Die Geheimloge der Länder – oder auch „Das Glücksspielkollegium“

Rechtsanwalt Dr. Nik Sarafi

Dr. Sarafi Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Leerbachstr. 54
D - 60322 Frankfurt am Main
Tel.: +49 69 70793-660
Fax: +49 69 70793-727
E-Mail: info@sarafi.de
Nahezu versteckt auf der Internetseite des hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport findet sich die Internetpräsenz des Glücksspielkollegiums – ein Organ der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, das eine Großzahl der wichtigsten Entscheidungen für die Veranstalter von Glücksspielen trifft. Im Einzelnen entscheidet das Glücksspielkollegium über Anträge auf Erlaubnisse und Konzessionen (§ 9a Abs. 1 und 2 GlüStV), über gebündelte Verfahren zur gewerblichen Spielevermittlung (§ 19 Abs. 2 GlüStV) sowie zu allen Fragen der Glücksspielaufsicht zur Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels (§ 9a Abs. 2 S. 2 GlüStV) und zur Überwachung der Erlaubnis- und Konzessionsnehmer (§ 9a Abs. 3 GlüStV). Darüber hinaus konkretisiert das Glücksspielkollegium auch Art und Umfang der erlaubten Werbung (Werberichtlinien, § 5 Abs. 1 bis 3 GlüStV) in dem nach § 5 Abs. 4 i.V.m. § 9a Abs. 6 bis 8 GlüStV vorgesehenen Verfahren.

Angesichts der großen Bedeutung des Glücksspielkollegiums überrascht es sehr, dass über dieses selbst nur wenig bekannt ist und veröffentlicht wird. Auf der Internetpräsenz des Glücksspielkollegiums heißt es allgemein, es würde die Länder bei der „Umsetzung einer gemeinschaftlich auszuübenden Aufsicht der jeweiligen obersten Glücksspielaufsichtsbehörden“ unterstützen. Dem Gesetzestext ist zu entnehmen, dass das Glücksspielkollegium aus 16 Mitgliedern besteht, wobei jedes Land durch seine oberste Glücksspielaufsichtsbehörde je ein Mitglied sowie dessen Vertreter benennt. Wer diese Mitglieder und deren Vertreter sind, ist ein großes Geheimnis. Auch darüber, wie das Glücksspielkollegium im Tatsächlichen operiert, ist unbekannt. Der Geschäftsordnung des Glücksspielkollegiums (nachfolgend GOGK), welche dieses sich nach § 9a Abs. 6 S. 3 GlüStV einvernehmlich selbst gegeben hat, ist neben formalen Regeln zur Beschlussfähigkeit, Geschäftsstelle oder Sitzungsvorbereitung und -ablauf lediglich zu entnehmen, dass Sitzungen „bei Bedarf“ einberufen werden (§ 3 GOGK). Darüber hinaus sind nach § 5 Abs. 1 GOGK, welche dieses sich nach § 9a Abs. 6 S. 3 GlüStV einvernehmlich selbst gegeben hat, sind Sitzungen nicht öffentlich. Die Teilnahme Dritter an Sitzungen des Glücksspielkollegiums ist nur möglich, wenn dies erforderlich ist – welche Voraussetzungen an die Erforderlichkeit zu stellen sind, nennt die Geschäftsordnung des Glücksspielkollegiums gleichwohl nicht. Und selbst wenn Dritte zugelassen werden, dürfen diese nur „für Erläuterungen und zur Beratung zu bestimmten Tagesordnungspunkten hinzugezogen werden“ und ihre Teilnahme „an einer Sitzung ist auf den jeweiligen Tagesordnungspunkt beschränkt“. Auch Pressemeldungen über Beratungen des Glücksspielkollegiums werden nicht herausgegeben. Kurz gesagt: Obwohl das Glücksspielkollegium zentrale Entscheidungen für die Veranstaltung von Glücksspielen in Deutschland trifft, ist weder bekannt, wer entscheidet, noch wann beraten wird oder wie die Entscheidungsverfahren tatsächlich ablaufen.

Per se problematisch ist die Entscheidung durch ein Kollektiv nicht. Dass nicht Einzelpersonen, sondern Kollektive entscheiden, ist nicht nur im Wirtschaftsleben (z.B. Vorstand einer Aktiengesellschaft oder einer Gewerkschaft), im Justizalltag (z.B. Kammerentscheidung im Strafprozess) oder im normalen Alltag (z.B. Wohnungseigentümerversammlung) zu finden, sondern im demokratischen Staat bei allen wichtigen Entscheidungen. Entscheidet im demokratischen Staat ein Kollektiv über Grundrechtseinschränkungen, sind diese Entscheidungen aber nur verfassungsmäßig, wenn das Kollektiv demokratisch legitimiert ist. Dies hat der VGH Kassel im Jahr 2015 in Bezug auf das Glücksspielkollegium allerdings verneint:

