassungsbeschwerde ist weder vornherein unzulässig, noch offensichtlich unbegründet. Sind somit deren Erfolgsaussichten offen, kommt es für den Erlass der einstweiligen Anordnung entscheidend auf die Folgenabwägung an.
Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr eines schweren Nachteils erforderlich ist. Ein weiterer Betrieb der Spielhalle ohne die mit dem vorliegenden Eilantrag erstrebte Duldung scheidet angesichts der Gefahr von ordnungswidrigkeiten- und/oder strafrechtlichen Konsequenzen aus. Ohne den begehrten Ausspruch der vorläufigen Duldung des Weiterbetriebs wäre die Beschwerdeführerin deshalb gezwungen, die Spielhalle weiterhin geschlossen zu lassen. Dies würde erhebliche wirtschaftliche Folgen bedeuten, die durch eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr (gänzlich) beseitigt werden könnten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin nur noch die hier betroffene Spielhalle betreibt und über keine weiteren Einnahmequellen verfügt. Ohne eine vorläufige Öffnung des Spielhallenbetriebs wäre das noch vorhandene Vermögen binnen weniger Monate aufgebraucht, so dass die weiterhin monatlich anfallenden Kosten durch die Beschwerdeführerin nicht mehr getragen werden könnten und diese dadurch in ihrer Existenz gefährdet wäre. Demgegenüber erweisen sich die Folgen, die die Stadt Mosbach bei einem Erlass einer einstweiligen Anordnung zu tragen hätte, falls die Verfassungsbeschwerde später keinen Erfolg hätte, von geringerem Gewicht. Auch die Verwirklichung der aus Sicht des Gesetzgebers überragenden Ziele der Verhinderung der Spiel- und Wettsucht sowie des Jugendschutzes hat bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin zunächst zurückzutreten. Denn durch den vorläufigen Fortbetrieb der Spielhalle droht keine derart gravierende Gefährdung des Gemeinwohls, dass eine sofortige Einstellung des Spielhallenbetriebs erforderlich und eine vorläufige Fortführung nicht hinzunehmen wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Spielhallenbetrieb am bisherigen Standort bereits seit dem Jahr 2008 erfolgt, zuletzt aufgrund einer bis zum 30. Juni 2021 befristeten Erlaubnis.
Ausblick
Wann mit einer Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen ist, lässt sich derzeit noch nicht absehen.
Quelle: Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg