Die Entscheidung des BVerfG auf die Beteiligten

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
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Auf ein offenes Wort – Teil 6

(rs) Kennen Sie einen Sieger, der offensichtlich Keiner war? Pyrrhus ist sein Name, sein Sieg über die Römer war durch massive Verluste in den eigenen Reihen erkämpft. Pyrrhus soll zu einem Vertrauten gesagt haben: “Noch so ein Sieg und wir sind verloren!“

Eine weitere Person aus der Geschichte wäre König Salomon. Seine Gesetze waren der Art gestaltet, dass jedem Recht widerfahren sollte. Wenn sich zwei gegeneinander stehende Parteien nicht einigen konnten, halbierte Salomon die Gesamtstrafe in zwei gleiche Teile. Gewonnen oder Verloren hatten in solchen Fällen beide Parteien.

Nun hat am 28. März 2006 das Bundesverfassungsgericht ein salomonisches Urteil gefällt. Der Klägerin aus Münchnerin wurde zwar Recht gegeben, aber so wirklich kann sich keiner eines Sieges freuen – zumindest nicht mittelfristig. Das staatlich betriebene „Oddset“ hat, betrachtet man den Wortlaut des Richterspruches, zunächst einen Sieg erringen können, der jedoch sehr teuer erkauft ist.
Das Urteil könnte man als salomonisch bezeichnen, denn beide Parteien können für sich in Anspruch nehmen, gewonnen zu haben. Beide Parteien haben allerdings einen Pyrrhussieg erkämpft, denn beide Parteien müssen zukünftig mit hohen finanziellen Einbußen leben.

Bis Ende 2007 muss ein Spieler und ein gewerblicher Sportwett-Anbieter warten, bis er genau weiß, was er gesetzlich darf und was nicht.

Die staatlichen Wettanbieter haben zunächst als einzige die Möglichkeit bekommen weiter zu arbeiten, aber mit erheblichen Einschränkungen im Bezug auf ihre Werbung und ihre Präsentation. Die privaten Anbieter von Wetten und Glücksspiel haben das Nachsehen. Ihre Tätigkeit wurde nicht liberalisiert, sie müssen bis 2008 warten.

Und was macht der Spieler und der Wetter?

Er schaut sich selbstverständlich nach Alternativen um, oder bedient weiter das staatliche „Oddset“, das „Lotto“ oder die „Pferdewette“.

Der bisher tolerierte private Wettanbieter um die Ecke könnte schon bald verschwunden sein. Erste Schritte sind bereits eingeleitet.

Was ist eigentlich mit den Wettanbietern, die sich auf eine Lizenz der ehemaligen DDR berufen?

An sich ist deren Lizenz weiterhin gültig, aber irgendwie widerspricht diese Lizenz dem Richterspruch. Denn irgendwie war ja dem „Oddset“ weiterhin unter Auflagen ein Monopol zugesprochen worden – zumindest so lange, bis der Staat eine Form gefunden hat, die dem Richterspruch entspricht. Momentan sieht es so aus, als müssten die Lizenzen erneut vor dem Gericht ausgehandelt werden. Der Wetter, sofern er überhaupt um die Widersprüche des Urteils weiß, schaut derweil mit Besorgnis auf seine Einsätze und entscheidet für sich, wo er seinen Wetteinsatz tätigt – möglicherweise unwissend illegal.

Natürlich haben die Richter des BVerfG nicht die Belange des Wetters zu berücksichtigen. Sie haben sich sogar über seine Bedürfnisse durch die langen Fristen, die sie den Monopolen eingeräumt haben, hinweg gesetzt. Auch für die privaten Wettanbieter ist die Zeit bis Ende 2007 viel zu lang und finanziell eine Katastrophe, da sie bis dahin kaum überleben dürften. Schon sind die ersten Schließungen von privaten Wettbüros durch die Innenministerien beschlossen. Die in den Wettbüros arbeitenden Menschen werden sich bald in der Arbeitslosenstatistik wieder finden oder vielleicht – und das ist sehr wahrscheinlich – in Grauzonen weiter arbeiten.

Großes Bedauern muss man mit den kleinen bestehenden ordentlichen Wettbüros haben, die im Vertrauen „auf die Propheten“ ihre Wettangebote auf Sportwetten erweiterten, die sie ins Ausland vermittelten. Auch sie werden leider nicht „überleben“.