„[Es] werden zwar die jeweiligen Vertreter der einzelnen Länder von der jeweiligen Glücksspielaufsicht benannt und sind isoliert betrachtet vom Volk des jeweils vertretenen Landes persönlich hinreichend demokratisch legitimiert. Das gilt jedoch nicht für das Glücksspielkollegium in seiner Gesamtheit, weil dessen hoheitliches Tätigwerden sich weder auf das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland noch auf das Staatsvolk eines der Länder zurückführen lässt. Ein Staatsvolk der Gesamt- oder Mehrheit der Länder kennt das Grundgesetz nicht. […] Mit dem Glücksspielkollegium haben die Länder eine Institution geschaffen, die im grundrechtsrelevanten Bereich für alle Länder intern verbindliche Entscheidungen trifft, ohne jedoch in ihren Entscheidungen durch ein damit korrespondierendes System von Kontroll- und Aufsichtsbefugnissen eingebunden zu sein. Dieser Mangel an demokratischer Legitimation wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass jeder Vertreter eines Landes vom Volk seines Landes hinreichend demokratisch legitimiert ist. Denn das Glücksspielkollegium entscheidet mit einer 2/3-Mehrheit, so dass einzelne Länder überstimmt werden können und seine Entscheidung daher in diesen Ländern ohne Anbindung an das Staatsvolk dieses Landes vollzogen werden kann.“ (VGH Kassel, Beschl. v. 16.10.2015 – 8 B 1028/15)

Darüber hinaus ist der modus operandi des Glücksspielkollegiums höchst problematisch, weil die Entscheidungsfindung höchst intransparent verläuft und aufgrund des Ausschlusses der Öffentlichkeit eine Kontrolle des Einhaltens der selbstgewählten Regeln der GOGK nicht erfolgen kann. Insbesondere ist dabei nicht auszuschließen, dass Sympathien des Glücksspielkollegiums bei staatlichen bzw. staatlich privilegierten Anbietern von Glücksspielen liegen. Über die Vorsitzende des Glücksspielkollegiums, Frau Barbara Cremer aus dem Innenministerium Baden-Württemberg, findet sich bei einer schnellen Internetrecherche sofort ein Pressebericht, wonach Frau Cremer sich befürwortend für das staatliche Lotteriemonopol ausspricht. Abgesehen davon, dass das Kollegium bereits von Grunde auf verfassungswidrig ist, ist es verfassungsrechtlich höchst bedenklich, dass an der Entscheidungsfindung im Glücksspielkollegium ganz klar Entscheidungsträger sitzen, die kein Interesse daran haben, dass das Thema Glücksspiel liberalisiert wird, sondern im Gegenteil alte Seilschaften und staatsnahe und privilegierte Unternehmen bevorzugen möchten. Da das Glücksspielkollegium seine Entscheidungen im Geheimen fällt und de facto niemandem gegenüber Rechenschaft schuldet, drängt sich angesichts der offenkundigen Sympathien der Mitglieder des Glücksspielkollegiums die Frage auf, wie man vertreten könne, dass das Glücksspielkollegium im Ansatz neutral und rechtsstaatlich entscheiden.

Damit handelt es sich bei dem Glücksspielkollegium um ein kontrollfreies, verfassungswidriges Kollektiv, das durch seine intransparenten Entscheidungen massiv in Grundrechte eingreift und durch seine umfassenden Kompetenzen für viele Anbieter wirtschaftlich desaströse Zustände heraufbeschwören kann. Zu begrüßen ist deshalb, dass das Glücksspielkollegium durch den GlüStV 2021 ab dem 31. Dezember 2022 (§ 27p Abs. 6 bis 9 GlüStV 2021) durch die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder abgelöst wird.

Geheimnistuerei ist aber auch jenseits des Glücksspielkollegiums an der Tagesordnung: Jetzt wurde bekannt, dass die Privatisierung der nordrhein-westfälischen Westspiel-Gruppe, welche Spielbanken in Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund und Duisburg betreibt und einen Wert von c.a. 2,7 Mrd. Euro hat, in einem vertraulichen Bieterverfahren durchgeführt wird. Ausgeschwiegen wird sich bereits darüber, wer überhaupt einen Antrag im Teilnahmewettbewerb eingereicht hat. Dass altbekannte, dem Staat nahestehende Unternehmen, ihren Hut in den Ring geworfen haben, ist aber sehr wahrscheinlich. Denn es geht um sehr viel Geld: Die Spielbankkonzessionen für die bereits bestehenden Standorte sollen für 15 Jahre vergeben werden, wobei zusätzlich zwei weitere Standorte in Köln, Düsseldorf oder Münster eingerichtet werden sollen. Überraschen würde nicht, wenn ihnen am Ende der Zuschlag gemacht wird. Da die Bewerber sowohl Erfahrungen im Spielbank-Geschäft nachweisen müssen als auch ein Eigenkapital von mindestens 20 Millionen Euro vorweisen müssen, wurde bereits bei der Ausschreibung des Bieterverfahrens eine Vorselektion vorgenommen, welche die meisten anderen Mitbewerbern wohl von vornherein ausschließt.