Amtsgericht Kempten lehnt Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten ab

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Arendts Rechtsanwälte
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)
Während das Oberlandesgericht München eine Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten mit der sog. Erlaubnisvorbehalt (trotz tatsächlich fehlender Erlaubnismöglichkeit) zu begründet versucht hatte (vgl. hierzu die von der Rechtsanwaltskanzlei Arendts Anwälte erreichte Vorlage des AG Sonthofen an den EuGH, siehe die Begründung des Amtsgerichts http://wettrecht.blogspot.de/2014/04/vorlage-des-amtsgerichts-sonthofen-den.html), wurde dies in mehreren Entscheidungen kürzlich abgelehnt. Mehrere von uns vertreten Vermittler wurden von den Amtsgerichten Kempten und Sonthofen freigesprochen.

In einer aktuellen Entscheidung hat das Amtsgericht Kempten noch einmal ausführlich begründet, weshalb die binnengrenzüberschreitende Vermittlung von Sportwetten derzeit nicht bestraft werden kann (Beschluss vom 28. April 2014, Az. 2 Gs 937/14). Da eine Erlaubnis nicht oder nur zufallsabhängig erlangbar sei, stelle dies einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen das Gleichheitsgebot und die europäische Dienstleistungsfreiheit dar. Daher wurde auf die Beschwerde von Rechtsanwalt Martin Arendts hin der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss aufgehoben und festgestellt, dass die Durchsuchung rechtswidrig war.

Das Gericht begründet den bereits fehlenden Anfangsverdacht und die Straflosigkeit wie folgt:

„Es liegt kein Anfangsverdacht für die Annahme eines Verstoßes gegen § 284 StGB vor.

Die genannte Vorschrift ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil dies gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Eine darin liegende Beschränkung des freien Dienstleitungsverkehrs ist nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, EuGH 15.9.2011 Rs C-347/09). Die Ziele des GlüStV, Suchtbekämpfung und Jugendschutz, zählen zu derartigen Gründen. Damit steht den Mitgliedsstaaten ein ausrechendes Ermessen zu, das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen (BVerwG 11.7.2011, 8 C 11.10). Somit ist auch die Schaffung eines Monopols bzw. die durch die Änderung des Glücksspielstaatsvertrags beschränkte Lizensierung von Wettanbietern möglich. Dennoch müssen Beschränkungen verhältnismäßig bleiben. Hierbei ist zu beachten, dass eine Beschränkung im nationalen Recht nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie dies in systematischer und kohärenter Weise tut. Damit genügt es aber nicht, wenn durch die Regelung überhaupt einen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten leistet; dieser muss vielmehr innerhalb eines konzeptionell aufeinander bezogenen systematischen Regelungszusammenhang stehen (BayVGH 10 BV 10.2505). Das bedeutet, dass die Regelung nicht durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren in der Weise konterkariert werden darf, dass dort eher darauf abgezielt wird, zur Teilnahme an diesen Spielen zu ermuntern anstatt diese zu begrenzen. Damit dürfen in anderen Glücksspielsektoren nicht Umstände oder Vorschriften geduldet oder herbeigeführt werden, die sektorübergreifend zur Folge, dass die eingrenzende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung entfällt (BVerwG a.a.O.). Dabei kann dahinstehen, ob bereits die allgegenwärtigen Werbekampagnen für staatliche Lotterieveranstaltungen darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher zu fördern anstatt ihn nur zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu leiten.

Denn jedenfalls durch die erfolgte – und durch die Änderung des Glücksspielstaatsvertrags auch nicht zurückgenommene – Liberalisierung des Automatenspielsektors wird das mit der Beschränkung des Wettspielsektors verfolgte Ziel völlig konterkariert. Der Automatenspielsektor weist durch die schnelle Spielabfolge und die minimalen und völlig wirkungslosen Einschränkungen dieses Sektors ein derartiges Suchtpotenzial auf, dass Einschränkungen des Wettspielsektors als geradezu lächerlich wirken. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wird der Automatenspielsektor geradezu staatlich gefördert, was zu erheblichem Umsatzwachstum und Erhöhung der Anzahl der Spielautomaten geführt hat (Dhom ZfWG 2010, 398). Angesichts des hohen Suchtpotenzials diese Sektors, welches das des Wettspielsektors erheblich übersteigt, sind Einschränkungen des Wettspielsektors offensichtlich ausschließlich von fiskalischen Interessen geprägt. Zu Recht wertet in diesem Zusammenhang auch das OVG NRW im Urteil vom 29.9.11 (Bl. 67 ff. 104 der Akte) das Wettmonopol als im krassen Missverhältnis zu den Regelungen des Automatenspielmarkte stehend. Dies gilt im gleichen Maße für den neuen GlüStV 2012, der zwar kein Wettmonopol mehr vorsieht, aber dafür ein Wettoligopol, wenn § 4a GlüStV regelt, die Zahl der Konzessionen zu begrenzen und in § 4 a II 2 GlüStV einen Rechtsanspruch auf eine Konzession negiert. Damit ist es auch bei Erfüllung sämtlicher Erlaubnisvoraussetzungen zufallsabhängig, ob eine Konzession erlangt werden kann oder nicht.

Damit ist die Regelung des GlüStV europarechtswidrig und somit nichtig. Dies wird dadurch bekräftigt, dass bis heute kein einziger Anbieter in Deutschland eine Konzession erhalten hat, obwohl 14 Antragstellern in einer ersten Runde bestätigt wurde, die Mindestanforderungen zu erfüllen, denn weitere Mindestanforderungen an eine Konzessionserteilung wurden den genannten Bewerbern erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist mitgeteilt.

Dahinstehen kann, ob der Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlüStV auch unabhängig von der Wirksamkeit des Sportwettenmonopols Anwendung findet, wobei hiergegen bereits spricht, dass nicht verlangt werden kann, Antrag auf eine Erlaubnis zu stellen, die nach den gesetzlichen Vorgaben nicht erteilt werden wird und sich darauf beschränken zu müssen, diese verwaltungsgerichtlich über Jahre durchzusetzen und solange das Geschäft nicht ausüben zu können.

Denn für die Frage der Strafbarkeit ist Voraussetzung, dass der Erlaubnisvorbehalt dahingehend mit Leben gefüllt wird, dass daraus eine Erlaubnis auch tatsächlich erlangbar ist; faktisch stellt sich die Sachlage aber so dar, dass dies nicht der Fall und ein ergebnisoffenes Erlaubnisverfahren gar nicht durchgeführt wird (vgl. Vorlagebeschluss des AG Sonthofen). Ausdrücklich sieht § 4 II S. 3 GlüStV vor, dass ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nicht besteht. Wenn aber eine Erlaubnis nicht oder nur zufallsabhängig erlangbar ist, stellt dies einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen das Gleichheitsgebot und die europäische Dienstleistungsfreiheit dar und kann keine Grundlage für ein strafbares Verhalten sein.“