Also doch ein Pyrrhussieg: Denn Gewinner und gleichzeitig Verlierer ist in jedem Falle der Staat. Denn während der staatliche Wettanbieter ohne Konkurrenz den Wettmarkt beherrscht und Geld verdient und Steuern einnimmt, verliert die andere Seite der staatlichen Einnahmen erhebliche Potentiale an ausländische Wettanbieter, die den deutschen Wettmarkt mit ihren Online-Angeboten überschwemmen. Schon jetzt, nach seriöser Recherche, wandern 3,0 bis 4,0 Mrd. EUR aus Deutschland in die Kassen ausländischer Glücksspiel- und Wettanbieter. Eine Tatsache, auf die das BVerfG mit keinem Wort und mit keiner Zeile eingegangen ist. Es ist sehr leicht eine reale Eingangstür zu bewachen und gegebenenfalls zu schließen, wenn sie zu einem ungewollten Wettbüro oder Casino führt. Es ist außerordentlich schwierig, die Online-Ströme über Deutschland zu regulieren oder gar zu kontrollieren.

Nach dem BVerfG-Urteil im März hörte man die Jubelschreie der Online-Wettanbieter im Ausland, denn der deutsche Wettmarkt liegt ihnen jetzt ohne Konkurrenz durch stationäre Wettanbieter mit vergleichbaren Quoten zu Füßen.

In Zukunft werden die internationalen Wettanbieter den deutschen Markt weiterhin per WWW abschöpfen. Das Kürzel bedeutet jedoch nicht mehr World Wide Web, sondern World Wide Wetten. Schon jetzt sind die Quoten im Internet wesentlich besser als die Quoten der deutschen Monopolisten, da diese nicht nur erhebliche Steuern, sondern auch Abgaben an fremde Organisationen zu leisten haben, von denen der internationale Anbieter befreit ist.

Der Wetter wird sich das Angebot heraussuchen, das ihm die bessere Quote verspricht und er wird sich keinen Deut darum kümmern, ob diese Wette möglicherweise illegal abläuft, sofern im Gewinnfall das Geld auf seinem Web-Konto erscheint.

Dem staatlichen Monopol wurde höchstrichterlich das übertriebene Bewerben seiner Produkte untersagt, um den Bürger nicht zu ruinösen Wetten und Spielen zu verführen.
Folgt zukünftig der Hinweis auf Lottoannahmestellen oder Oddset-Wetten die Warnung „Wetten bedingt die Gefahr der Abhängigkeit“, analog zu den Aufschriften auf Zigarettenpackungen? Unsinn!

Das Bestehen auf Monopolen hätte weit reichende nachhaltige negative Folgen für den staatlichen Anbieter. Es gilt auch hierbei der Spruch: Ohne Werbung keine Neukunden. Wer nicht wirbt, stirbt! Auch dieses wussten schon die Römer und versahen ihre Mauern mit „Werbung“.

„Oddset“ würde möglicherweise zu einem kleinen Sportwettanbieter, der im internationalen Wettbewerb bedeutungslos würde und nichts zu melden hätte. Sollte sich der deutsche Markt in Zukunft doch auf EU-Geheiß hin öffnen, wäre „Oddset“ ein Übernahmekanditat eines englischen oder italienischen oder österreichischen Wettanbieters und für kleine Münze zu haben.

Ein Positivum hätte das Monopol zu bieten: es könnte Minderjährige und so genannte Problemspieler am Spielen und Wetten hindern. Hierzu müsste jedoch der Monopolist sein Identifikationskonzept erheblich ändern, um diese „Klientel“ überhaupt zu erkennen.

Wo bleibt auf diesem Spielfeld eigentlich die Eigenverantwortung, die Selbstbestimmung und die Disziplin, die sonst doch dem Souverän – dem Bürger – zu eigen sein soll? Jede Tätigkeit, und ist sie noch so klein und unbedeutend, kann durch Perversion ins Gegenteil zur Sucht und zum Problem verkehrt werden.

Wie weit geht eigentlich noch der staatliche Einfluss, den Bürger permanent zu bevormunden, zu gängeln und zu regeln, indem man ihn nicht dabei unterstützt, die Gefahren kennen zu lernen und zu beherrschen, statt ihm permanent das selbstständige Gehen zu reglementieren.

Lesen Sie im 2. Teil: Was spräche für die Liberalisierung? – Sowie den Abschließender Kommentar